Kreisele ich mit meinem Kopf, dann habe ich an Alkohol gerochen und bin beschwipst.
Mein Mensch schnitt aus rotem Filz einen Mund für mich aus. Als ob ich damit sprechen könnte! Der nützt mir gar nichts. Er machte mich nur „menschlicher“. Als ich mein Spielbild in einer Glasscheibe betrachtete stellte ich fest, dass ich nun viel intelligenter aussah. Meine Gesichtsfalten ließen mich außerdem nachdenklich erscheinen, ja, ich würde sagen (wenn ich sprechen könnte), dass ich einen melancholischen Ausdruck hatte, obwohl mein Mund immer lächelte. Ich hatte ein äußerst freundliches Erscheinungsbild. Selbst wenn mir etwas nicht gefiel oder ich mich über etwas ärgerte – ich lächelte und lächelte. Deshalb konnte mir nie jemand wirklich böse sein. Warum auch, ich war still, saß immer nur herum, machte nichts kaputt, fraß niemandem etwas weg. Wie auch. Ich bin ja nur ein Plüschtier.
Schwarzer Humor ist, wenn der Mensch lacht und ich nicht.
Ich musste noch viel lernen. Von der Welt hatte ich keine Ahnung. Alles sah und hörte ich zum ersten Mal. Zuerst lernte ich was „Schwarzer Humor“ ist. Meine Menschin sagte etwas zu mir, bis ich beleidigt schmollte oder sie machte mir Angst, weil sie mir etwas ganz Schreckliches erzählte und dann hieß es: „Schwarzer Humor.“
Die Menschen müssen essen und trinken, damit sie am Leben bleiben. Ich brauche das zum Glück nicht. Mein Mensch erklärte mir ganz genau, wie das geht mit dem Stoffwechsel und der Verdauung. Menschen essen Fleisch.
„Du siehst aus wie ein knuspriges Hähnchen. Lecker.“
Ich sah mich in einer Pfanne, später auf einem Teller liegen und wie ich dann im Menschen verschwinde.
„Keine Angst Eumel, das ist nur schwarzer Humor.“
Einmal sah ich im Fernsehen eine Sendung über ein Tierheim und über ein Pflegeheim. Ich hatte fürchterliche Angst, dass ich dort hin muss, mein Mensch hatte so komische Andeutungen gemacht, bis ich wieder hörte:
„Nein, Eumel. Du bleibst für immer hier, war nur schwarzer Humor.“
Sie sagte zu mir:
„Du stinkst.“
Waaas? Ich kann nicht schwitzen und hinten kommt bei mir auch nichts raus. Ich rieche nach nichts, ich bin ja nur ein Plüschtier. Wenn der Mensch mich ständig an sich drückt und die Hautschuppen auf mir verteilt, dann nehme ich den Geruch des Menschen an. Die Menschen müssen sich jeden Tag ihre Haut waschen und duften hinterher. Ich wasche mich nie, kein Wunder, dass ich müffele. Sie zeigte mir die Waschmaschine. Die macht einen Höllenlärm. Dort sollte ich hinein? Das konnte kein Witz sein. Mit der Wäsche machten sie es genauso. Und ich war auch nur ein bisschen Stoff. Ich kreiselte mit meinem Kopf. Mir war jetzt schon schwindelig. Dann hieß es:
„Nein, Eumel. Du musst nicht in die Waschmaschine. Ist nur schwarzer Humor.“
Mein Körper bebte vor Erleichterung, dann hackte ich auf den Arm meines Menschen.
Manchmal durfte ich mit hinaus, wurde irgendwo hingesetzt und später hörte ich:
„Ich gehe jetzt. Du bleibst draußen. Tschüss.“ Ich sollte allein die Nacht in der Wildnis verbringen? Mit gefährlichen Mäusen und echten Eulen unter einem schwarzen Himmel? Und wenn es regnet und mein Körper ganz nass und schwer wird? Wenn mich der Wind umschmeißt und ich im Schmutz lande? Dann muss ich bestimmt doch in die Waschmaschine.
Dann kehrte mein Mensch um, packte mich in einen Beutel und nahm mich wieder mit.
