„Ich denke vor allem an einen Eintrag, der Sie mit einem Gewerbe in Verbindung bringt, dass nach wie vor von einem großen Teil der Bevölkerung schief angesehen wird.“
Sylvia Wunderlich sah Wolff verdutzt an. Sie hatte keine Ahnung, was er meinen könnte.
„Sind Sie als Prostituierte registriert, Frau Wunderlich?“, klärte der Kriminalist die verstörte Frau schonungslos auf.
„Woher wissen Sie das?“
„Kriminalistischer Spürsinn Frau Wunderlich und jetzt erzählen Sie mir die ganze Geschichte.“
„Müssen Sie das unbedingt wissen, Herr Wolff? Können Sie das nicht unter den Teppich kehren, ich wollte meine Kontrollkarte nach meiner Kündigung zurückgeben und mich aus dem Beruf zurückziehen.“, schluchzte sie.
„Sind die beiden anderen auch in dem Gewerbe tätig?“ hakte Wolff nach.
„Marion hat beim selben Escortservice gearbeitet, und Manfred war auch als Callboy tätig. Dort haben wir Reinhard kennengelernt, da war seine Karriere als Politiker gerade zu Ende gegangen. Innerhalb seiner Partei hat er einen Machtkampf verloren und sich aus der Politik zurückgezogen. Er hat eben begonnen, seine Beratungsfirma aufzubauen und uns gebeten, für ihn zu arbeiten. Als Begleitdamen haben wir zwar ein wenig mehr verdient, aber hier hatten wir soziale Absicherung.“
„Welche Qualifikationen haben Sie, um die offizielle Stelle glaubwürdig auszufüllen, Frau Wunderlich?“
„
Marion und ich haben die Handelsakademie Korneuburg mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen.
Während des Studiums brauchten wir Geld und hatten keine 40 Stunden in der Woche Zeit, um welches zu verdienen. Wir sind über ein Zeitungsinserat, in dem hoher Verdienst und freie Zeiteinteilung geboten wurde, bei einer Begleitagentur gelandet. Jung und naiv wie wir waren, wussten wir nicht, worauf wir uns einließen. Erst als wir beim Vorstellungsgespräch uns fast nackt präsentieren mussten, wurde uns klar, was von uns erwartet wurde. Trotzdem hat uns das Geld gelockt, und die Aussicht mit gut situierten und in unseren Augen daher auch niveauvollen Männern zu verkehren, hat uns auch nicht abgeschreckt. So haben wir nach einer kurzen Einschulung durch ein erfahrenes Escort-Mädchen angefangen, für den Begleitservice zu arbeiten. Nach einigen Treffen hat dann die Chefin verlangt, uns als Prostituierte registrieren zu lassen. Erst da wurde uns bewusst, was aus uns geworden war. Aber wir haben auf eine angenehme Art viel Geld verdient, alles andere war uns egal. Welche Auswirkungen dieser Job auf unsere Zukunft haben würde, haben wir aus den Augen verloren. Geblendet von Luxusrestaurants, tollen Hotelzimmer, Champagner und einigen hundert Euro am Abend entschieden wir uns für dieses Leben. Eines Tages hat Reinhard Marion und mich gebucht. Es war das erste Mal, dass ich an einem flotten Dreier mitmachen sollte. Obwohl Marion und ich an jenem Abend sehr angespannt waren, hat uns Reinhard am Ende der Zeit gebeten, bei ihm am nächsten Tag vorzusprechen. Er hat uns die Stellen, die wir jetzt innehaben angeboten.“
„Und warum sind Sie dann noch registriert?“, fragte Wolff erstaunt nach.
