"Sophia! Du musst den Mann loswerden. Endgültig!“ Es ist nur wenige Monate her gewesen, dass Emma dies gesagt hatte und jetzt war Sophia Witwe.
Die Beerdigung war vorbei und Sophia hatte sich gerade einen Kaffee aufgesetzt. Eben hatte sie sich in ihren Sessel fallen lassen, atmete tief durch und lies die Luft durch den Mund entweichen. "Pfffff“ Sie lächelte. Wie schön es war, dass keiner da war, der über ihre Marotten nörgeln konnte, und an Marotten mangelte es Sophia Tieffeld nicht.
Es klingelte. Sophia rollte mit den Augen. Wer konnte denn das jetzt sein? Sie hatte doch gerade alle reichlich beköstigen lassen. Zugegeben, das was der Wirt vom ortsansässigen Wirtshaus da aufgetischt hatte, war nicht besonders. Aber was half es? Etwas Besseres gab es in Hochmoor nun mal nicht. Sophia wusste, dass ihr Ehemann im Ort unbeliebt war, und daher wunderte es sie nicht, dass von ehrlicher Trauer keine Rede sein konnte. Es war schon komisch. Eines Tages kamen zwei Polizisten und teilten ihr mit, dass ihr Mann Frank als zufälliger Zeuge eines Überfalls von einer Kugel tödlich getroffen wurde. Fragen? Nein, Fragen hatte sie nicht gestellt, dafür war sie viel zu geschockt. Als der Schock nachließ, machte sich nicht Trauer breit, sondern Erleichterung. Vielleicht hätte es anders sein sollen, aber es war nun einmal, wie es war. Jetzt war er unter der Erde und da sollte er bitteschön auch bleiben. Sophia jedenfalls, hatte jetzt ihre Ruhe. Naja, sie musste sich in nächster Zeit überlegen, womit sie Geld verdienen sollte, aber dafür war noch Zeit. Das hatte ihr ein Blick auf das Bankkonto gezeigt.
Und genau diese Ruhe wurde jetzt durch irgendjemanden, der immer noch an ihrer Tür klingelte, gestört. Sophia erhob sich und musste wohl oder übel öffnen.
An der Tür sah sie sich einem Unbekannten gegenüber.
"Guten Tag. Sind Sie Frau Tieffeld?"
Der Hellste konnte er wol nicht sein. Schließlich klingelte er doch bei Tieffelds.
Ihr fiel auf, dass sie schon viel zu lange schwieg und stotterte: "Äh ... ja, ich bin Frau Tieffeld."
Schon plapperte der junge Mann los und überschüttete sie mit einem Redeschwall. Mein Gott, was konnte der Mensch reden. Die Worte wirbelten nur so umher und das in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Ihr wurde schwindelig und sie stützte sich am Türrahmen ab.
"Oh, ich verstehe", stockte der junge Mann in seinem Redeschwall. "Vielleicht ist es doch besser, wenn Sie sich setzten."
Schon hatte er ihren Arm ergriffen und führte Sie ins Haus. Ehe sie es sich versah, saß sie wieder in ihrem Sessel. Der junge Mann, dessen Namen und Anliegen sie immer noch nicht erfasst hatte, war verschwunden.
Genauso schnell, wie das Plappermaul verschwunden war, tauchte er auch wieder im Raum auf – mit zwei Tassen dampfendem Kaffee in der Hand.
"So!", stellte der junge Mann fest und reichte ihr eine Tasse Kaffee. "Was denken Sie?"
"Wozu?", fragte Sophia, nahm die Tasse Kaffee entgegen und sah den jungen Mann an. Dieser setzte sich jetzt einfach in den Sessel ihres Mannes. Was für ein unverschämter Schnösel, schoss es Sophia durch den Kopf, während er sich setzte. Naja, eigentlich war es nicht weiter schlimm. Frank war tot und lag jetzt ordentlich begraben unter zwei Metern Erde und einem eher überschaubaren Meer aus Blumen.
"Nun, zu meinem Vorschlag ...", stieß der Schnösel hervor.
Sie merkte, dass er etwas unsicher wurde. Fein, dachte Sophia, jetzt bloß nicht nachlassen. Das ist mein Haus und hier bin ich jetzt die Chefin. Dass mir ein Mann gesagt hat wo es lang geht, hatte ich lange genug. Zu dumm nur, dass sie ihm gar nicht zugehört hatte. Sophia beschloss, in die Offensive zu gehen.
"Ich schlage vor, dass Sie mir Ihren Vorschlag noch einmal genau erklären und ich bitte um Details. Und …! Bremsen sie Ihr Tempo", mahnte Sie ihn mit erhobenem Zeigefinger.
