"Ja, wem sagst du das? Frank war ja schon immer viel unterwegs. Mir war es ja auch ganz recht. Glaub mir, das war besser für alle Beteiligten. Und nach dem, was mir dieser Schnösel erzählt hat …" Sophia holte tief Luft und schüttelte den Kopf. "Ein Profikiller. Das hätte ich Frank gar nicht zugetraut."
"Na, das kann man wohl laut sagen. Aber man muss ihm schon hoch anrechnen, dass er solange damit durch gekommen ist", fasste Emma die Lage zusammen. "Und was nun? Was willst du jetzt tun?"
"Was weiß ich? Das ist ja nichts, das man mal so eben entscheidet – Hallo! Ja, ich bringe künftig Menschen um."
"Also, wenn du wolltest ... Entsprechende Mittel hast du in deinem Garten auf jeden Fall genug. Was da wächst, ist doch alles giftig." Emma kam darauf, weil sie just in diesem Moment aus dem Fenster blickte und – wie schon so oft – Sophia wegen ihrer mangelnden Begabung für das Gärtnern bedauerte.
"Ach Emma, du übertreibst mal wieder", wehrte Sophia ab.
Die Freundinnen beschlossen, sich am kommenden Tag wieder zu treffen.
Sophia nutzte die Zeit, um sich eingehender mit Franks und ihrem gemeinsamen Bankkonto zu beschäftigen, das inzwischen natürlich ihr allein gehörte.
Als sich die Freundinnen wieder trafen, berichtete Sophia ihrer Freundin von ihren Erkenntnissen: "Nicht zu fassen", kam es brüskiert von Emma. "Dass er das Geld immer bar eingezahlt hat, musst du doch gemerkt haben."
"Wie denn? Ich habe immer das Geld abgehoben, das ich gerade brauchte und da gab es keinen Grund herauszufinden, wie das Geld auf das Konto kam. Aber es wird noch schlimmer: Er hatte auch keine Lebensversicherung und praktisch keine Rentenversicherung."
"Waaas, wie willst du denn jetzt leben? Auch wenn das Haus bezahlt ist und jetzt dir gehört, brauchst du doch Geld für das tägliche Leben." Emma war das Entsetzten ins Gesicht geschrieben.
"Naja, im Moment ist das kein Problem. Es ist noch genug Geld da. Aber dafür muss ich ja jemanden um die Ecke bringen."
Sophia stand auf und ging in der Küche hin und her.
"So ein mieser Hund! wenn ich könnte, würde ich den Mistkerl eigenhändig ausgraben und ihm einen ordentlichen Tritt in seinen Du-weißt-schon-wo geben, dass es nur so kracht." Sophia bemerkte, dass sie ihren Gatten schon am zweiten Tag nach seiner Beerdigung zum zweiten Mal exhumieren wollte und beschloss gnädiger mit ihm zu sein.
"Aber das macht ja jetzt auch keinen Sinn mehr. Merkt er ja nicht mehr. Ich muss wohl oder übel einen Weg finden, um diesem Schnösel das Geld zurückzugeben." Sophia grübelte und setzte mehrfach zum Sprechen an.
"Ich könnte ... Vielleicht ginge ... Machbar wäre ... Ich müsste ..."
"Sophia, du bist 40, hast nie gearbeitet. Naja, abgesehen von deinem Haushalt und dem ..." Emma machte eine vielsagende Pause, "Garten.“ Von Arbeit, geschweige denn Kenntnissen, konnte man nicht ernsthaft sprechen. Aber sie wollte ihre älteste Freundin nicht vor den Kopf stoßen. "Wer in Gottes Namen soll dich denn einstellen?"
"Hm, da ist was dran ..." Sophia überlegte und plötzlich: "Ich werde einfach den Schnösel fragen, wie er sich das vorstellt."
"Du spinnst!!" Emma sah ihre Freundin fassungslos an.
"Warum? Ich brauche ja nur einen Menschen um die Ecke bringen. Und wenn Frank das konnte, warum soll ich das nicht auch können? Schließlich war Frank jetzt keine so große Leuchte."
"Sophia, du hast keine Ahnung von Verbrechen. Wie bitteschön?"
"Was?! Ich und keine Ahnung von Verbrechen. Himmel, wozu schaue ich denn die ganzen Krimis, Thriller und Mordgeschichten, die einem jeden Tag im Fernsehen aufgetischt werden? Schlechter als bei denen kann es im wahren Leben auch nicht sein. Mal ehrlich, die Kriminellen stellen sich immer so doof an, dass es mich jedes Mal wundert, dass man die nicht viel schneller fasst. Die machen das alles viel zu kompliziert." Sophia war inzwischen aufgestanden und hatte ihre Kaffeetasse aufgefüllt.