„Wir haben für Reinhard angeschafft. Nein, nicht so wie Sie denken Herr Wolff. Ich kann Ihre Gedanken in Ihrem Gesicht ablesen. Reinhard hat uns bezahlt. Wir sollten bestimmte Männer verführen, er hat uns eine Provision bezahlt, wenn wir Erfolg hatten.“
„Warum hat er das getan? Für sein eigenes Vergnügen zu bezahlen, kann ich ja noch verstehen, aber eine Prostituierte für andere zu engagieren, erscheint mir reichlich seltsam.“
„Denken Sie einmal nach Herr Wolff. Diese Männer waren Politiker oder Wirtschaftsmagnaten, die meisten von Ihnen verheiratet.“
„Also hat er diese Leute erpresst!“
„Nein, ich glaube nicht. Er hat ihnen nur klargemacht, dass er irgendwann die Rechnung für den schönen Abend, den er gespendet hatte, legen würde.“
„Wie hat Herr Strobel die Sache eingefädelt?“
„Reinhard hat ein Dossier über diese Männer angelegt. Die meisten kannte er privat und geschäftlich. Er hat alle Schwächen, Stärken, Interessen und Hobbys der Opfer ausspioniert. Er hat uns seinen Akt vor einem Treffen mit der Beute gegeben, sodass wir uns vorbereiten konnten. Meist ist er in der Wahl zwischen Marion und mir richtig gelegen, aber hin und wieder sprang der Mann auf eine von uns nicht an. Reinhard hat dann die andere geschickt und gehofft, dass diese zum Abschluss kommen würde. Sollte das auch nicht geklappt haben, wurde Manfred vorgeschickt, um die Bedürfnisse homosexueller Männer zu stillen. Ansonsten sollte Manfred versuchen die Powerfrauen zu unterhalten, manchmal wurde auch Marion auf Frauen angesetzt. Sie ist bisexuell veranlagt und daher besser dafür geeignet, als ich es bin.“
„Und Sie sagen, er hat diese Personen nicht erpresst?“
„So genau weiß ich es nicht, aber ich habe einmal ein Gespräch zwischen ihm und einem dieser Opfer mithören können. Die Herren bemerkten meine Anwesenheit nicht. Reinhard hat in diesem Gespräch nur angedeutet, dass die Presse von der Liebestunde des Abgeordneten mit einer Prostituierten erfahren könnte. Entgeistert hat ihn der Mann angeschaut und gemeint, er habe so etwas nie getan. Reinhard hat dem Mandatar das Datum und die genauen Umstände des Treffens einschließlich der Zimmernummer im Hotel Orient, einem Stundenhotel genannt. Er schilderte ihm die Details der Liebesstunden und welche sexuellen Vorlieben der Abgeordnete hatte.“
„Können Sie keine Namen nennen Frau Wunderlich?“
„Könnte ich schon, die letzten Jahre in dem Job haben mich zur Diskretion erzogen. Aber ich, Marion und Manfred stellen Ihnen bis morgen eine Liste der Männer und Frauen, die sich mit uns vergnügt hatten zusammen. Ist das in Ordnung?“
„Ja ich hole mir die Liste ab. Aber sagen Sie bitte niemandem Bescheid darüber. Der Tod von Strobel und der Einbruch hier könnten in einem Zusammenhang stehen. Je weniger Leute über die Aktivitäten des Unternehmens Bescheid wissen, um so ruhiger werde ich ermitteln können. Danke für Ihre Offenheit Frau Wunderlich.
Da wir noch nicht wissen, wie Reinhard Strobel gestorben ist“, log Wolff, „kann ich Ihnen nicht versprechen, ob wir die moralisch bedenkliche Geschäftsgebarung geheim halten können.
Vielleicht wäre es gut mit Ihrem Freund über Ihre Vergangenheit zu sprechen. Wir sehen uns morgen, und keinen Kontakt vergessen. Wir werden Sie alle brauchen. Schönen Tag noch“, verabschiedete sich der Polizist.
Wolff war erleichtert diesen Sündenpfuhl verlassen zu können. Nicht, dass er Geschlechtsverkehr mit Prostituierten als moralisch fragwürdig ansah. Verwerflich fand er den Umstand, dass Strobel die kleinen Schwächen der Männer und Frauen benutzt hatte, um seine Interessen durchzusetzen.
Wolff griff wieder zum Telefon: „Hallo Hans, bitte stelle sofort einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung von Reinhard Strobel aus und schicke die Kollegen der Spurensicherung gleich dorthin. Sie sollen jeden Computer und alle Speichermedien mitnehmen. Der Einbruch und der Mord am Strobel hängen zusammen. Wenn der Einbrecher nicht das gefunden hat, was er suchte, wird er die Wohnung durchwühlen. Ich beauftrage, einen Kollegen zu recherchieren, ob der Strobel noch andere Immobilien besessen hat. Morgen erzähle ich Dir, was die Einvernahmen der Angestellten ergeben haben. Versuche, den Staatsanwalt auf Distanz zu halten, ich halte ihn nicht für ganz koscher. Mit seiner vorgefassten Meinung ist er ein Ermittlungsrisiko, das wir nicht brauchen können. Ich vernehme jetzt noch einmal Frau Huber. Was Spaß soll ich haben? Ich bin dienstlich bei ihr. Ja Dir auch einen schönen Abend.“ Wolff legte auf und vereinbarte ein Treffen mit Eva, das in zwei Stunden beginnen sollte. Da er sich nach den Ermittlungen bei Strobels Angestellten schmutzig fühlte, beschloss er, die Zeit zu nutzen, um zu duschen und sich leger zu kleiden.
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