Es war ihr schon unangenehm gewesen, sich von diesen Frauen ankleiden lassen zu müssen, da sie ja immer noch gefesselt war. Ihre Handgelenke waren Blutverschmiert. Immer wieder schnitten die Metallklammern in ihr Fleisch, was zwar sogleich wieder heilte, aber die Spuren blieben.
Frustriert stand sie nun auf dem sehr großen Vorplatz zur Scheune.
Es war mittlerweile heller geworden. Kurz vor Sonnenaufgang, nahm sie an. Zu ihrer linken befand sich der schmale Brunnen, in dem sie zu sich gekommen war. Dahinter ging es zu einem riesigen Feld, auf dem merkwürdige Pflanzen wuchsen.
Vor ihr stand ein breites Herrenhaus. Das Dach war reparaturbedürftig und die Eingangstüre war verzogen. Das Haus sah von außen aus, als wäre es stark in die Jahre gekommen und nicht viel gepflegt worden.
Rechts neben ihr gab es eine weitere kleinere Scheune, welche einen Kamin hatte, aus dem es schwarz rauchte. Es kamen Geräusche aus dessen Inneren, die sich anhörten, als befände sich dort drin eine Schmiede. Sie war wirklich im Mitterlalter gelandet.
Dann brach die rotte Eingangstür auf und Helion trat ihr entgegen. Hinter ihm stand ein weiterer Radordämon. Sie erkannte ihn. Er war auch am Strand gewesen. Einer von denen, die sie angegriffen hatten. Seine Hörner waren abgeschliffen. So kurz, dass sie kam aus den schwarzen Haaren hervor lugten. Sein Gesicht war zerschlagen. War sie das gewesen? Er hatte genauso dunkle Augen, wie Haare und war auch am restlichen Körper stark behaart. Er trug nur eine Lederweste am Oberkörper mit kleinen Taschen für ebenso keine Klingen. Ein Messerwerfer. Seine stämmigen Beine steckten in einer abgetragenen verwaschenen Hose, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hatte. Die Klauenfüße waren vernarbt.
Warum hatten so viel dieser Dämonen Narben, aber nicht alle? Wie waren die Heilkräfte bei den Dämonen? Einige konnten sich anscheinend gar nicht selbst heilen.
Evie zuckte er kleines Stück zurück, als Helion ihre Hände packte.
„Vorsicht, Helion. Die hat ´nen mächtigen Schlag. Fast so, wie Salvarius.“
„Ich weiß.“ sagte Helion. „Ich habe auch schon mit ihr Bekanntschaft gemacht.“
Der behaarte lachte.
„Sag Salvarius, er soll sich fertig machen. Ich bringe sie in die Halle.“
„Ja mach du nur.“ Somit drehte der behaarte um und stolzierte hinein.
„Mach, was er verlangt, wenn dir dein Leben lieb ist. Nach diesem Treffen landest du wieder im Brunnen, soviel steht fest. Ich sehe, was ich machen kann, um dich da raus zu holen. Naron habe ich noch nicht erreichen können. Er beobachtet uns genau.“ Flüsterte Helion und führte sie langsam in das Haus.
Evie nickte leicht, sagte aber kein Wort. Was würde Salvarius mit ihr machen?
Als sie von Helion die die riesige Halle geführt wurde, vorbei an einem dunklen Raum und der Küche, wurde ihr mulmig zumute. Sie war nie ängstlich gewesen, da sie in Situationen geraten war, die sie nicht vorausgeplant und beeinflusst hatte. Aber es hatte sich einiges geändert.
In der Halle stand ein langer Tisch mit vielen Stühlen. Helion ging mit ihr zu dem riesigen Stuhl am Kopfende, zweifellos Salvarius Platz. Auf den Stuhl zur linken setzte er Evie nieder, in dem er sie behutsam nieder drückte. Die anfängliche Grobheit war verflogen.
War er wirklich auf ihrer Seite? Wenn ja, woher kannte er dann Naron? Fragen über Fragen schwirrten ihr durch den Kopf, als neben den großen Kamin hinter Salvarius Platz eine kleine Tür geöffnet wurde. Der hünenhafte Dämon erschien und bewegte sich betont gewaltbereit in ihre Richtung. Dann ließ er sich auf den großen Stuhl nieder.
„So, Dämonin. Wie ist dein Name.“ Er legte den Kopf auf seine gefalteten Hände, während die Ellbogen auf dem Tisch ruhten. Sie sollte tun, was er sagt.
„Man nennt mich Evie.“ sagte sie leise.
„Evie, wie Evelin, Richtig? Wie ist dein richtiger Name?“ knurrte er.
