
Als wir nach kurzer Zeit nochmals vorbei kommen, sind nur noch ein paar Gräten und ein kleiner feuchter Fleck übrig – den Fisch hat sie ratzeputz aufgefressen.
Diese Katze war bereits die dritte, die ich seit unserer Ankunft gesehen habe. Sie hat es eigentlich fein, auch wenn es sicher nicht ganz einfach für sie ist, bei dieser Menge an Katzen in Venedig genügend Futter zu finden oder zu erbetteln. Doch der Fisch war wenigstens „echt“.
Wenn man hingegen bei gekauftem Fertig-Katzenfutter die Inhaltsstoffe betrachtet, dann wundert man sich, denn die Zusammensetzung sieht etwas seltsam aus. Lesen Sie doch selbst einmal nach! Ich habe hier eine durchaus nicht billige Tiernahrung vor mir, worauf z.B. steht: Menü mit Kalb: ...Kalb mindestens 4%... Auch bei Menü mit Huhn sieht es genauso aus – mindestens 4% Huhn. Und der Rest? ... Der ist Schweigen.
Da denke ich an die Geschichte, die uns mein Großvater erzählte.
Ein Mann kam zum Fleischhauer und sah in der Vitrine eine hübsch hergerichtete Wurst, das Schild daran wies sie als „Feinste Hühnerleberwurst“ aus.
Er fragte den Fleischhauer, woraus denn die Wurst gemacht sei. Nun, aus Hühnerleber natürlich.
„Nur aus Hühnerleber?“
„Hm, das nicht gerade. Stellen Sie sich vor, wie viele Hühner ihr Leben lassen müssten, für so ein Stück Wurst.“
„Was ist denn noch drin?“
„Nun, es ist auch Hühnerfleisch verarbeitet.“
„Und was noch?“
„Tja, um ehrlich zu sein, es ist auch Pferdefleisch dabei.“
„Pferdefleisch? Wie viel davon?“
„Nun ja, so 1:1 gemischt.“
„1 kg Huhn und 1 kg Pferd?“
„Nein: 1 Huhn – 1 Pferd.“
So ähnlich sehen wohl auch die Rezepturen der Tiernahrungserzeuger aus – siehe oben.

Wir gehen weiter und sehen auf unseren Spaziergängen immer wieder Katzen. Man erzählt ja die Geschichte, dass Venedig die Befreiung von der Pest den Katzen verdankt, die erfolgreich die vielen Ratten bekämpften, als diese mit pestverseuchten Flöhen diese gefährliche Krankheit in die Stadt trugen.
Die vielen Katzen in Venedig erinnern mich auch an...
Das ist eine an sich traurige Geschichte, die Bekannte uns erzählten. Ihre Katze verstarb, und sie trauerten sehr. Viele Jahre lang hatte das liebe Tier sie begleitet, hatte versucht, sie zurückzuhalten, wenn sie weggehen wollten, sie freudig begrüßt, wenn sie heim kamen. Große Dankbarkeit für ihre Fürsorge hatte es ihnen gegeben, viele schöne und auch spaßige Stunden beschert.
Jetzt war die Katze nicht mehr, und unsere Freunde standen vor einem Problem: Wohin mit diesem lieben toten Tier mitten in einer Großstadt?
Ein Anruf beim Bezirksamt ergab: Die einzigen Möglichkeiten waren Abgabe beim Tierarzt oder in der Tierkörperverwertung – scheußlich für sie, auch nur daran zu denken. So beschlossen sie, die Katze – gegen jede Vorschrift – im Wald am Stadtrand selbst zu begraben.
Unsere Bekannten suchten eine geeignete Verpackung, fanden den Karton des kürzlich gekauften Video Recorders und legten die Katze behutsam hinein. Mit der Schachtel und einem Plastiksack, in dem sich eine kleine Schaufel befand, brachen sie auf und fuhren ein Stück mit der Straßenbahn. Nach dem Umsteigen in die U-Bahn fanden sie einen Sitzplatz nahe einem Einstieg und legten die Video Recorder-Schachtel auf ihre Knie.
Der Zug stand in einer Station, der Fahrer hatte soeben über Lautsprecher aufgefordert, nicht mehr zuzusteigen, als plötzlich ein junger Mann, der schräg hinter ihnen gestanden war, die Schachtel packte, aus dem Zug sprang und davon lief. Die Türen schlossen sich. Der Zug fuhr an.
