1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Rückgaberecht am Flohmarkt ist verwirkt oder gibt’s gar keines. Jedenfalls heißt das für mich im Klartext: Ich habe jetzt nicht nur einen Sprung in meiner Tasse. Wurscht – oder?
Solange turnte ich auf dem Areal herum, bis ich der Hoffnung soweit nahe gerückt bin, dass ich meine engere Auswahl treffen konnte.
So war es dann auch. Ich erhandelte mir mit Weh und Ach ein Trachtendirndl. Gefallen hatte es mir sofort. Leider gepasst hatte es halt hinten und vorne nicht und auf der Seite schon gar nicht. Aber das war dann für die Margot kein Problem.
Unter uns - so im Vertrauen, ich hätte immer schon gerne ein schönes Dirndltrachtgewand gehabt und auch vielleicht einmal angezogen. Mittlerweile habe ich drei solche. Also das Erste erstand ich ja am Flohmarkt. Die anderen zwei habe ich dann kaum zwei Wochen später in einem Trachtendiskontladen in Zell am See, im Rahmen einer fünfzig-Prozent-Aktion erwerben können. Fünfzig Prozent deshalb, weil man nur kurz ein geschnittenes und nicht ein bodenlanges Gwandl bekommen hatte.
Ich muss noch schnell eine kurze Rückblende zum inzwischen ruhiggestellten Herbert machen:
Margots rote Fingerkrallen tänzelten nicht mehr vor seinem Angesicht. Vermutlich deshalb kehrte sein Bewusstsein wieder an den Ausgangspunkt seiner Gschaftlhuaberei zurück. Er war von der Idee, einen Flohmarkt besuchen zu wollen, gleich Feuer und Flamme. Herbert ist nicht nur ein Golfer mit Leib und Seele, sondern auch ein passionierter Sammler von alten gebrauchten Golfbällen. Und solche hat er schon jede Menge bei ihm zuhause in Kisten und Schachteln versteckt. Dahinter versteckte sich auch ein praktischer Leitgedanke aus dem Fundus seiner Lieblingsbeschäftigung. Er benötigte nie mehr zwei Euro in bar, die er in Vorzeiten für einen Golfball aus den Automaten ausgeben musste.
Bedenklich war es schon. Wie soll ich es Dir erklären. Ich sollte also, nach dem Willen von Margot und gegen meinen Willen, mit der neuen Frisur auf meinem Schädel zum Flohmarkt gehen. Mein lieber Spitz, das war schon eine steile Herausforderung, die ich nicht so ohne Weiteres bewältigen werde müssen. Eigentlich hatte mir der Weg vom Friseursalon nach Hause schon gereicht und da habe ich bewusst Umwege in kaufgenommen, damit mich so wenig Leute, wie nur möglich, sehen konnten. Alles gut und schön! Wie schon gesagt, das mit der passenden Kleidung war an und für sich ein Klacks. Was immerhin dann als Draufgabe noch dazugekommen ist, das war nicht von schlechten Eltern.
Aber als eine der gelungensten Überraschungen in meinem bescheidenen Leben zählte es allemal.
Wenn mir das irgendwer einmal auch nur im Traum zugeflüstert hätte, ich würde gemeinsam mit der Margot und dem Herbert zu einem Volkstanzkreisverein fahren, um dort auch noch als zahlendes Kursmitglied eingetragen zu werden, glaube mir, ich hätte mich selbst für verrückt erklärt.
Zugegeben - ich habe mich von den beiden dazu überreden lassen. Jawohl - überreden! Freilich tauchten aus meinem molekularischen Nichts mehrere Handikaps zur selben Zeit an die Oberfläche. Diese unerwarteten sportlichen Aufgaben, die ich auf mich zukommen sah, mussten ausnahmslos besondere Wichtigkeiten beigemessen werden. Und solche gab es jede Menge. Jedenfalls brauche ich zu allererst Tanzschuhe. Alles Weitere durchschaue ich später vielleicht.
Das geht immer so. Wenn ich zum Beispiel mir einen langgehegten Wunsch für mich selbst erfüllen möchte, der allem Anschein nach bloß geringfügige Veränderungen im Schlafzimmer vorsehen würde, dann macht plötzlich die ganze Wohnung einen Kopfstand. Genauso wie der Trapezkünstler jüngst im Zirkuszelt.
Konkret würde dies bedeuten, dass ich mir gleich einmal beim Lutz im Ausverkauf einen preisgünstigen Teppich aussuchen werde müssen. Jawohl das wusste ich glücklicherweise schon im Voraus, weil das war ja ein Teil meines Planes. Doch dann werden, abgesehen vom Mobiliar, in der weiteren Folge eine ganze Menge an sündteuren Anschaffungen notwendig sein. Vielleicht wird es sogar unumgänglich, mir nigelnagelneue Vorhänge zu kaufen. Ja mein Gott und noch was! Die Tapeten müssten auch ratz-fatz weg. Stattdessen müsste ich zwei Kübeln weiße Farbe zum Ausmalen nachhause schleppen und nicht zuletzt würde ich zum billigen Ramschteppich auch noch die farblich angepasste Bettwäsche hinzu budgetieren müssen.
