» Lack-a-day, das ist eine Arbeit, bei der man keine Langweile hat, trotzdem man sich dabei nicht
anzustrengen braucht. Da müßt Ihr jawohl ein sehr wohlhabender, wo nicht gar ein reicher Mann sein;
man sieht das auch Euren blanken Waffen an!«
Mit dieser Vermutung befand er sich allerdings auf dem Glatteise, denn ich besaß eben nur diese Waffen
und nebenbei einige Kleinigkeiten, die ich daheim gelassen hatte. Auch gefiel mir die Frage nicht, und
noch weniger der lauernde Blick und der halb spöttische, halb hastige Ton, mit dem sie ausgesprochen
wurde. Der Mann war sehr unvorsichtig und flößte mir trotz seines wohlbeschaffenen Äußern kein
Vertrauen ein; ich beschloß, ihn scharf aufs Korn zu nehmen, und antwortete daher weder bejahend noch
verneinend:
»Ob arm, ob wohlhabend, das ist in dem Estaccado so ziemlich gleich, sollte ich meinen.«
»Da habt Ihr Recht, Sir. Noch vor einer halben Stunde waren wir alle am Verschmachten, und nur ein
reines Mirakel hat uns gerettet, ein Wunder, wie es hier noch niemals vorgekommen ist.«
»Welches?«
»Der Regen natürlich. Oder kommt ihr vielleicht aus einer Richtung, in welcher er euch nicht treffen
konnte?«
»Er hat uns getroffen, denn wir haben ihn ja erst fertig gemacht.«
»Fertig gemacht? Was wollt Ihr damit sagen, Sir?«
»Daß wir ebenso verschmachtet waren, wie Ihr, und erkannten, daß wir nur dann Rettung finden konnten,
wenn wir Wolken, Blitz und Donner machten.«
»Hört, Master Schlabbermaul, ich will nicht hoffen, daß Ihr uns für Leute haltet, denen man einen Bären
für einen Wipp-poor-will geben kann, sonst würde es nach wenigen Augenblicken mit Eurer Haut sehr
schlecht beschaffen sein. Ihr wart gewiß einmal da drüben in Utah am großen Salzsee und gehört zu den
›Heiligen der letzten Tage‹, die auch so ähnliche Wunder tun wie Ihr.«
»Allerdings war ich einmal drüben, habe es jetzt aber nicht mit den letzten Tagen, sondern zunächst mit
dem heutigen Tage und mit Euch zu tun. Werdet Ihr uns beiden erlauben, uns Euch anzuschließen?«
»Warum nicht? Besonders da Ihr mit Master Marshal bekannt seid. Wie kommt es denn, daß Ihr Euch zu
zweien in den Llano Estaccado wagt?«
Ich folgte meinem Mißtrauen, indem ich mich leichtsinnig und unerfahren stellte:
»Was gibt es da zu wagen? Der Weg ist abgesteckt; man geht also hinein und kommt glücklich wieder
heraus.«
» Good lack, seid Ihr rasch fertig! Habt Ihr einmal von den Stakemen etwas gehört?«
»Was sind das für Leute?«
»Da hat man es! Ich will nicht von ihnen reden, denn man soll den Teufel nicht an die Wand malen; aber
das sage ich Euch: wer zu zweien sich in den Estaccado wagt, der muß ein Kerl sein wie Old Firehand,
Old Shatterhand, oder so klug und schlau wie Sans-ear, der alte Indsmentöter. Habt Ihr vielleicht einmal
von einem dieser Leute gehört?«
»Möglich, habe es aber wohl wieder aus der Acht gelassen. Wie lange werden wir noch reiten, ehe wir
aus dem Estaccado herauskommen?«
»Zwei Tage.«
»Natürlich sind wir auf der rechten Straße?«
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»Warum sollten wir es nicht sein?«
»Weil es mir vorkam, als ob die Pfähle plötzlich nach Südost statt nach Südwest gingen.«
»Das kann wohl Euch so vorkommen, nicht aber einem alten, erfahrenen Voyageur, wie ich bin. Ich
kenne den Estaccado wie meinen Kugelbeutel.«
Mein Verdacht wurde größer. War er wirklich so erfahren, so mußte er sicher wissen, daß er aus der
Richtung geraten war. Ich beschloß, ihn noch etwas näher anzulaufen.
