Meinem alten
und sehr lieben Freund Christopher Lowder
Dank Arnold Bennett
und dem »The Six Towns Magazine «
Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht...
Markus 10, 14
So fürchtet euch denn nicht vor ihnen. Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde.
Matthäus 10, 26
Die beiden vorangegangenen Fidelma-Romane spielten im Jahre 664 u.Z. der erste auf der Synode von Whitby in Northumbrien und der zweite in Rom. Dies ist die erste Geschichte, in der man Fidelma in ihrer eigenen Umgebung erlebt. Den meisten Lesern wird das Irland des siebenten Jahrhunderts sehr wenig vertraut sein. Die fünf Hauptkönigreiche, aus denen es bestand, die Kleinkönigreiche und die ClanGebiete mit ihren Ortsnamen und sogar die meisten Personennamen werden ihnen seltsam erscheinen. Auch die alte irische Gesellschaftsordnung und ihre Gesetze, die Fenechus-Gesetze, im Volke die Brehon-Gesetze (von breitheamh = Richter) genannt, werden kaum bekannt sein. Doch dies ist Fidelmas Welt, und ich hoffe, daß ich den Leser schmerzlos in sie einführen kann.
Zu seiner Unterstützung habe ich eine Kartenskizze und eine Liste der Hauptpersonen beigefügt.
Im allgemeinen habe ich es aus naheliegenden Gründen abgelehnt, anachronistische Namen zu verwenden, habe allerdings einige wenige moderne Ausdrücke übernommen wie Tara statt Teamhair, Cashel an Stelle von Caiseal Muman und Armagh für Ard Macha. Hingegen bin ich bei dem Namen Muman geblieben und habe nicht die Form »Munster« vorweggenommen, bei der im neunten Jahrhundert das nordische »stadr« (Ort) an den irischen Namen Muman angehängt und die dann anglisiert wurde. Ähnlich habe ich das ursprüngliche Laigin beibehalten statt der anglisierten und prochronistischen Form Laigin-stadr, aus der Leinster wurde.
In früheren Geschichten ist schon auf einige Unterschiede zwischen der irischen Kirche, die jetzt allgemein die keltische Kirche genannt wird, und der römischen Kirche hingewiesen worden. Es wurde klargestellt, daß zu jener Zeit die Forderung des Zölibats bei den Mönchen und Nonnen nicht populär war. Man muß bedenken, daß in Fidelmas Tagen die Klöster oft beide Geschlechter beherbergten und daß Mönche und Nonnen heirateten. Selbst Äbte und Bischöfe durften das und taten es. Die Kenntnis dieser Tatsache ist wesentlich für das Verständnis der Welt Fidelmas.
Die Geschichte spielt im Jahre 665 u.Z.
Hauptpersonen
Schwester Fidelma von Kildare, eine dalaigh oder Anwältin an den Gerichten Irlands im siebenten Jahrhundert
Cass , ein Mitglied der Leibwache des Königs von Cashel
Cathal, der sterbende König von Cashel Colgü, der tanaiste oder Thronfolger von Cashel und Fidelmas Bruder
In Rae na Scrine
Intat, ein boaire oder örtlicher Machthaber der Corco Loigde
Schwester Eisten , die Waisenkinder versorgt
Cetach und Cosrach, junge Brüder
Cera und Ciar , junge Schwestern
Tressach, ein Waisenknabe
In der Abtei Ros Ailithir
Abt Brocc, ein Vetter Fidelmas
Bruder Conghus, der aistreoir oder Pförtner
Bruder Rumann, der fertighis oder Verwalter der Abtei
Bruder Midach, der leitende Arzt
Bruder Tola, der Unterarzt
Bruder Martan, der Apotheker
Schwester Grella, die Bibliothekarin
Bruder Segan , der ferleginn oder Rektor
Schwester Necht, eine Novizin und Gehilfin im Gästehaus
Männer der Corco Loigde
Salbach, der Stammesfürst der Corco Loigde
