Wie bereits erwähnt, war das Wetter inzwischen fantastisch geworden. Da es im Indischen Ozean fast keine Rollbewegungen durch irgendwelche Dünung gab, das Schiff lag fast ruhig, war auch die Zeit gekommen, das Schwimmbad klar zu machen und zu fluten. Das war wieder Harald Becks Job. Und diesen führte er auch gewissenhaft aus. Uns’ Harald, jetzt nur mit Badehose bekleidet, schrubbte die Kacheln des Bodens und der vier Wände gründlich mit P3-Wasser und spülte es mit Seewasser anschließend genau so gründlich aus. Und bei seinem athletischen Körper, den er zur Schau stellte, hielten es die Ladies in den Liegestühlen nicht mehr aus. Sie drängelten sich – im Bikini natürlich – an der Promenadendecksbar herum, die jetzt zum Schwimmbad hin geöffnet war, und schlürften eiskalte Drinks in sich hinein. Dabei begutachteten sie Haralds Körper und sein Werk mit fachfraulichen Blicken. Aber Bootsmann Kurt Tietjen stand nie weit entfernt und verhinderte mit diversen dienstlichen Anweisungen das Zustandekommen irgendwelcher Konversationen zum anderen Geschlecht. Denn Kurt Tietjen, Haralds Schutzengel, wollte unter allen Umständen verhindern, dass der 1. Offizier auch noch auftauchte und Harald irgendwelche nichtigen Aufträge erteilte. Herr Vetter war der eigentliche Platzhirsch auf dem Promenadendeck. Das war sein Revier, das er energisch gegen jeden Eindringling verteidigte. Vermutlich sah er in Harald einen Eindringling in sein Revier, denn die Damen hatten mehr Interesse an Harald als an ihm in seiner gebügelten weißen Uniform.
Unsere Reise führte zunächst nach Colombo auf Ceylon, heute Sri Lanka. Der Anmarschweg von Aden nach Colombo führte zunächst vom Golf von Aden bis zu den Inseln Abd al Kuri und Socotra, die wir an unserer Steuerbordseite passierten, von dort südlich des Arabischen Meers auf fast ostsüdöstlichem Kurs bis zum Eight Degree Channel, also der Durchfahrt nördlich der Malediven bis zur Südspitze von Indien, in den Golf von Manar. Tja, und GPS, also das „Global Positioning System“, bzw. das heute, seit den 1980er Jahren am gängigsten benutzte Navigationsmittel ECDIS, eine Kombination aus elektronischer Seekarte, GPS und Radar mit seinen metergenauen absoluten Positionsbestimmungen, war damals noch ein Fremdwort an den Seefahrtsschulen der norddeutschen Küsten, und diese Navigationsgeräte waren in der Christlichen Seefahrt – wie bereits an anderer Stelle erwähnt - noch absolut unbekannt. Die wahre Kunst der Navigation war noch gefordert, auf offenem Meer die astronomische Ortsbestimmung, also der Umgang mit Sextant und den astronomischen Tabellen, und wenn man unter der Küste fuhr, waren die terrestrische Navigation, die Funkpeilerei und Radarpeilungen gefordert. Die heutigen Navigationsexperten würden die Nase rümpfen. Für die damaligen Kollegen auf der Brücke war schon die Ausrüstung mit einer Radaranlage ein enormer Fortschritt. Immerhin schrieben wir das Jahr 1956 und nicht 2007. Trotzdem, alle Nautiker der damaligen großen Fahrt, die sich weltweit mit ihren Schiffen bewegten, kannten die markanten Sterne ihrer Sternbilder, die sie morgens und abends in der Dämmerung zur Beobachtung benutzten, fast auswendig. Sie wussten auf Anhieb, wo welches Sternbild mit welchem Beobachtungsstern auftauchen würde. Ich frage mich, was machen die heutigen jungen Kollegen, wenn ihr heißgeliebtes ECDIS-Gerät an Bord für einen oder zwei Tage ausfallen würde. Wissen sie noch, wo die alte Kiste mit dem Sextanten auf der Brücke steht? Ich bin mir da gar nicht so sicher, weil ich in den 1980er Jahren später als 1. Offizier in genau so eine Situation geraten war.
