heimlich miteinander zu sprechen vermochten.
Die Sterne gingen auf; aber es hing - vielleicht infolge des Regens - ein eigentümlicher Duft zwischen
ihnen und dem Boden, so daß ihr Schimmer nicht so hell wie an andern Abenden herabzudringen
vermochte. Zwei von den Kaufleuten hatten die erste Wache; sie verlief ohne irgend eine Auffälligkeit;
Williams hatte die zweite Wache für sich und den jüngsten Voyageur gewählt. Als die Reihe an sie kam,
waren sie noch nicht eingeschlafen. Sie erhoben sich, und jeder patrouillierte seinen Halbkreis ab; ich
merkte mir genau die beiden Punkte, an denen sie regelmäßig zusammentrafen. Der eine Punkt lag ganz
in der Nähe des Pferdes, welches dem Neger Bob gehörte, und dies erschien mir als ein günstiger
Umstand, da nicht anzunehmen war, daß dem Schwarzen ein gutes Prairiepferd anvertraut worden sei, vor
dessen Instinkt man sich in acht zu nehmen hatte.
Zu sehen, ob die beiden Männer miteinander sprachen, sobald sie sich berührten, vermochte ich nicht;
aber es war mir, als verriete mir der Schall ihrer Schritte, daß sie sich einander stets beim Umkehren
einige Worte zuraunten. Der Aufenthalt in der Savanne hatte mein Gehör geschärft, und wenn ich mich
nicht täuschte, so hatte ich es hier mit zwei außerordentlich abgefeimten Männern zu tun.
Ich kroch vorsichtig in einem Bogen zu dem Pferde heran. Es schien ein höchst geduldiger und
zutraulicher Klepper zu sein, denn er verriet mein Nahen weder durch das leiseste Schnauben noch durch
die geringste Bewegung, und ich vermochte mich so eng an seinen Körper zu schmiegen, daß ich eine
Entdeckung nicht zu fürchten hatte.
Eben kam Williams von der einen und der Voyageur von der andern Seite. Bevor beide sich umdrehten,
vernahm ich sehr deutlich die Worte:
»Ich ihn, und du den Neger!«
Williams hatte diese Worte gesprochen. Als sie wiederkehrten, hörte ich:
»Natürlich auch sie!«
Es schien mir, als habe der Andere drüben am gegenüberliegenden Berührungspunkte eine Frage in
Betreff auf mich und Sam ausgesprochen. Als sie sich mir wieder näherten, klang es:
» Pshaw! Der Eine ist klein, und der Andere - es geschieht ja im Schlafe!«
Mit dem ›Kleinen‹ war jedenfalls Sam und mit dem ›Andern‹ ich gemeint. Es war klar, wir sollten
ermordet werden. Warum, das konnte ich mir nicht erklären, Wieder nahten sie, und ich vernahm die
deutliche Antwort.
»Alle drei!«
Vielleicht war drüben die Frage ausgesprochen worden, ob die drei Kaufleute unser Schicksal teilen
sollten oder nicht. Diese fünf Voyageurs wollten sich also über uns hermachen, fünf gegen fünf. Das
Fazit zu dieser Aufgabe war sehr leicht zu finden: sie hätten uns kalt gemacht, ohne sich selbst nur die
Haut zu ritzen, wenn ich nicht auf den Gedanken gekommen wäre, sie zu belauschen. Jetzt trafen die
beiden Buschklepper wieder zusammen.
»Keine Minute eher - und nun gut!« sagte Williams.
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Die interessante Unterhaltung war also zu Ende, und ich konnte mir leicht denken, daß sich die letzten
Worte auf den Zeitpunkt bezogen, wann die Tat geschehen sollte. Wann war dies? Im Schlafe sollte es
geschehen! Heut oder morgen? Ich ging jedenfalls sicherer, wenn ich das Erstere annahm, und da die
beiden Schurken höchstens noch eine Viertelstunde zu lustwandeln hatten, so war es hohe Zeit, ihnen
zuvorzukomrnen.
Ich machte mich sprungfertig. Sie trafen wieder zusammen, diesmal ohne ein Wort zu sprechen. Beide
drehten sich zu gleicher Zeit um, und kaum war Williams an mir vorüber, so schnellte ich hinter ihm in
die Höhe, schlug ihm die Linke um den Hals, so daß er keinen Laut auszustoßen vermochte, und traf ihn
mit der geballten Rechten so an die Schläfe, daß er still an mir niederglitt.
