Camillo Schaefer
Adler von Österreich
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Inhaltsverzeichnis
Titel Camillo Schaefer Adler von Österreich Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsangabe
Prolog:
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
Epilog:
Impressum neobooks
Ein Maximum an Material zur politischen Zeitsatire gestaltend, wird – frei nach dem Diktum, die Wahrheit nachzubilden sei gut, aber sie zu erfinden noch besser – der historische Hintergrund hier dazu benutzt, mittels Anspielungen, Anachronismen und Zitaten tatsächliche Vorgänge zu illustrieren, wobei Parallelen zur Gegenwart keinesfalls Zufall sind, sondern vorhandene Analogien – ohne Rücksicht auf politische Korrektheit – durchaus bestätigen sollen.
Eine fiktive Biographie kreuzt die Wege authentischer Politik: Sich als patriotischer Journalist den Weg ebnend, wird der junge Arpad Papp zum Vertrauten des schillernden k. u. k. Außenministers Graf Andrássy. Wie schon Caesar, neiden dessen Feinde ihm seine Erfolge seiner Erfolge wegen.
Doch der ehemalige ungarische Rebellen-Graf betreibt eine verdeckte Expansionspolitik – an langer Hand vorgeplant, strebt er, zu diesem Zweck mit Deutschland und Russland verbündet, nichtsdestoweniger als die >Besitznahme der türkischen Provinzen< Bosnien-Herzegowina an.
Durch die Auseinandersetzungen seiner ethnisch-religiösen Gruppierungen sowie des sichtbaren Zerfalls des Osmanischen Reiches bedingt, schon im 19. Jh. ein Hort evidenter Konfliktaustragung, entzündet die Besitzfrage der instabilen Regionen die schwelende Rivalität der um Vorherrschaft bemühten europäischen Großmächte. Um - auf Umwegen - Zugriff auf diese Länder zu erlangen, sichert Andrássys Geheimabkommen dem Zaren sogar freie Hand für dessen geplanten Krieg gegen die Türkei zu – allen Abmachungen entgegen, zeigt St. Petersburg sich jedoch nicht gewillt, seine Siegesbeute zu teilen. Dennoch gewinnt Andrássy letztlich das diplomatische Tauziehen: Der Berliner Kongress gewährt Österreich-Ungarn ein offizielles Mandat zur Besetzung Bosnien-Herzegowinas.
Anstatt zu einem Triumphzug am Höhepunkt seiner Macht, entwickelt der Einmarsch sich aber zu einem horriblen Okkupationskrieg mit den Aufständischen. Auch der seinem Mentor blind ergebene Papp, gerät ins Schussfeld von Andrássys Gegnern. Zur politischen Bürde geworden, zwingt Andrássys gelungener diplomatischer Coup, ihn schließlich zu demissionieren.
Historischer Hintergrund:
Von den regierenden Kreisen Österreich-Ungarns zunächst noch als leichte Beute ihrer Prestigepolitik gehalten, wurde die Besitznahme Bosnien-Herzegowinas zur wesentlichen Etappe an Kriegs auslösenden Spannungen in Europa. Bis in unsere Zeit wiederholter Brennpunkt politischen Geschehens, drängte die Okkupation - und spätere Annexion- Bosnien- Herzegowinas die konservative Habsburgermonarchie zuletzt in jenen verhängnisvollen Kollisionskurs, der sie faktisch dem Mittelpunkt der gesamteuropäischen Krise des 20. Jahrhunderts entgegenführte, aus der später die dramatische Wende zum Ersten Weltkrieg entstand.
„Was ist unschuldig, heilig, menschlich gut.