Auch Ceylon gehörte zur britischen Krone und wurde von einem ansehnlichen Beamtenapparat Ihrer Majestät aus London geführt. Das britische Militär sorgte dafür, dass aufkeimende Unruhen sofort im Keim erstickt wurden. Also, es war damals noch ruhig auf Ceylon und der reinste Erholungsjob für die dort stationierten „Her Majesty own servents“ und Militärangehörigen. Und davon hatten wir auch einige unter den Passagieren. Also, es stiegen dort auch wieder etliche britische Fahrgäste aus. Für sie hatte das Reisevergnügen dort nun ein Ende.
Nach der Ankunft in Colombo und nach der Einklarierung, dem Löschklarmachen und Öffnen der Luken, kamen mit den Hafenarbeitern auch die Souvenirhändler in Scharen an Bord und drängten sich unangenehm den Besatzungsmitgliedern auf. Der Bootsmann musste alle Eingänge zum Schiff bewachen lassen und die Typen an Deck komplimentieren. Dort durften sie ihre Auslagen ausbreiten und präsentieren. Natürlich war man in der Mittagspause neugierig. Und da man bei der kurzen Liegezeit keinen Landgang in Colombo bekam, warf man doch schon mal hier und dort einen Blick auf die Angebote der Händler. Es gab nichts Berauschendes, womit man die Lieben zu Hause hätte begeistern können. Ansichtskarten, viel Schnickschnack, wie in jedem Hafen, irgendwelche Püppchen und Figürchen, welche einen nicht vom Hocker rissen. Aber etliche hatten diese kleinen typischen Teekistchen, in denen man eben diesen Tee aus Ceylon nach Europa verschiffte. Und so eine kleine Teekiste aus Sperrholz mit den metallischen Kantenbeschlägen hatte ich mir gekauft. Das bekam man nicht jeden Tag zuhause zu sehen. Inhalt ungefähr ein Kilo Tee. Eine sooo große Besonderheit war es trotzdem auch wieder nicht, denn den gleichen Tee hätte ich auch in Cuxhaven kaufen können. Nur, es war eben ein Mitbringsel aus dem schönen Colombo auf Ceylon.
Nachdem wir unsere bis Colombo gebuchten britischen Passagiere mit ihren „personal effects“ an Land gesetzt hatten, weiterhin Herr Hanuschke etliche hundert Postsäcke aus der Postluke ordnungsgemäß der „Royal British Post“ nachgezählt übergeben hatte, war es wieder soweit, die BAYERNSTEIN langsam seeklar zu machen. Wie gesagt, Colombo hatten wir nur von Bord aus zu sehen bekommen.
Nachdem wir dem Hafen von Colombo den Rücken gekehrt und das südliche Cap Dondra Head umrundet hatten, setzte Kapitän Schott fast Ostkurs auf die Durchfahrt zwischen Sumatra und den Nicobar-Inseln nördlich der Durchfahrt ab. Die Strecke bis Singapore betrug 1.567 sm (oder für die Landratte: 2.902 km). Das heißt, wir brauchten für diese Distanz bei 17 kn Fahrt 92 Stunden oder 3 Tage 19 Stunden. Am 20.02.1956 hieß es wieder „Klar vorn und achtern!“ Beim Ein- und Auslaufen standen wir in „seemannsweiß“ vorn und achtern. Wir waren ja auch besondere Seeleute!
Hier unsere wilde Backgang beim Einlaufen in Singapore 1956. Ganz vorn im Bild Heini Winter, der schönste Mann auf der Back, ganz links steht der 2. Offizier, Herr Dopp. Fritz Almstedt versteckt sich gerade hinter dem Kollegen rechts neben dem Galgen. Von meiner Wenigkeit sieht man nur den Kopf, sieht so aus, als ob ich Fritz aus seinem Versteck ziehen will. Das Foto hatte der 1. Zimmermann Kuddel Ketschau geschossen. Das Foto ist reif für das „Ohn-Sorg-Theater“.
Was fällt mir über Singapore ein? Auf jeden Fall hatte ich keinen Landgang, sondern musste Raumwache gehen. Doch in Singapore wurde auch nur tagsüber im Hafen gearbeitet. Also mit dem „Überstundenmachen“ sah es bis dato mau aus. Der Bootsmann ließ nur seine Tagelöhner ranklotzen, aber auch nur in Grenzen. Er hatte bestimmt seine Anweisungen von oben bekommen. Die Seewachen – insgesamt 9 Mann – durften nur ihre Seewache gehen. Natürlich große Enttäuschung! Ich hoffte, dass sich das auf der Heimreise noch ändern würde. Singapore war damals auch noch eine Kronkolonie des „British Empire“. Auch hier stieg wieder ein Teil der Passagiere aus, die im Dienst der Krone standen.
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