Dazu geben anamnestische Angaben – diese sind insbesondere bei der chronischen Harnverhaltung von besonderer Wichtigkeit – zu bestehenden Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus mit evtl. zusätzlich diabetischer Polyneuropathie oder zu ausgeprägten Hirn-Durchblutungsstörungen (auch Zustand nach Hirnschlag) oder Zustand nach kürzlich erlittenem Schädel-Hirn-Trauma oder einer Hirnblutung oder einer massiven Harnblasen- und/oder Prostata-Entzündung und bei Männern, ob eine Prostata-Vergößerung bekannt ist bzw. bei Frauen, ob eine Senkung (Deszensus) der Gebärmutter (Uterus) mit Schwäche der Beckenmuskulatur bekannt ist und auch noch Frage, ob ein „Steinleiden“ (Niere, Harnleiter, Blase) bekannt ist und nicht zuletzt auch gezielte Fragen nach der psychischen Verfassung wegweisende Hinweise über die Ursache der Harnverhaltung.
Auch Angaben zu zurzeit eingenommenen Arzneimitteln sind von Wichtigkkeit.
Als nächster Schritt die körperliche Untersuchung.
D.h. insbesondere die Palpation der Bauchdecke und im Bereich der Nierenlager und der Harnblase; dazu Auskultation auf Darm-Geräusche bzw. deren Qualität. Eine Selbstverständlichkeit sind Temperatur- und Blutdruck- mit Herzfrequenz-Messung.
Im 3. Schritt folgen simultan Labor- und apparative bildgebende Diagnostik.
Diese ist insbesondere bei der chronischen Verlaufsform unumgänglich.
Gehen wir getrennt vor für die akute und die chronische Verlaufsform.
A) akute Harnverhaltung
1. Labor
Hier genügen …
a. Urin-Untersuchung
[Urinstatus und Sediment, pH, spez. Gewicht]
{Hinweis: sollten sich im Urinstreifentest Hinweise für das Vorliegen von pathogenen Keimen finden lassen – Bakterien, Pilze –, dann sollte umgehend eine Urin-Kultur angelegt werden mit Antibiogramm ! – wichtig: Blut im Urin?]
b. Blut-Untersuchung
[Großes Differentialblutbild, Chrom-Reaktives Protein (CRP) – auch als CRP-Schnelltest – ggfls. noch BSG/BKS]
2. Bildgebende Diagnostik
a. Sonographie der Nieren, Harnleiter, Harnblase
Merke:
Ein akuter Harnverhalt ist ein urologischer Notfall und erfordert eine rasche Diagnose und schnellstmögliche Therapie.
B) chronische Harnverhaltung
Hinweis:
Unverändert bleibt, dass die Diagnostik möglichst rasch durchgeführt wird, um schnellstmöglich eine Therapie zur Beseitigung der Harnverhaltung und dann eine ggfls. erforderliche weitergehende Ursachen-Therapie zu ermöglichen.
1. Labor
a. Urin-Untersuchung
[wie bei akuter Harnverhaltung beschrieben]
b. Blut-Untersuchung
[wie bei akuter Harnverhaltung beschrieben – dazu bedarfsweise: Blutzucker, Nierenretentionswerte (Kreatinin, Harnstoff, Harnstoff-Stickstoff/BUN, Harnsäure GFR (Glomerukläre Filtrationsrate), Eisen, Serum-Elektrophorese, PSA (Prostata-Spezifisches Antigen) und bei entsprechendem Verdacht: Tumor-Marker-Screening und auch Schwermetalle]
2. Bildgebende Diagnostik
a. Sonographie der Nieren, Harnleiter, Harnblase
[bei der Harnblase insbes. „Füllungszustand“]
b. Diaphanoskopie
[= die Durchleuchtung von Körperteilen durch eine aufgesetzte Lichtquelle. In der Urologie kann eine Durchleuchtung des Skrotumszur Diagnostik von Varikozelengenutzt werden]
c. Endoskopische Untersuchungen
a) Urethroskopie (Harnröhren-Spiegelung)
b) Zystoskopie (Harnblasen-Spiegelung)
[bei beiden Verfahren Möglichkeit von Gewebeproben-Entnahmen (Biopsien) zur nachgehenden histologischen Untersuchung – ferner Entfernung von Steinen, Abtragung von Verenungen usw.]
d. Urographie
[d.i. eine kontrastmittelgestützte röntgenologischeDarstellung des Harn-ableitenden Systems. Die entsprechenden Aufnahmen nennt man Urogramm bzw. Pyelogramm]
e. Computertomographie (CT) / Kernspintomographie (MRT)
ggfls. mit Kontrastmittel
[wichtig zur Abklärung bzw. Tumoren – Wirbelsäule, Becken, Nieren & ableitende Harnwege, Prostata bzw. Uterus und Eierstöcke -]
Wichtiger Hinweis:
Vor Röntgenaufnahmen mit Kontrastmittel sollte das Serum-Kreatinin bzw. die GFR überprüft werden!
