»Da habe ich mich gehauen«, sagt Martha, weiß geworden. Sie betrachtet zweifelnd, mit zitternder Lippe die Hand, die nur noch Blut ist.
Er macht einen Schritt zu ihr. »Warum haust du nach Feierabend Holz? Kann ich das nicht tun?«
»Laß! Laß!« ruft sie und springt gegen die Kammer. »Ich verbinde mich schon.«
Dann sitzen sie beim Abendessen. Wilhelm sieht immer auf die weiß umwickelte Hand. »Mit dem Buddeln ist es nun vorbei. Schade, wir hätten das Geld brauchen können.« Nach einer Weile: »Und der Ring? Hast du ihn abgetan?«
Martha lacht. »Der sitzt! Der geht nicht runter. Der bleibt. Fühle mal!« Und sie führt seine Finger über den dicken Verband.
3
Das Ehepaar Utesch schlief. Frau Utesch wanderte durch die Räume des Traums, geheimnisvoll geführt von einem, den sie nicht sah, vor dem ihr doch angst war. Plötzlich war der Führer verschwunden, sie fühlte ihn nicht mehr, allein stand sie in einer purpurfarbenen Röte, und ihre Angst wuchs.
Plötzlich hörte sie eine Stimme schreien, wilde, ungefüge Schreie in das Nichts rufen. Zuckend zog sich die Welt zusammen. Gegen den Schein der Morgenröte blinkte die erste Hacke, das Kartoffelkraut triefte naß, auf einem Wagen tobte Wrede und schrie.
Frau Martha war wach. »Der hat den Ring! Der!« flüsterte sie und lauschte in die Nacht, ob sie die schreiende Stimme noch höre. Alles war still. Aber die schwarze Stille schwoll und schwoll, die Stille rief und rief.
Martha Utesch stand auf, an der Tür lauschte sie noch einmal zurück zu dem schlafenden Mann, auf der schweigenden Dorfstraße stand sie, schlug den Weg zum Gute ein.
»Der hat den Ring! Der!«
Seltsamer Weg durch die Nacht, die ohne Stern ist! Die Telegrafendrähte summen, sie summen nur eine Melodie. Fährt der Wind in schon herbstlich raschelnde Blätter, rascheln sie nur die Worte: »Der hat den Ring! Der!« Einer geht vor ihr, den sie nicht sieht, der sie doch führt, vor dem ihr angst ist.
Plötzlich sieht sie den alten Zülkenhäger Schäfer. Er bespricht den Ring, er legt seine altersfleckige Hand, die gekrümmt ist, auf sie. »Diesem Ring gehört dein Leib. Bewahrst du ihn, bewahrst du dich. Gibst du ihn fort, gibst du dich fort.«
Und wieder der Wind und das Drähtesummen in der Nachtschwärze.
4
Auch Wrede schläft nicht. Er hat den Ring geputzt, er hat den Stempel untersucht, er denkt daran, wie er seinen Fund wird am besten verkaufen können. Ihn an einen Freund zu schicken wäre zu gefährlich, die Postdamen sind neugierig, alles wäre entdeckt. Und in eine Stadt fahren, selbst wenn er Urlaub bekäme, ist zu teuer.
Jedenfalls, nun hat er ihn. Er läßt das Licht der Taschenlampe aufblitzen, der rötlich gelbe Schein des Dukatengoldes erglänzt sanft, gegen den Marmor des Nachttischs schlägt er den Ring und hört mit Entzücken den weichen hellen Klang, den nur Gold hat.
Auch er beginnt zu träumen. Diese wenigen Gramm Gold im Werte von dreißig, vierzig Mark scheinen der Schlüssel zu sein zu allen Toren der Welt. Er sieht sich weit fort von hier, in Berlin fährt sein Auto vor dem besten Hotel vor, der Portier grüßt würdig, die Kellner knicken. Er steht im Hotelzimmer, hier türmt sich schon sein Gepäck, in die weiten Ledersessel ist alles Bunte von Weiberkleidern gegossen, ein Mixer bereitet Getränke, der Raum ist voll wie ein Vogelhaus von Weibergeschrei und Gelächter. Jemand klopft.
Jemand klopft ...