Wenn es der Kampf nicht ist ums Vaterland?“
Schiller, Jungrau II, 10
„Ich stelle das Vaterland über meine Person.“
Bismarck, 28. März 1874
„Ein Wahrzeichen nur gilt: das Vaterland zu erretten.“
Homer, Ilias XII, 243
Prolog:
WENN DIE WELTORDNUNG AUS DEN FUGEN GERÄT, KOLLABIEREN DIE ALTEN ELITEN
Es war die beste bisher denkbarste Zeit und es war die denkbar schlechteste Zeit – eine Ära höchster Erkenntnis und größter Verdummung, eine Epoche des Anfangs und Endes, des dicksten Luxus und Überflusses, des tiefsten Elends und unglaublichsten Fortschritts, der ausgesucht klügsten Köpfe und größten Spiegelfechter. Kurzum, die Zeit, in der der Verstand sich laufend halbierte, war der gegenwärtigen ziemlich gleich. Wir halten im Jahr des Herrn 1873. –
Europa, das seinen Kolonialbestand in Übersee ständig zu vergrößern verlangte, lag mit sich selbst in immerwährenden, eifersüchtigen Streit. Während die Mächtigen in den Ländern des Kontinents versicherten, dass alles zum Besten gediehe, drang aus den Tiefen der geknebelten Massen nur ein dumpfes Murren hervor. Der wackere englische Marineleutnant Verney Lovett Cameron unternahm erstmals den Versuch, Afrika auf seinem 3000-Meilen-Marsch von Osten nach Westen zu durchqueren. Seinen Namen neben so berühmte Vorgänger wie Livingstone, Speke, Mungo Park und Heinrich Barth setzend, schickte er sich soeben in höllischer Hitze an, über Sansibar in den unerforschten Schwarzen Kontinent vorzudringen, wo jenseits des Landes der menschenfressenden Stämme die geheimnisvolle Terra incognita anfing.
Im nebeligen London heizte Fanny Janauschek, eine aus Prag gebürtige, überaus knusprige, korsettgeschnürte Demoiselle, die auf Cameron wohl ein kokettes Auge geworfen hätte, inzwischen dem ewig fröstelnden Theaterpublikum ein. Als erste fremdländische Mimin, die erfolgreich die Vereinigten Staaten bereist hatte, war sie, sich virtuos die fremde Sprache aneignend, raketenartig zur am meisten gefeierten englischen Schauspielerin ihrer Zeit aufgestiegen. Darüber hinaus galt sie als mindestens ebenso scharfgeladen, wie die neueste englische 81-Tonnen-Kanone; das schwerste Geschütz der Welt, übertraf die Geschoßwirkung dieser Wunderwaffe alleine die Kruppsche 35,5 Centimer-Kanone. Im sonnigen Mittelitalien hatte das nunmehrige Königreich sich die Ländereien des ehemaligen Kirchenstaates einverleibt. Der Papst, dem nur noch der Besitz des Vatikans, des Laterans sowie seiner Villa Castelgandolfo verblieb, erhielt als Äquivalent dafür die jährliche Dotation von über drei Millionen Lire – das Einkommen tausender italienischer Handarbeiter. Sozusagen zum bescheidenen Trost, bescheinigte das Vatikanische Konzil dem Statthalter Christi gleichzeitig seine Infallibilität (Unfehlbarkeit) in sämtlichen Glaubensfragen. Die dahinsiechende Stahlproduktion Frankreichs, das in wütenden Revanchegelüsten über seine blamable Niederlage bei Sedan, dem Fall von Paris, dem Verlust Elsaß-Lothringens sowie über die deutsche Reichsgründung im Spiegelsaal von Versailles schwelgte, zog nach dem frustrierenden Kriegsverlauf, wieder zufriedenstellend an. In Österreich-Ungarn, respektive der viel besungenen Donaumetropole Wien, ging die Regentschaft Kaiser Franz Josephs I. bereits ins fünfundzwanzigste Jahr. Neben seiner außergewöhnlichen, von grauen Fäden durchzogenen Barttracht und einer Stirnglatze, besaß der Monarch den ratenden Blick eines Menschen, der Worte vernimmt, ohne sie verstehen zu können und sprach mitunter so leise, wie es Leute, die mit innerer Spannung eine Katastrophe erwarten, dies meistens zu tun pflegen.
Gleichsam hors concours (außer Wettbewerb) wanderten, mit nichts als ihrem Unglück beladen, einige zehntausend, bettelarme, scheel angesehene orthodoxe Juden, den Ostrand des Reiches verlassend - Sinnbild eines riesigen, sich schier unendlich ausbreitenden Elends -, in die Haupt- und Residenzstadt ein.
Karl Lueger, nachmals christlich-sozialer Groß-Bürgermeister von Wien, dümpelte zwar vorläufig noch im historischen Dunkel umher, doch ein klerikal-konservatives, einem Grafen gehörendes Presseorgan behauptete nichtsdestoweniger, als dass die unerwünschten Kaftan-Träger den Wüstensand zwischen ihren Zehen aufwirbelten, der die Stadt zu überschwemmen begänne.
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