July Johnson
Der Leichenfang
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Inhaltsverzeichnis
Titel July Johnson Der Leichenfang Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Impressum neobooks
Widmung
Ich möchte dieses Buch meinem Mann und meiner Tochter widmen, die während der Erstellung in den letzten Jahren sehr viel Geduld mit mir hatten und vor allem meinem Mann, der während dieser Zeit auch viele Launen ertragen musste.
Sanft rauschten die Wellen an den Ostseestrand, die Sonne stieg leuchtend am Horizont empor und die ersten Möwen zogen ihre Kreise über den kleinen Fischerbooten, die nun unweit der Küste Richtung Heimat schipperten. Noch lag Boiensdorf in tiefer Ruhe, doch schon bald würde dieses malerische und idyllische kleine Fischerdörfchen von Touristen beherrscht werden, die emsig hin und her fuhren, sei es mit dem Auto oder mit dem Rad. Spätestens in zwei Stunden wäre die Ruhe am Strand vorbei und so entschloss sich Tamara, eine junge Frau aus Wismar, die sich hier an diesem malerischen Strand ein kleines Haus gekauft hatte, jetzt noch einen Spaziergang zu machen, solange sie noch für sich alleine war. Tamara Siewert war gerade dreißig Jahre jung und sie liebte das Alleinsein. Sie war Autorin und hatte sich auch genau aus diesem Grund das kleine Häuschen gekauft, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Hier in der Ruhe und der Abgeschiedenheit konnte sie stundenlang ihren Gedanken nachhängen und in aller Ruhe schreiben. Der Erfolg gab ihr Recht, seit sie hier draußen war, hatte sie bereits drei Romane veröffentlicht, die allesamt in den Bestsellerlisten weit oben zu finden waren.
Tamara stieß einen leisen Pfiff aus und schon war Finja an ihrer Seite, ihre weiße Schäferhündin, die sie immer auf Schritt und Tritt begleitete. Sie gingen durch den kleinen Heckenweg, der Tamaras Stück Strand vom Touristenstrom trennte und dann immer am Wasser entlang bis sie an eine seichte Stelle kamen. Hier war Tamaras Lieblingsplatz, hier konnte sie die Seele baumeln lassen, ihren Gedanken nachhängen und einfach auftanken. Und während Finja sich im Wasser tummelte, setzte sich Tamara auf einen umgestürzten Baumstamm, sie ließ ihre Füße ins Wasser hängen und schloss die Augen. Tief atmete sie die klare Morgenluft, diese Stille war einfach herrlich. Sie kam oft hierher, hier konnte sie ihren Erinnerungen an die Zeit nachhängen, als ihre Eltern noch lebten, sie konnte neue Inspirationen sammeln, wenn sie bei einem ihrer Romane mal nicht weiter kam und hier kamen ihr die besten Ideen für ihre Romanfiguren. Sie liebte diesen Platz nicht nur wegen seiner abgeschiedenen und versteckten Lage, auch konnte sie von hier aus ungestört die Touristen am unteren Strand beobachten, was ihr jedes Mal eine große Freude bereitete. Nicht selten kreierte sie hier neue Figuren und Helden für ihre Romane und Kurzgeschichten, auch unzählige Gedichte sind hier entstanden.
Auch in diesem Augenblick dachte sie an ihr neues Buch, sie war sich noch nicht sicher wie sie es schreiben sollte, immerhin, sie hatte zwar eine grobe Handlungsbeschreibung entworfen, doch war sie auch hier noch nicht wirklich sicher, ob ihr diese gefallen sollte oder nicht.
In der Ferne sah sie ein kleines Fischerboot, das gerade ein Netz einholte. So wie sich die Männer an Bord abmühten, musste es ein ganz besonders guter Fang sein und sie freute sich für den Fischer. Als das Netz an Bord war, brach plötzlich hektisches Treiben aus, Schreie drangen aus der Ferne zu ihr herüber, ohne dass sie etwas davon verstehen konnte.