Wrede fährt auf. Der Ring entfällt ihm, der Ring rollt, rollt, dreht sich klingend irgendwo im Dunkeln, ist still. Noch einmal ein Klang, ist still. »Wer ist denn da?« Klopfen gegen die Scheibe. »Wer ist denn da?« Nichts. Wieder Klopfen. Angst befällt ihn. Sind die Wachtmeister schon da? Mit zitternder Stimme fragt er: »Sind Sie das, Hofmeister? Ist etwas krank im Stall?«
Eine Stimme ruft verklingend: »Ich!«
Er steht lauschend. Plötzlich begreift er, er reißt das Fenster auf, er schreit: »Wer ist ich? Was ist ich? Alle sind ich. So ein Blödsinn!«
Die bebende Stimme: »Geben Sie mir meinen Ring wieder, Herr Wrede. Bitte.«
»Wer ist denn das? Ist das die Marie? Mädel laß mich schlafen. Jetzt ist nicht Mai, nicht einmal die Katzen haben jetzt Raunzzeit.«
»Bitte geben Sie mir meinen Ring wieder, Herr Wrede.«
»Aber – nein, wahrhaftig, das ist die Martha Utesch! Na, Martha, ist denn da dein Wilhelm mit einverstanden, daß du nachts an fremde Fenster gehst?«
»Geben Sie mir meinen Ring wieder. Es wird nicht gut sonst, Herr Wrede.«
»Wenn's denn sein muß, Martha. Hopp, ein Bein aufs Fensterbrett. Ich zieh dich hoch. Nur nicht zipp, Martha.«
Seine schweißnassen Finger tasten blind nach dem bleich geahnten Gesicht, er fühlt es, er fühlt die Wärme der Schulter, der Brust. »Komm, Martha!«
Stille. Lange Stille. Dann ganz leise: »Ich will kommen, wenn Sie mir meinen Ring wiedergeben, Herr Wrede.«
Auch er bleibt lange still. Dann polternd, mit einer Anstrengung: »Laß jetzt mit dem Quatsch nach. Entweder oder. Ich schmeiße das Fenster zu.«
»Ich gebe Ihnen fünfzig Mark für den Ring. Ich kaufe ihn Ihnen ab.«
Ganz rasch: »Hast du es da, das Geld?«
»Nur zwanzig. Das andere bringe ich nächste Woche.«
»Gib!«
»Erst den Ring.«
»Gib!«
»Hier ...«
Er fühlt den Schein, er nimmt ihn. Er lacht auf: »Sone verrückten Weiber! Nun zahlen sie mir schon. Das geht über die Marie!«
Das Fenster fliegt zu. Verzweifelter Heimweg durch die Nacht.
5
Als die Nacht vergangen war, hatte sich Wrede dafür entschieden, alles nur geträumt zu haben. Fragte man ihn, er würde von nichts wissen. Er betrachtete, was ihm geschehen, sicher blieb, diese Frau war kein Aas, sondern weich. Und Butter soll man kneten. Wozu einen Ring verkaufen, den man behalten konnte? Sie sollte ihr bißchen Geld wie Wasser aus dem Leibe schwitzen!
Trotzdem beunruhigte es ihn, daß er Martha Utesch nicht auf dem Kartoffelacker sah. Warum war sie zu Haus geblieben? Hatte sie mit ihrem Mann geredet? Oder fürchtete sie sich? Gleichviel, er blieb entschlossen, seinen Griff nicht locker werden zu lassen. Kam sie nicht, ging er zu ihr, die Abende waren lang und dunkel. Das Aufblitzen ihres Ringes würde sie hinlocken, wohin er wollte.
Da horchte er auf. Auch die Buddler sprachen von Martha Utesch. Man wußte schon, warum sie fehlte. Über Nacht war sie von Haus fortgewesen, ihr Mann war erwacht, das Bett an seiner Seite fand er leer. Er hatte auf sie gewartet. Der Streit zwischen der Heimkommenden und dem Wartenden war laut geworden, hatten die in ihrem Morgenschlaf gestörten Nachbarn die Worte nicht gehört, die man gewechselt hatte, so waren sie doch nicht zu ungelenk, welche zu erfinden. Jedenfalls war sicher, daß selbst der Mann schon gemerkt hatte, daß seine Frau mit dem jungen Nagel aus dem Grunde ging. Sie hatte nicht sagen wollen, wo sie gewesen, aber das konnte selbst solch verliebten Ehekater nicht dumm machen. Hatte sich nicht der junge Nagel schon vor ihrer Hochzeit mit ihr abgegeben? Der Mann hätte sie nur ordentlich prügeln sollen, aber heute waren die Männer ja viel zu schlapp. Ordentlich Keile für eine Frau, das war grade, was sich gehörte.
Auch Wrede bedauerte, daß es nicht zu Schlägen gekommen war. Hätte der Mann doch schließlich nur für ihn seine Frau mürbe geschlagen. Je unmöglicher die Verhältnisse wurden, um so höher würde der Preis sein, der für diesen Ring zu erzielen war. Und schließlich war es noch gar nicht sicher, daß, gab man ihn wirklich her, die Frau ihn bekam. Vielleicht war der Mann der bessere Käufer. Konnte man den Ring nicht von Nagel aus dem Grunde haben? Und hatte man den Kies, so haute man in den Sack und war fort. Mochten sich die andern die Schädel zerschlagen, es war nicht schwer, sich auszurechnen, daß die meisten Schläge auf die Frau fallen würden.
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