Niemand im Wagen konnte begreifen, warum die so Beraubten plötzlich schallend lachen mussten.
Obwohl es natürlich eine traurige Geschichte ist, dass sie das Grab ihrer Katze nun leider nicht kennen.
Aber wir sind ja in Venedig, da gibt es keine Straßenbahn und keine U-Bahn. Statt dessen fahren Vaporetti und viele andere Boote, und auch unser Freund Hans hat glücklicherweise selbst ein eigenes Motorboot.
Es ist keine Yacht, kein großes Boot, eigentlich ein Sportboot mit Motor, 5 m lang, für maximal vier Personen zugelassen, und so mit uns fünf, die wir nun hier sind, mit Hans, Sabine, Miriam, meiner Frau Hannah und mit mir, reichlich beladen. Der Außenbordmotor ist drehbar gelagert, mittels Seilzügen mit dem Steuerrad verbunden (wodurch er auch zum Lenken des Bootes dient) und so schwach, dass man das Boot ohne Führerschein fahren darf.
Wir starten einen ersten Ausflug. Hans fährt uns auf seinem Boot durch die Kanäle, wir bestaunen die Paläste, genießen die romantische Stimmung in dieser herrlichen Kulisse von grandiosen Bauwerken und träumen vor uns hin. Es stellt sich ein tranceartiger Zustand ein, zusammengesetzt aus dem Versinken in den Bildern einer tollen Ausstellung, dem Schweben in der Musik eines Konzerts und dem Dösen am Strand in der Sonne.
Aber das ist natürlich nur der verkürzte Mittelteil unserer Ausfahrt. Davor geht es ans Boot holen. Das liegt nicht im Kanal vor der Wohnung, da die Liegeplätze dort alle verkauft sind. Es ist zwar nichts beschildert, und niemand, den man fragt, weiß, welcher Platz wem gehört, aber jeder erklärt einem, dass nichts frei ist. So liegt das Boot in einer Bootsgarage und Hans läuft erst einmal 20 Minuten dorthin. Dann wird das Boot mit einem Kran ins Wasser gelassen, und Hans fährt es zu seiner Wohnung. Insgesamt 45 Minuten dauert es somit, bis er an einer nahen Stiege kurz anlegen kann, damit wir zusteigen können.
Die Kanäle sind teilweise sehr eng, oft muss bei Gegenverkehr ein Boot in einer Lücke zwischen anderen Booten einparken oder gar zurücksetzen. Obwohl die meisten Bootsführer von Kind an mit Booten umzugehen verstehen und meist wirklich gut und gefühlvoll steuern, sind die Fender – Puffer in Form von luftgefüllten Plastikpölstern, die außen an den Booten hängen – keinesfalls überflüssig. Und da bei den häufigen Rempeleien auch die gar nicht billigen Fender arg in Mitleidenschaft gezogen werden, werden an ihrer Stelle oft auch einfache Plastikflaschen verwendet.
So tuckern wir durch die kleinen Kanäle und bewundern die Stadt. Anlegen ist allerdings nicht möglich, darum fahren wir zum Lido hinüber, tanken dort bei einer der Tankstellen, wobei Hans murrt, dass der Motor offensichtlich sehr durstig ist, und am Lido finden wir auch ein nettes Plätzchen, wo hoffentlich niemand böse ist, wenn wir unser Boot dort anbinden. Dann machen wir uns einen schönen Tag am Strand.
Sonnenschirme und Liegen kosten Unsummen, aber der Strand ist sehr schön und gepflegt, wir genießen so richtig Sonne und Schatten, Sand und Meer.
Am Abend geht es dann wieder zurück, und nach einigen Umwegen zu interessanten Kanälen, Gärten und Hausansichten lässt uns Hans bei unserer Wohnung aussteigen und bringt das Boot wieder in die Garage zurück. Er ist ein guter Chauffeur und ein Kenner der Umgebung, und so haben wir bereits in kurzer Zeit eine ganze Menge in Venedig gesehen. Das bisschen Ungemach, das mit einem Boot hier verbunden ist, trifft eigentlich nur Hans, wir aber genießen die Erlebnisse und neu gewonnenen Eindrücke.
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