Jetzt setzte ich an seiner Stelle den Weg fort und stieß am jenseitigen Berührungspunkte mit dem Andern
zusammen. Er war vollständig ahnungslos und hielt mich für Williams. Ich nahm ihn gleich von vorn bei
der Gurgel und schlug ihn nieder. Wenigstens zehn Minuten lagen die Beiden ohne Besinnung; das wußte
ich. Daher schritt ich nun rasch auf die Gruppe der Schlafenden zu. Nur zwei waren wach, Sam natürlich
und Bernard, der durch meine ihm zugeflüsterte Weisung in eine solche Unruhe versetzt worden war, daß
er nicht hatte schlafen können.
Ich schnallte den Lasso von der Hüfte - Sam tat sofort ein Gleiches.
»Die drei Voyageurs bloß,« flüsterte ich, und dann rief ich laut: »Hallo, auf ihr Leute!«
Im Nu fuhren alle empor, sogar Bob, der Neger, aber ebenso schnell flogen auch die Schlingen unserer
Lassos zweien der Voyageurs um die Arme und den Oberleib - eine zweite Schlinge, und die Riemen
schlossen so fest, daß sie von den Gefangenen nicht gelöst werden konnten. Bernard Marshal hatte, mehr
ahnend als begreifend, sich auf den dritten geworfen und hielt ihn fest, bis ich ihn mit seinem eigenen
Lasso gebunden hatte. Und dies war so schnell geschehen, daß wir bereits fertig waren, als sich einer der
drei Kaufleute ermannte und rief, zu seiner Büchse greifend:
»Verrat, zu den Waffen!«
Sam lachte laut auf.
»Laß deine Feuerspritze in Ruhe, meine Junge; es möchte dir und auch den Andern der Zünder fehlen,
hihihihi!«
Der vorsichtige Kleine hatte während meines Lauschens von den drei Gewehren die Zündhütchen
genommen, ein Beweis, wie scharf er mich verstand, ohne daß wir ein Wort gewechselt hatten.
»Seid ohne Sorge, ihr Leute, es wird euch nicht das Geringste geschehen!« beruhigte ich sie. »Diese
Männer hier wollten uns und euch ermorden; daher haben wir sie bis auf Weiteres unschädlich gemacht.«
Trotz der Dunkelheit war der Schreck zu bemerken, den meine Worte auf sie hervorbrachten, und auch
Bob trat eilig näher.
»Massa, wollen sie morden auch Bob?«
»Auch dich!«
»Dann sie sterben, sie hängen in Estaccad', viel hoch an Pfahl!«
Die Gefangenen gaben keinen Laut von sich; sie mochten auf die Hilfe der Wachen rechnen.
»Bob, da drüben liegt Williams, und dort der Andere. Bringe sie herbei!« gebot ich dem Neger.
»Schon tot sie?« fragte er mich.
»Nein, aber ohne Besinnung.«
»Werden holen sie!«
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Der riesige Schwarze schleppte Einen nach dem Andern auf seinen breiten Schultern herbei und warf sie
zu Boden. Sie wurden augenblicklich gebunden. Nun konnten wir endlich sprechen, und ich klärte die
drei Kaufleute über das auf, was wir getan hatten. Sie gerieten in eine außerordentliche Wut und
verlangten den augenblicklichen Tod der Voyageurs. Ich mußte ihnen widersprechen.
»Auch die Savanne hat ihr Recht und ihre Gesetze. Ständen sie uns mit den Waffen gegenüber, wo dann
unser Leben an einem Augenblick hing, so könnten wir sie niederschießen; wie die Dinge aber jetzt
stehen, dürfen wir keinen Mord begehen, sondern müssen eine Jury über sie bilden.«
»Oh, oh, ja, eine Jury,« meinte der Neger, erfreut über ein solches Schauspiel, »und dann Bob aufhängen
all' ganz' Fünf!«
»Jetzt nicht! Es ist Nacht; wir haben kein Feuer und müssen warten, bis der Tag anbricht. Wir sind sieben
Männer. Fünf können also ruhig schlafen, während zwei immer wachen; dabei sind uns die Gefangenen
vollständig sicher, bis die Sonne kommt.«
Ich hatte Mühe, mit meiner Ansicht durchzudringen, brachte es aber endlich so weit, daß fünf sich wieder
zur Ruhe legten, während ich mit einem der Kaufleute die Wache bezog. Nach einer Stunde wurden wir
abgelöst. Sam übernahm die letzte Wache allein, da um diese Zeit der Tag bereits zu dämmern begann
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