Sie war sich zwar nicht sicher, ob sie das wirklich wollte, aber jetzt gab es kein Entrinnen mehr. Der Schnösel begann zu erzählen und nach einiger Zeit und vielen Fragen lag die nackte Wahrheit vor ihr.
Frank, ihr Frank war ein Profilkiller!
Sie konnte es nicht fassen. Aber im Nachhinein war es schon nicht mehr so merkwürdig. Wie sollte denn so ein unsympathischer Mann, der nicht einmal besonders aussah, Vertreter sein können? Dem hätte doch wohl keiner etwas abgekauft und verdient hatte er ganz gut.
"Und da Ihr Gatte uns noch einen Fall schuldet ..."
"Wie meinen Sie das – schuldet?"
Der junge Mann grinste sie an. "Nun ja, wir haben eine Zahlung auf fünf Fälle geleistet und einer fehlt noch."
"Ja und jetzt? Frank ist tot und aller Wahrscheinlichkeit nach wird er nicht von den Toten auferstehen, um für Sie noch einen Menschen umzulegen."
"Das sehe ich ähnlich." Der Schnösel nickte zustimmend.
"Gut", sagte Sophia so gefasst es ging. "Und was schlagen Sie vor, das ich tun soll?"
Pah, sollte sich doch der Schnösel überlegen, wie sie aus der Misere wieder hinaus kamen. Außerdem hatte sie keine Ahnung wie sie einen Menschen umbringen sollte – und dann gab es ja auch noch so etwas wie ethische Fragen. Man kann doch nicht so mir nichts, dir nichts einen anderen Menschen töten. Das tut man einfach nicht!
Am liebsten wäre Sie jetzt zu Franks Grab gegangen und hätte ihn eigenhändig ausgebuddelt, nur um ihm – post mortem – eine Ohrfeige zu verpassen.
"Ja, ich gebe zu, dass es eine Herausforderung wird. Sie können uns natürlich auch die 40.000 Euro für den letzten Fall zurückzahlen.", sagte der Schnösel daraufhin.
Unerhört! Jetzt wollte sie am liebsten dem jungen Mann eine Ohrfeige verpassen. Das war auch viel einfacher; er lag ja nicht unter zwei Metern Erde.
Sophia stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch und sah dem jungen Mann in die Augen, bevor sie sagte: "Also, ich schlage vor, dass Sie jetzt gehen. Ich werde einmal gründlich darüber nachdenken, wie ich die Angelegenheit löse und dann melde ich mich wieder bei Ihnen."
"Nun, das habe ich erwartet. Sie werden nächste Woche von mir hören und dann können wir weitersehen. Ich bin sicher, dass Sie eine Lösung finden."
Er schüttete den Rest des Kaffees in sich hinein, erhob sich und ging Richtung Tür.
Nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war erhob Sophia sich und sah dem Schnösel durch das Wohnzimmerfenster nach. Er stieg in seinen Wagen und kurz darauf fuhr er fort. In einem Thriller, dachte Sophia, würde das Auto beim Herumdrehen des Zündschlüssels in die Luft gehen. Damit wäre so ein Problem schnell erledigt. In diesem Moment fiel Sophias Blick auf den hölzernen und jüngst gestrichenen Zaun im Vorgarten und sie beschloss, dass das doch keine so gute Lösung sei – wahrscheinlich würde er durch die Explosion Schaden nehmen. Nein, es musste etwas anderes passieren.
Sie ging zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Freundin Emma.
"Hallo Emma, bist du's? ... Ja, ich brauche dich hier, kannst du vorbei kommen? ... Was? ... Nein, es geht nicht um Frank. Also nicht so, wie du jetzt denkst ... Komm einfach vorbei, ich kann das nicht am Telefon erzählen ..."
Emma, sah etwas verstört den Telefonhörer an. Ja, sicher war Sophia jetzt Witwe und die Beerdigung war auch nicht so toll gewesen. Aber nun war er ja tot und das war auch gut so. Warum Sophia jetzt auf trauernde Witwe mimte, war ihr schleierhaft. Da musste etwas anderes dahinter stecken. Sie legte den Hörer in die Schale und beschloss der Sache auf den Grund zu gehen. Also los! Auf zu Sophia!
10 Minuten später stand sie vor Sophias Haustür und klingelte. Es dauerte nicht lange und Sophia öffnete.
"Was ist denn nun los?", drängte Emma.
Sophia ließ die Freundin herein und nachdem sie sich in der Küche gesetzt hatten berichtete Sophia.
"Ich fasse es nicht!", entfuhr es Emma. "Was willst du tun? Weißt du schon, um wen es geht? Und dass Frank so etwas gemacht hat…"
Читать дальше