„Ehm, ich gebrauche ihn nicht mehr.“ Als er wieder knurrte fügte sich schnell hinzu. „ Meine Grandma nannte mich Evangeline. Nach einer schwarzen Hexe, die lange für Unfrieden gesorgt hatte.“ Salvarius lachte. Ihr stellten sich die Nackenhaare auf.
„Na, es geht doch, Weib. Nun wüsste ich gerne, wie du darauf kommst, mich zu jagen.“ Seine Augen blitzten vor Freude.
„Ich suchte den Vergewaltiger meiner Mutter und somit meinen Vater.“
„Und da dachtest du, ich sei das?“ grollte er und streckte sich auf dem Stuhl.
„Ich habe nicht gezielt, dich gesucht, Dämon. Ich suchte nach Radordämonen. Und du bist keiner.“
„Oh. Gut erkannt. Weißt du denn, was ich für einer bin?“ fragte er amüsiert, da er glaubt, sie wüsste es nicht.
„Du bist ein Walddämon. Du stinkst nach Erde und Holz. Genauso, wie den einen vor dir, den ich getroffen habe. Euch gibt es auch nur noch sehr selten.“ Herausfordernd blickte sie ihn an.
„Das darf doch nicht war sein.“ Er war verblüfft. „Du erkennst es nur an unseren Geruch? So findest du deine Opfer, richtig?“
Sie nickte. Er lachte erneut.
„Dann suchst du aber den Falschen. Denn du siehst ganz anders aus als ich. Ist dir noch nicht aufgefallen, was?“ er grinste dümmlich.
„Doch ist es. Denn dir fehlen ein paar Attribute, die die Rador ausmachen.“
Wütend packte er sie am Kragen und kam ihr zu nahe.
„Meinst du, nur weil du einen Schwanz hast, dass der besser ist als meiner?“ fragte er angriffslustig.
„Aber du hast doch gar keinen?“ fragte sie verwirrt.
Salvarius starrte ihr in die Augen und begann aus vollster Kehle zu lachen.
„Du bist gut. Bist du so naiv, oder tust du nur so?“ er packte sich gezielt zwischendie Beine und hielt ihr seine Schoß entgegen. „Ich meinte den hier, kleine Dämonin.“
Evie lief rot an. Sie konnte nicht anders. Dieser Kerl konnte widerlicher nicht sein und beschämte sie auch noch.
Er lachte weiter über Evie und schnippte dann in die Finger, worauf drei Sklavinnen erschienen, beladen mit Essen. Als die erste, eine sehr üppig ausgestattet Dämonin mit schwarzen Haaren den großen Teller vor Salvarius gestellt hatte. Ergriff er ihre Hüfte und zog sie auf seinen Schoß. Sie gab keinen Laut von sich, obwohl ihr Gesicht ihr Missfallen widerspiegelte.
„Das kleine Mädchen ist der Meinung, mein Schwanz wäre nicht länger als ihrer. Was hast du dazu zu sagen? Meinst du das auch?“ er griff ihr grob an die Brust.
Die Sklavin schüttelte kräftig den Kopf.
„Dann hat das kleine Mädchen Unrecht.“ Salvarius lachte wieder und ließ die Sklavin los. Diese flüchtete.
Evie musste schlucken. Am liebsten hätte sie ihm sein Lachen aus dem Gesicht geprügelt. Nicht nur weil er sie verhöhnte. Sie war sich mehr und mehr sicher, dass er ihr Ziel war. Aber wie sollte sie ihn ausschalten? Vor allem aber stellte sie sich die Frage, ob der Tod die wirklich gerechte Strafe für dieses widerliche Exemplar darstellte.
„Du solltest mal ordentlich geschaukelt wer den, Weib.“
Das war zu viel.
„So, wie du es meiner Mutter gezeigt hast? Hast sie auch ordentlich rangenommen, was?“ sie sprang auf und warf dabei den Stuhl um, auf dem sie noch vor Sekunden gesessen hatte.
Salvarius sprang ebenso schnell auf und schlug ihr mitten ins Gesicht. Da sie immer noch gefesselt war, konnte sie den Schlag nicht ausgleichen und stürzte zu Boden. Blut sammelte sich in ihrem Mund. Salvarius packte sie grob am Arm und zog sie zu sich hoch.
„Du hältst dich für sehr klug, was Dämonin? Aber ich nenne es dämlich, mich herauszufordern. Und ja. Ich habe sie ordentlich rangenommen!“ grollte er. „Das war ich ihr schuldig. Und du kannst froh sein, wenn ich nicht dasselbe mit dir mache. Denn falls du es nicht weißt. Dein Vater bin ich nicht!“
„Wovon redest du?“ fragte Evie und spuckte Blut. Salvarius grinste.
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