»Wie kommt es, daß die Kompagnie Euch so tief nach dem Süden schickt? Es scheint mir, daß es mehr
Pelzwerk im Norden gibt als hier.«
»Was Ihr weise und klug seid! Pelz ist Fell, und Fell ist Pelz. Abgerechnet, daß es graue und schwarze
Bären, Racoons Waschbären, Opossums und andere Pelztiere auch hier in Menge gibt, gehen wir nach
Mittag, um uns bei der Herbstwanderung der Büffel einige tausend Felle zu holen.«
»Ah so! Ich habe geglaubt, daß Ihr sie droben in den Parks und so da herum viel leichter haben könnt.
Übrigens seid Ihr als Voyageur in einer sehr guten Lage, da Ihr von keinem Indsman etwas zu befürchten
habt. Man hat mir erzählt, daß die Kompagnie ihre Voyageurs zugleich als Briefträger und Stafetten
benützt, und ein solcher Brief soll der beste Talisman gegen die Feindseligkeiten der Indianer sein. Ist das
wahr?«
»Ja. Wir können, statt die Feindseligkeiten der Roten zu befürchten, uns stets auf ihre Hilfe verlassen.«
»So seid Ihr wohl auch mit solchen Briefen versehen?«
»Natürlich. Ich brauche nur das Siegel vorzuzeigen, so gewährt mir jeder Indianer seinen Schutz.«
»Ihr macht mich neugierig, Sir. Laßt mich doch einmal ein solches Siegel sehen!«
Ich bemerkte, daß er in Verlegenheit kam, sie aber unter einer zornigen Miene zu verbergen suchte.
»Habt Ihr schon einmal etwas vom Briefgeheimnis gehört, Mann? Ich habe die Erlaubnis, nur Indsmen
das Siegel zu zeigen.«
»Ich habe nicht verlangt, den Inhalt des Briefes kennen zu lernen. Ihr scheint also gar nie in die Lage zu
geraten, Euch auch einmal vor einem Weißen legitimieren zu müssen!«
»In einem solchen Falle legitimiert mich meine Büchse. Merkt Euch das!«
Ich nahm eine Miene an, als fühle ich mich außerordentlich beherrscht von ihm, und schwieg in
möglichst wohlgespielter Verlegenheit. Der kleine Sam blinzelte nicht mich - denn das hätte ihn verraten
können - sondern seine Tony mit ein Paar Augen an, als ob er mit ihr im höchsten Grade einverstanden
sei, und ich drehte mich zu Marshal herum:
»Bob hat mir erzählt, wohin Ihr wollt, Bernard, und aus welchem Grunde Ihr diese Reise unternehmt.
Habt Ihr keine Spur von dem Mörder, der Euch um alles gebracht hat?«
»Nicht die geringste. Es müssen übrigens mehrere Personen gewesen sein, welche die Tat unternahmen.«
»Wo befindet sich Allan?«
»In San Francisco; wenigstens waren seine Briefe alle von daher datiert.«
» Well, so werdet Ihr ihn ja leicht finden. Werdet Ihr heut weiter gehen, oder behaltet Ihr hier Lager?«
»Es wurde ausgemacht, daß wir bleiben.«
»So will ich mein Pferd abtakeln.«
Ich erhob mich, und nahm dem Mustang Sattel und Zeug ab und gab ihm einige Handvoll Maiskörner zu
fressen. Sam tat dasselbe mit seiner Stute. Wir hüteten uns dabei, ein Wort miteinander zu wechseln; es
war dies ja auch gar nicht nötig, da wir uns auch ohne Rede verstanden. Wenn zwei Jäger einige Wochen
lang beisammen gewesen sind, so lesen sie sich die Gedanken an den Augen ab. Auch mit Marshal sprach
ich kein heimliches oder leises Wort. So verging der Rest des Tages unter meist gleichgültigen
Gesprächen, und der Abend brach herein.
»Verteilt die Wachen, Sir, « sagte ich zu Williams. »Wir sind müde und wollen schlafen.«
Er tat es, und ich bemerkte, daß keiner der Doppelposten aus mir oder Sam oder Marshal und einem der
Voyageurs zusammengesetzt war.
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»Schlaft mitten unter ihnen, damit sie nicht heimlich sprechen können!« raunte ich Marshal zu, der mich
sehr erstaunt bei dieser geheimnisvollen Weisung anblickte, aber ihr doch folgte.
Die Pferde hatten sich gelagert, da es kein Futter für sie gab. Ich legte mich, während die Anderen einen
Kreis bildeten, zu meinem Mustang, dessen Leib ich als Kopfkissen benutzte, wozu den Übrigen die
Sättel dienten. Ich hatte meinen Grund zu dieser Ausnahmestellung. Sam bedurfte keines Winkes von
mir; er verstand mich und wählte sich seinen Platz so zwischen den Voyageurs, daß sie nur auf Posten
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