Bei entsprechenden Vorbefunden bzw. in der orientierenden Untersuchung ermittelten Befunden zusätzlich:
3. orientierende neurologische Untersuchung
[bei Befund-Auffälligkeiten nach der Akut-Intervention wegen Harnverhaltung Zuweisung zu einem Facharzt für Neurologie]
4. orientierende psychosomatische/psychische Exploration
[bei Befund-Auffälligkeiten nach der Akut-Intervention wegen Harnverhaltung Zuweisung zu einem Facharzt für Psychosomatische Medizin bzw. für Psychiatrie]
Der akute Harnverhalt und bedingt auch die chronische Verlaufsform bedürfen einer umgehenden kontrollierten Entlastung , sprich einer „Entleerung“, der Harnblase.
Entweder durch einen trans-urethralen oder durch einen suprapubischen Blasenkatheter. Oder auch durch eine entlastende Blasen-Punktion. Dabei wird der Urinnach und nach in kleineren Portionen abgelassen. Das lindert mögliche Schmerzen im Unterleib, die infolge der prall gefüllten Harnblase bei einem Harnverhalt entstehen (können).
Das langsame Ablassen beugt zudem Komplikationen, etwa Blutungen der Blasenwand, vor.
Der Harnröhrenkatheter kann – je nach Ursache des Harnverhalts – kurzzeitig oder dauerhaft in der Harnröhre verbleiben.
Beim Harnverhalt – zumal beim chronischen – hängt die weitere Therapie immer von der bzw. den jeweiligen Ursache/-n ab.
1)Liegt z.B. eine durch Bakterien oder Plize verursachte Entzündung in den ableitenden Harnwegen und/oder der Niere vor, dann ist eine gezielte spezielle Behandlung mit Antibiotika und/oder Antimykotika erforderlich, einschließlich entsprechender Befund-Kontrollen.
2)Sind Blasen- oder Harnleiter-Steine die Ursache, so werden diese überwiegend bereits nach der diagnostischen Endoskopie entfernt. Bei größeren Steinen müssen diese vor der Entfernung mittels Ultraschall zertrümmert werden.
In einigen Fällen ist aber ein operativer Eingriff erforderlich.
3)Sonstige Befunde in der Harnblase und/oder in Harnröhre oder
Harnleiter – wie z.B. Harnleiterklpapen, Strikturen – bedürfen in der Regel einer – auch minimal-invasiven – Operation.
4) Ist der Harnverhalt – zumal der chronische – Folge einer
bestehenden „Grunderkrankung“ wie z.B. einer neurologischen Erkrankung (u.a. Multiple Sklerose, diabetische Polyneuropahthie) oder eines Tumors (gutartig wie bösartig im Bereich des sakralen Anteils der Wirbelsäule oder einer Prostatahyperplasie oder einer Gebärmutter-Senkung oder einer Schwäche der Beckenbodenmuskulatur) u.a.m., dann muss diese bestmöglich behandelt bzw. eingestellt werden, um so die Beschwerden eines Harnverhalts entweder gänzlich zu beheben bzw. zumindest zu verringern.
5)Findet sich in der Abklärung, dass ein eingenommenes
Arzneimittel (bzw. dessen Wirkstoff/-e) die Ursache für den Harnverhalt ist, dann muss dieses Mittel sofort abgesetzt werden.
6) Tritt der Harnverhalt infolge einer psychischen Belastungssituation oder einer psychosomatischen bzw. psychischen Störung und Erkrankung auf, sollte eine fachärztliche Diagnostik und nachfolgend eine befund-adaptierte Behandlung (u.a. Gesprächstherapie, zeitweise Psychopharmaka) erfolgen.
Bei Zystennieren – Synonym: Polyzystische Nierenerkrankung (PKD - Polycystic Kidney Disease) – handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der es zur Bildung vopn Flüssigkeits-gefüllten Zysten () überall in der Niere kommt.
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