Finja hatte ihre Wasserrunde beendet und so setzen die beiden ihren Weg fort, immer am Strand entlang, bis hin zum Campingplatz. Da Tamara immer noch keine Idee gekommen war, beschloss sie, am Nachmittag noch einmal hierher zurück zu kommen, wenn die Urlauber sich am Strand tummelten. Sie liebte es, den Menschen zuzuschauen, ihre Charaktere zu studieren und unheimlicher weise konnte sie immer genau vorhersagen, was als nächstes passieren würde, was die Leute sagen, wie sie reagieren würden und was sie absolut nicht mögen. Diese Gabe brachte ihr viel Bewunderung ein, vor allem von einem ihrer Freunde, Thorben, der als Polizist im nahe gelegenen Wismar arbeitete. Wie oft schon hatte er den einen oder anderen Fall mit ihr besprochen, wenn er und seine Kollegen absolut im Dunklen tappten. Des Öfteren schon wurde sie von der Polizei offiziell als Beraterin hinzugezogen, wenn sie sich gar zu sehr und zu lange im Kreise drehten. Sie bewunderten die Frau für ihre Gabe, Verbindungen zu sehen, die im Grunde genommen offensichtlich waren und doch im Verborgenen lagen. Natürlich zog die junge Frau auch hierbei ihren Nutzen, denn so bekam sie unzählige Inspirationen für ihre Geschichten und alle ihre Werke enthielten irgendwo ein Stück der hiesigen Polizeiarbeit. Oft saß sie nächtelang mit Thorben am Strand und sie sprachen über Fälle, über Verbrecher im Allgemeinen und ihre Figuren im Besonderen.
Tamara war bereits an der letzten Kurve vor dem unteren Strand angekommen, Finja trottete wie immer brav neben ihr her, als sie in der Ferne das Heulen von Sirenen vernahm. Sie blieb stehen und lauschte angespannt. Es war definitiv ein Polizeifahrzeug und es fuhr unverkennbar mit hohem Tempo in ihre Richtung. Sie ging weiter und als sie die Kurve hinter sich hatte, sah sie am Strand das kleine Fischerboot, welches vorher noch so weit vor der Küste lag. Sie wunderte sich, warum sie so schnell wieder zurückgekehrt waren, schließlich lief dieses Boot normalerweise frühestens in einer Stunde ein, um dann den frischen Fisch direkt vom Boot aus an die Touristen zu verkaufen. Das Boot gehörte einem alten Freund von ihr, Henning. Er war ein Fischer wie aus dem Märchenbuch, seine feste Gestalt und sein zerzauster Bart passten perfekt zu seinem wettergegerbten und vernarbten Gesicht. Henning hatte ihr schon oft geholfen, vor allem nach dem Tod ihrer Eltern war er ihr eine große Hilfe. Ihm hatte sie ihr Häuschen zu verdanken und ihm hatte sie es auch zu verdanken, dass sie mit dem Schreiben begonnen hatte. Wie oft schon war sie mit ihm hinausgefahren, wenn ihr jede Inspiration fehlte oder sie einfach nur mal komplett abschalten und zur Ruhe kommen wollte.
Normalerweise konnte diesen alten Seebären nichts aus der Ruhe bringen, doch nun herrschte hektisches Treiben auf und vor dem Boot und allen stand irgendwie die Angst ins Gesicht geschrieben. Sie sah, wie Henning sich am Bug abstützen musste, um vom Boot zu kommen, er zitterte und sein sonst so braunes Gesicht wirkte weiß. Tamara begann zu laufen, quer über die Salzwiesen, die eigentlich Naturschutzgebiet waren und nicht betreten werden durften. Sie hastete über die Wiesen, nur noch wenige Meter und sie war am Strand. Sie stürmte die letzten Meter bis zum Boot.
„Henning, um Gottes Willen, was ist denn passiert? Was ist denn los? Was ist mit Dir?“
Henning starrte sie mit leerem Blick an und schüttelte nur den Kopf. Sie ließ ihre Blicke durch die Runde schweifen, seine drei Männer standen mit ebenso leerem Blick vor dem Boot und starrten auf einen scheinbar imaginären Punkt auf dem Boot. Einer weißer als der andere, sie schauten so unwirklich aus, das Tamara ein kalter Schauer den Rücken herunter lief. Die Sirenen kamen immer näher und unwillkürlich trat die junge Frau einen Schritt näher ans Boot heran und schaute auf das Netz, welches die Männer vorher so mühevoll an Bord geholt hatten. Vereinzelt zappelte noch der eine oder andere Fisch im Netz, doch das, was sich zwischen den Fischen ihren Blicken offenbarte, entlockte ihr einen kleinen Schrei. Sie sah nicht viel, doch was sie dort sah, das ließ ihr das Blut in den Adern stocken. Eine junge Frau lag dort im Netz, begraben unter einer Vielzahl von Fischen aus den anderen Netzen. Sie war übersät von Wunden und wenngleich kein Blut mehr zu sehen war, so erinnerte der Anblick mehr an eine Schlachtung, denn an einen gewöhnlichen Mord.
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