"Wer bist du? Und was hast du mit meiner Freundin Sophia gemacht?", kam es von Emma, die Sophia ihre leere Kaffeetasse entgegenstreckte.
Es war ein ganz normaler Frühlingstag. Die Beerdigung war schon lange vorbei und die Grabpflege gehörte inzwischen zur monatlichen Routinen. Von dem Schnösel, der Sophia nach der Beerdigung aufgesucht hatte, hatte sie nichts mehr gehört und somit auch keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet. Es hatte sich nichts Besonderes ereignet und es gab auch keine Anzeichen, dass heute irgendetwas anders sein würde. Sophia holte eine Dose Erbsen aus dem Keller. Sie war dabei, ein Hühnerfrikassee zu kochen und hatte keine Erbsen mehr in ihrer kleinen Speisekammer. Auf dem Rückweg in die Küche achtete Sophia darauf, die morsche Stufe der Treppe zu überspringen. Sie musste die Stufe unbedingt in Ordnung bringen lassen. Vielleicht würde Elias ihr dabei behilflich sein.
Das Klingeln an der Vordertür ließ sie zusammenschrecken, hatte sie doch nicht mit Besuch gerechnet. Sie wischte sich die Hände an einem Handtuch ab, eilte gut gelaunt zur Tür und öffnete. Sie hatte sich nie angewöhnen können, durch den Spion zu schauen. Warum auch? In einem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt, hielt sie das für unnütz. Sie hatte Frank den Einbau damals machen lassen, denn wer wusste schon, auf was für unsinnige Ideen er sonst gekommen wäre.
Vor ihr stand der junge Mann, der kurz nach Franks Beerdigung bei ihr gewesen war und dessen Namen sie nach wie vor nicht wusste.
"Guten Tag!", strahlte er sie an. Offensichtlich erfreute er sich dieses schönen Tages. Objektiv gesehen war er ein netter junger Mann, dem man nichts Schlimmes zutrauen würde. Aber das waren ja wohl die Schlimmsten.
Ihr "Guten Tag ..." fiel deutlich kühler aus, als sie sich fühlte.
"Oh, ich hatte mit einer freundlicheren Begrüßung gerechnet", strahlte der junge Mann sie an. "Schließlich werden wir möglicherweise Geschäftspartner."
Sophia öffnete die Tür weiter und sagte: "Nun kommen Sie schon rein. Es muss ja nicht jeder mitbekommen, was wir zu besprechen haben."
Der junge Mann lächelte, drehte den Kopf und sah sie wieder an. "Ich sehe niemanden, der uns belauscht."
Er trat ins Haus ein und folgte ihr in die Küche. Sie fand, dass es ein passenderer Ort war als ihr gemütliches Wohnzimmer. Außerdem stand die Tür noch offen.
Die Küche befand sich gegenüber der Haustür und grenzte an den hinteren Garten. Damit war zumindest sicher, dass ein zufällig vorbeikommender Passant nicht mitbekam, wer da zu Besuch war. Denn, dass sie Besuch hatte, konnte jeder an dem schwarzen BMW sehen, der demonstrativ vor ihrem Haus parkte.
"Nun? Wie haben Sie sich entschieden?", wollte der junge Mann wissen.
"Man, Sie sind aber direkt." Sophia fuhr sich mit der Hand in den Nacken.
"Nun, ich habe gelernt, dass es keinen Sinn macht, lange um den heißen Brei herum zu reden, und hier in Ihrer Küche wird es wohl niemanden geben, der mithört."
Er lächelte immer noch. Unerhört. Wie konnte man in so jungen Jahren schon so selbstbewusst sein.
"Ja, also ...", sie rang nach Worten. "Ich glaube ich müsste doch noch ein wenig mehr über die Sache wissen. Sie verstehen?"
"Aber natürlich. Wenn Sie sich dazu entschließen, für uns zu arbeiten, dann werde ich Ihnen den Namen, ein Foto, einen Ort, an dem er sicher auftaucht, und einige Details zu Ihrem Zielobjekt nennen. Sie fahren dann zum Zielort und erledigen ihn. So einfach ist das. Die Wahl der Waffe überlassen wir Ihnen. Wie Sie zum Zielort gelangen und wie Sie dort wieder verschwinden, ist Ihre Sache. Werden Sie gefasst, sind Sie auf sich gestellt. Wir übernehmen da keine Verantwortung."
"Hm, keine leichte Entscheidung", stammelte Sophia.
"Nun, wahrscheinlich ist es leichter, wenn ich Ihnen sage, dass Ihre Zielperson Maic van Hoortem ist."
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