Scandlan, sein Vetter und Kleinkönig von Osraige
Ross , Kapitän einer barc , eines Küstenseglers
Männer aus dem Königreich Laigin
Der Ehrwürdige Dacan, der Tote
Fianamail , der König von Laigin
Forbassach, sein Brehon oder Richter
Abt Noe, der Bruder des Ehrwürdigen Dacan, Abt von Fearna und Berater Fianamails
Mugron , Kapitän eines Kriegsschiffes von Laigin Midnat , ein Matrose aus Laigin
Assid von den Ui Dego, ein Kaufmann und Schiffskapitän aus Laigin
In Sceilig Mhichil
Pater Mel, Vorsteher des Klosters von Sceilig Mhichil
Bruder Febal, ein Mönch
In Moluas Haus
Bruder Molua, der ein Waisenhaus leitet
Schwester Aibnat, seine Frau
In der grossen Ratsversammlung
Sechnassach, der Großkönig von Irland
Barran, der Oberrichter von Irland
Ultan , der Erzbischof von Armagh und das religiöse Oberhaupt von Irland
Das Gewitter brach mit plötzlicher Heftigkeit los. Auf das helle Aufblitzen folgte ein wütender Donnerschlag. Im nächsten Moment setzte der Regen mit schweren, eisigen Tropfen ein.
Das Pferd und die Reiterin hatten gerade den Schutz des Waldes verlassen und hielten auf einer Anhöhe. Vor ihnen erstreckte sich eine weite Ebene. Die Frau war in einen langen braunen Wollmantel mit Kapuze gekleidet, der dick und warm war und sie vor der Kälte des Spätherbstes schützte. Ohne Furcht vor dem Wüten des Sturms sah sie zum Himmel auf. Die dunkelgrauen Wolken jagten niedrig dahin und verhüllten die entfernten Bergspitzen wie ein Nebel. Stellenweise hoben sich von diesem Hintergrund dunklere Wolken ab, deren drohende Schwärze den rollenden Donner barg.
Die Frau kniff die Augen zusammen, als ihr der kalte Regen eisig schmerzend ins Gesicht schlug. Sie war jung und anziehend, ohne hübsch zu sein, und widerspenstige rötliche Haarsträhnen ringelten sich unter der Kapuze über ihre breite Stirn. Auf ihrer hellen Haut zeigten sich ganz leichte Sommersprossen. Die Augen sahen augenblicklich so grau aus wie der düstere Himmel, doch im Licht der Blitze leuchtete ein grünes Feuer in ihnen auf. Sie saß mit jugendlicher Gewandtheit im Sattel, und ihre hohe Gestalt beherrschte das unruhige Pferd sicher. Bei näherer Betrachtung hätte man das silberne Kruzifix entdeckt, das sie am Halse trug, und die Nonnentracht, die der schwere Reitmantel und die Kapuze verbargen.
Schwester Fidelma von der Gemeinschaft der heiligen Brigid von Kildare hatte das Gewitter seit einiger Zeit erwartet und wurde von seinem plötzlichen Ausbruch nicht überrascht. Die Anzeichen waren schon lange zu erkennen. Auf ihrem Ritt hatte sie gesehen, wie sich die Kiefernzapfen schlossen, die Gänseblümchen und der Löwenzahn ihre Blumenblätter einrollten und die Stengel des Wiesenklees anschwollen. Das alles verriet ihrem scharf beobachtenden Blick das Nahen des Regens. Selbst die letzten Schwalben, die sich zum Abflug aus Eireann für die Wintermonate rüsteten, flogen dicht über dem Boden, ein sicheres Anzeichen für ein bevorstehendes Gewitter. Schließlich hatte sie, als sie an einer Holzfällerhütte vorbeiritt, gesehen, wie sich der Rauch des Herdfeuers niederschlug, statt sich aufwärts zu ringeln. Er wurde nach unten gedrückt und zog in kleinen Schwaden um das Gebäude, ehe er sich in der kalten Luft auflöste. Sie wußte aus Erfahrung, daß ein solcher Rauch unweigerlich nahen Regen ankündigte.
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