Also gut! Nach dem ich die Kursgebühr bar auf den Tisch gelegt hatte, trat unverzüglich ein ähnliches Szenario, wie zuvor der Gedanke von der Schlafzimmerveränderung, auf die Bühne meiner Vorstellung.
Eines dieser Unvorhersehbarkeiten ragte von der Mehrheit der gesamten Hindernisse himmelhochweit hinaus. Ich hatte schlicht und ergreifend noch keinen Tanzpartner! Ich brauche also unbedingt einen wildfremden Mann, der sozusagen die Befähigung als Tänzer bereits mitbringt. Nur so einer könnte mich mit Gefühl und dem vorzusetzenden Können, Arm in Arm herumführen und meinen noch viel wichtigeren O-Haxn gebotene Disziplin beibringen.
Also es musste unabdingbar ein männlicher Partner sein. Und dann frage Dich so ganz zahm und wertfrei! Bitteschön woher nehmen, wenn nicht Kidnapping?
So schaut’s aus, meine lieben Leute! In meinen paar darauffolgenden schlaflosen Nächten geisterte es bei mir ordentlich, um nicht zu sagen, höchst dramatisch in meinen Traumlandschaften herum. Sämtliche verfemten Bildgestalten zerstörten in brutaler Art mein eingefleischtes Singleleben.
Und Du weißt es ja! Und rührst keinen Finger nicht!
Stur bin ich obendrein, aber das wissen nur die Wenigsten. Das musst Du schon verstehen, irgend so ein dahergelaufenes Mannsbild wollte ich auf keinen Fall buchen. Dann kam mir auf einmal Mister Zufall, diesmal ohne Krawatte und überdies glattrasiert, in die Quere.
Zumal ich all das viele Monate lang, ja beinahe zwei Jahre, auch vor Dir geheim gehalten habe, kannst Du meinen damals tanzpartnerschaftlichen Wertzuwachs gar nicht erahnen. Wenn ich Dir einen guten Rat geben darf, dann bitte suche Dir irgendwo in Deiner nächsten Umgebung eine Sitzgelegenheit und platze Dich vorsichtig darauf nieder. So!
Eines weiß ich! Du kennst ihn schon, meinen leserbriefschreibenden Nachbarn Nikolaus Froschkopf.
Im Zusammenhang mit meinen unerfüllten Träumen betrachtet, war er vielleicht das Resultat einer niemals suchenden Eigenschaft. Irgendwann dürfte ihm irgendwer auf der Straße oder gar während einer Fahrt mit der Pinzgauer Bahn zugeflüstert haben, dass ich einen Volkstanzkurs besuchen möchte. Der zentrale Angelhaken an der Geschichte war, für ihn zumindest, dass ich mit einer Entschlossenheit, sozusagen auf Biegen und Brechen, einen Tanzpartner aufgabeln wollte. Grundsätzlich falsch war diese Annahme ja auch wieder nicht.
So ganz genau weiß ich es nicht mehr. Aber zwei oder gar drei Wochen nach meinem spektakulären Friseurunfall und nach einem partnerlosen Kursabend, stand er eines Abends vor meiner Tür und läutete zaghaft daran an. Ich öffnete sie und bat ihn auch gleich herein. Mit einem spitzbübisch inszenierten, offenbar durchgeprobten Mienenspiel versuchte er von mir herauszukitzeln, ob das Gerücht, ich würde einen Tanzpartner brauchen, auch stimmt. Angeblich wurde bereits im Ort über diese Sensation allgemein herumpalavert.
Ich, die Schani, sucht einen Mann! Na bravo!
Lange Rede kurzer Sinn: Nikolaus Froschkopf war bereit, mit mir in die tiefgründige Ungewissheit eines Volkstanzkreises zu hüpfen. Ja bitteschön, das Hüpfen wurde später auch zu einem Schlagwort. Viele andere, mir bislang unbekannte Ausdrücke sollten folgen.
Mein lieber Spitz! Hast Du vielleicht in Deinem bisherigen Leben schon einmal etwas über aschling gehört? Stell Dir das vor, ich auch noch nie. Aschling , so hat man mir zu übersetzen und aufzuklären versucht, sei genau das Gegenteil von vichigeh, nur ein bisschen anders. Aschling wird in der volkstümlichen Tanzsprache häufig bei der Gestaltung von verwickelten, ja bisweilen auch verzwickten und kniffligen Ganzkörperverformungen verwendet. Wobei die Wirbelsäulenhauptbelastungen der angeblich gesunden gymnastischen Verrenkungen überwiegend aufs Dirndl fokussiert sind. Dirndl - war mir auch neu. Stell Dir vor, ich bin mit meinem Plus-Sechzig plötzlich a Dirndl und der Froschkopf a Bua .
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