„War bloß Spaß, Eumel. Du kennst mich doch mittlerweile. Merke dir, das ist schwarzer Humor.“
Einmal sagte mein Mensch:
„Du gehst raus auf den Balkon.“
Draußen lag Schnee bei minus zehn Grad. Ja, ja. Ich falle nicht darauf herein. Ist nur schwarzer Humor. Natürlich gehe ich nicht raus. Und was machte meine Menschin mit mir?! Sie packte mich und legte mich in den Schnee. Das allein war schlimm genug. Sie wälzte mich im Schnee herum, bis ich ganz weiß aussah. Das wäre notwendig zum „Auslüften“, „Reinigen“ und gegen „Hausstaubmilben“. Die sollen sterben, wenn so etwas wie ich in eine Gefriertruhe gesperrt wird. Ich habe keine Milben und selbst wenn: Ich möchte auch ein eigenes Haustier haben. Wenn ich Milben hätte, würde ich sie dressieren. Ich würde sie auf meinem breiten Fuß laufen lassen und dort könnten sie akrobatische Übungen machen. Die Menschen können das nicht sehen, aber ich! Ich saß im Schnee und wartete und wartete. Zum Glück fror ich nicht, ich bin ja nur ein Plüschtier. Lieber draußen im Schnee liegen, als bei sechzig Grad Hitze in der Waschmaschine gequält zu werden. Ich schaute ganz intensiv durch die Glasscheibe der Balkontür. Das konnte sich mein Mensch nicht lange ansehen und holte mich wieder ins Warme.
Wenn ich allein laufen könnte, würde ich mich tagelang verstecken. Ich würde beobachten, wie sie mich sucht und wenn sie vor Verzweiflung fast durchdreht, tauche ich wieder auf, als wäre nichts gewesen:
„Ich bin wieder da. War nur schwarzer Humor.“ Dann würde ich zuletzt lachen, wenigstens ein Mal.
Ameisen sind nützliche Tiere, solange sie meinen Menschen nicht fressen.
Bei schönem Wetter darf ich manchmal in den Garten. Ich werde dann in einen Strauch oder auf einen Ast eines Baumes gesetzt. Weil ich mich nicht selbst bewegen kann, schaue ich lange Zeit auf eine bestimmte Stelle. Und ich habe viel Zeit! Einmal sah ich eine tote Maus. Ameisen marschierten in einer endlosen Reihe zu der Maus und nagten das Fleisch ab, bis nur noch die Knochen übrig waren. Mein Mensch badete in der Sonne und bekam von allem nichts mit. Warum heißt es eigentlich „Sonnenbad“? Vielleicht weil der Mensch schwitzt und in seinem eigenen Wasser liegt? Einmal habe ich im Fernsehen gesehen wie die Sonne abends hinter dem Meer verschwindet. Die Sonne badete im Meer. Ob die Sonne nass wird? Es ist so viel Wasser im Meer. Was ist, wenn die Sonne gelöscht wird? Wird es dann nie mehr hell? Das kann nicht stimmen, denn es wird jeden Tag wieder hell, ganz egal wie oft die Sonne baden geht. Die Menschen gehen auch baden im Wasser, die lösen sich auch nicht auf und kommen im Ganzen wieder heraus. Ich werde das schon noch herausbekommen wie das ist mit der Sonne und dem Baden und dem Meer, ich habe ja viel Zeit zum Nachdenken. Das Grübeln wurde mir zu anstrengend und ich konzentrierte mich wieder auf die Ameisen. Eine krabbelte über den Fuß meines Menschen. Was passiert, wenn die Ameisen den Menschen auffressen? Dann sitzt nur noch ein Gerippe mit Hut auf dem Stuhl. Ob dann die Zeitung auch herunterfällt, die der Mensch in der Hand hält? Wenn mein Mensch aufgefressen wird, wer bringt mich dann wieder ins Haus zurück? Mein Mensch schaute auf den Fuß und wischte die Ameise mit einer Handbewegung herunter. Ich hatte ganz vergessen: Menschen haben Nerven und empfinden Schmerz. Das lässt sie reagieren. Ich bekam einen Schreck. Ich rieche nach Mensch. Die Ameisen werden auf mich kriechen und mich auffressen und ich merke das nicht, weil ich nur ein Plüschtier bin. Ob ich überhaupt noch ganz bin? Oder hängt nur noch meine innere Füllung im Geäst? Am liebsten hätte ich meinen Kopf gesenkt, um zu schauen, ob ich noch existiere. Doch ich bin ja nur ein Plüschtier und kann mich nicht bewegen.
Ein Plüschtier ist ein Gegenstand, eine Eule ist ein Tier, ein Mensch ist ein Mensch.
Ich bin alles.
Ich will mich nicht über meine Menschin beklagen. Mir geht es sehr gut bei ihr. Sie behandelt mich immer sehr freundlich und erfüllt viele meiner Wünsche. Ich gehöre nicht zu den bedauernswerten Plüschtier-Geschöpfen, die auf einem Schrank hocken und ihr ganzes Leben nur zum Fenster herausschauen. Manche dürfen nicht mal das. Andere liegen in einer Kiste und sehen gar nichts von ihrer Umwelt. Ich hatte meine Menschin dazu erzogen, dass sie mich an ihrem Leben teilnehmen lässt und sie mir die Welt zeigt.
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