2.1 Das Prinzip „Eigen- vor Fremdanalyse“
Die Vorstufe jeder Organisations-Optimierung ist die Untersuchung und Beschreibung des aktuellen Status quo Ihrer Praxis-Strukturen und -Abläufe. Diesem Vorgehen kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu, da die meisten Problemlösungen in Praxen bekannt bzw. durch eine einfache Selbstanalyse identifizierbar sind, es fehlt jedoch an einem Vorgehen, das diese transparent macht. Grob eingeteilt lassen sie sich die Möglichkeiten, zu Verbesserungen der Praxisarbeit zu gelangen, wie folgt skizzieren:
mit Hilfe einer professionell angelegten Patientenbefragung können ca. 15% der möglichen
Verbesserungsansätze identifiziert werden,
eine Erhebung der Mitarbeiterinnen-Anregungen führt zu weiteren 40% an Optimierungsansätzen,
ein einfacher Best Practice-Vergleich des Praxismanagements ermittelt den Großteil der verbleibenden Ansätze.
Bestehen nach Durchlaufen dieses Prozedere und entsprechenden Veränderungen immer noch Organisations-Probleme, kann für deren Lösung gezielt auf externe Hilfe zurückgegriffen werden.
2.2 Die Patienten-Zufriedenheitsbefragung zur Organisation
Die erste Maßnahme zur Arbeits-Optimierung besteht in der Durchführung einer organisationsspezifischen Patientenbefragung, die Sie in der Folge jährlich wiederholen sollten. Der Fragebogen beinhaltet idealerweise drei offene Fragen zu den Stärken der Organisation aus Patientensicht, zu erlebten Ärgernissen und zu Veränderungs- / Verbesserungshinweisen. Erfahrungsgemäß erhält man bereits hierdurch einen breiten Fundus an Kritikpunkten und Vorschlägen, die helfen, Organisationsfehler zu reduzieren und Risiken zu minimieren. Hieran schließt sich eine Zufriedenheitsbefragung im Hinblick auf die Schlüsselmerkmale der Organisation an, u. a.
Öffnungszeiten
telefonische Erreichbarkeit
Schnelligkeit der Terminvergabe
Länge der Wartezeit an den verschiedenen Anlaufstellen der Praxis
Dauer des Arztgespräches
Verhältnis der Gesprächs- zur Wartezeit
Informationen zu Abläufen.
Besonders hilfreich ist es, neben der Zufriedenheit der Merkmale auch deren Wichtigkeit für die Patienten zu erfragen. Setzt man dann in der Auswertung die Zufriedenheit in eine prozentuale Relation zur Wichtigkeit, lässt sich der Grad der organisationsbezogenen Betreuungsqualität (Organizational Impact Score, OIS) bestimmen. Dieser Wert repräsentiert - im Gegensatz zu einer Schulnotenskalierung - die Zufriedenheit der Patienten eindeutig und vor allem realitätsbezogen. Gleichzeitig wird es möglich, die Dringlichkeit eines eigenen Handelns zu bestimmen:
Liegt der OIS über 80%, wird eine organisatorische Best Practice-Betreuungsqualität realisiert. Das ist der anzustrebende Ideal-Zustand, den aber nur wenige Praxen erreichen.
Zwischen 80% und 60% kennzeichnet der OIS eine weitgehend anforderungsgerechte Organisationsqualität, die Patientenkritik hält sich in engen Grenzen. Ihr kann in den meisten Fälle durch wenige Korrekturmaßnahmen begegnet werden.
Ein OIS im Intervall von 60% bis 40% indiziert eine grenzwertige Betreuungsqualität. In dieser Konstellation bezieht sich die Unzufriedenheit der Patienten auf eine Vielzahl verschiedener Aspekte. Werden keine Veränderungen vorgenommen, entwickelt sich eine Negativ-Spirale, die zu einem weiter sinkenden OIS führen kann.
Zwischen 40% und 0% charakterisiert der OIS eine unzureichende Betreuungsqualität, die Organisation ist aus Patientensicht indiskutabel und müsste von Grund auf neu entwickelt werden.
Die Berechnung des OIS ist äußerst einfach:
Für die Bewertung der Wichtigkeit / Zufriedenheit bieten Sie Ihren Patienten jeweils eine vierstufige Skalierung (sehr wichtig / zufrieden, wichtig / zufrieden, unwichtig / unzufrieden, vollkommen unwichtig / unzufrieden) an.
In der Auswertung ordnen Sie je Merkmal den Skalenstufen Punktwerte von „3“ bis „0“ zu, die dann mit der jeweiligen Nennungshäufigkeit multipliziert werden. Je Wichtigkeits- / Zufriedenheits-Skala können dann ein Mittelwert berechnet und in ein Verhältnis gesetzt werden.
Über alle Merkmale aggregiert ergibt sich der OIS.
Im Praxiseinsatz hat sich -neben der regelmäßigen Patientenbefragung - auch der Einsatz einer Fehler-Monitoringkartebewährt, die im Wartezimmer ausgelegt wird und lediglich die Frage enthält: „Gab es in Zusammenhang mit Ihrem heutigen Aufenthalt in unserer Praxis organisatorische Probleme? Wenn ja, welche?“. Die Nutzungsintensität hängt dabei davon ab, ob die Sammelbox für die Karte an einem diskreten Ort aufgestellt ist, an dem die Patienten die Karten unbeobachtet einwerfen können.
2.3 Die Organisations-SWOT-Analyse
In Ihrer Patientenbefragung erkunden Sie mittels der offenen Fragen die Stärken, Schwächen und Chancen Ihrer Praxisorganisation. Mit Hilfe der SWOT-Analyse setzen Sie diese Untersuchung intern fort. Die hierfür eingesetzte Analyse, die nach den Anfangsbuchstaben der Wörter „strength“ (Stärken), „weaknesses“ (Schwächen), „opportunities“ (Chancen) und „threats" (Bedrohungen) benannt ist, hilft dabei. Es handelt sich um ein einfaches Aufschreibeverfahren, bei dem Sie und - getrennt - Ihre Medizinischen Fachangestellten notieren, welche Punkte und Aspekte Ihrer Organisation unter die vier Rubriken fallen. Diese Analyse-Form bietet Ihnen die Möglichkeit, Ihre Arbeitsroutinen zu überdenken. Einerseits sind diese sehr hilfreich, denn sie entlasten und geben Sicherheit. Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr, dass man ihnen einfach folgt, ohne nacht rechts und links zu schauen. Ein solches Verhalten kann im Hinblick auf die Organisation dazu führen, dass vielleicht neu entstandene Stärken, behindernde Schwächen, aufkommende Bedrohungen und sich abzeichnende Chancen gar nicht gesehen werden.
In der einfachen Form schreiben Sie und Ihr Team zunächst in Stichwort-Form auf:
Stärken: Was funktioniert bei unserer Organisation sehr gut?
Schwächen: In welchen Bereichen, Verhaltensweisen, Regelungen liegen Probleme?
Chancen: Existieren konkrete Ansätze, die Organisation zu verbessern?
Risiken: Gibt es Faktoren, die sich zukünftig auf die Organisation negativ auswirken können oder Probleme, die sich bei Nichtbeseitigung schädlich auswirken.
Führen Sie anschließend die SWOT-Angaben mit den Resultaten der Patientenbefragung zusammen. So erhalten Sie fast automatisch einen aktuellen Organisations-Status mit einem ersten Aktionsplan.
Für größere Praxen mit vielen Mitarbeiterinnen empfiehlt sich eine differenzierte Erhebung der Parameter, denn bei einer Vielzahl von Nennungen kommt es darauf an, die von Ihnen ermittelten Ergebnisse in eine Rangordnung zu bringen. Deshalb werden hierbei mit Hilfe einer 4er Skalierung (sehr groß, groß, gering, sehr gering)
die Stärken zusätzlich nach ihrer Bedeutung für den Praxiserfolg und dem jeweils notwendigen Aufwand (Zeit, Geld, Fortbildung etc.) zur Aufrechterhaltung klassifiziert,
die Schwächen nach ihrem Schädigungspotential und der Möglichkeit einer Beseitigung systematisiert,
die Chancen nach ihrem potentiellem Nutzen für die Praxisarbeit und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eingeordnet
die Bedrohungen nach ihrem Schädigungspotential und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts klassifiziert.
Bislang haben Sie sich mit Meinungen, Einschätzungen und Ansichten zu Ihrer Organisation beschäftigt, nun geht es darum, die Arbeit in Ihrer Praxis konkret zu untersuchen. Das Instrument hierfür ist die Arbeitsanalyse. Neben ihrem konkreten Einsatz für Ihr Optimierungsziel ist es empfehlenswert, auch diese Untersuchung einmal jährlich vorzunehmen, um auf diese Weise die Effizienz des Arbeitsflusses zu erhöhen, denn erfahrungsgemäß schleichen sich immer wieder Verhaltensweisen und Regelungen ein, die den Arbeitsablauf hemmen, ohne dass es von den Beteiligten registriert wird.
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