Die österreichische Kinderbibliothek
Pädagogische Arbeitsblätter zu diesem Titel downloadbar auf
www.obelisk-verlag.at
Saskia Hula
Mit Farbbildern
von Eva Muszynski
Redaktion der ClubTaschenbuchreihe:
Kai Aline Hula
Umschlaggestaltung: Carola Holland
Lektorat: Inge Auböck
Gesetzt nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung
© 2022 Taschenbuchausgabe by Obelisk Verlag, Innsbruck – Wien
Erstmals erschienen by mixtvision Verlag, München 2013
Druck und Bindung: Finidr, s.r.o., Český Těšín, Tschechien
ISBN 978-3-99128-018-7
eISBN 978-3-99128-068-2
Kapitel 1.
Kapitel 2.
Kapitel 3.
Kapitel 4.
Kapitel 5.
Kapitel 6.
Kapitel 7.
Kapitel 8.
Kapitel 9.
Nuno-Leserätsel
Die Autorin
Die Illustratorin
Es ist Samstag.
Der erste von diesen neuen, blöden Samstagen.
Nuno sitzt auf der Kiste mit den Spielen und wartet auf das große Auto.
Rechts von ihm stehen der große Koffer, der kleine Koffer, die Reisetasche und die Matratze. Links von ihm stehen der Rucksack, die Schultasche, die Bücherkiste und das Katzenklo.
Hinter ihm liegen das Schlauchboot, die Gitarre, die Ski und die Skischuhe.
Vor ihm sitzt Vincent in seinem Transportkorb, kratzt an den Gitterstäben und miaut. Vincent hasst den Transportkorb, aber da kann Nuno jetzt leider auch nichts machen.
„Bist du fertig?“, ruft die Mama von draußen.
Nuno sagt nichts. Er schaut die leere Wand an, an der gerade noch alle seine Bilder gehangen sind. Die Babyfotos, das Dinosaurierplakat, der Katzenkalender, die Fußballposter.
Die leere Wand sieht scheußlich aus.
Das ganze leere Zimmer sieht scheußlich aus. Hier will wirklich keiner mehr wohnen.
Gut, dass das große Auto bald kommt.
Die Mama reißt die Tür auf.
„Was ist denn hier los?“
Mit großen Augen starrt sie auf Nuno und seine Sachen.
Nuno räuspert sich.
„Ist der Papa schon da?“, fragt er. „Mit dem großen Auto?“
Die Mama schnappt nach Luft.
„Das willst du doch nicht alles mitnehmen!“, ruft sie.
„Doch“, sagt Nuno. „Natürlich. Alle meine Sachen.“
„Aber die Matratze kannst du doch hier lassen. Der Papa hat sicher eine eigene Matratze für dich.“
Nuno zuckt mit den Schultern.
„Die Ski?“, ruft die Mama. „Wo willst du denn jetzt Ski fahren? Es ist September!“
„Trotzdem“, sagt Nuno und drückt seinen Kuschelfuchs an sich.
„Aber das Schlauchboot! Das kannst du doch hier lassen. Das brauchst du erst nächsten Sommer wieder. Und überhaupt: Hat es nicht ein Loch?“
„Eben“, sagt Nuno. „Dann kann es der Papa gleich flicken.“
Die Mama schüttelt den Kopf.
„Und Vincent? Du kannst doch Vincent nicht mitnehmen. Du weißt genau, wie sehr er den Transportkorb hasst. Und fremde Umgebungen.“
„Er wird sich schon umstellen“, sagt Nuno und betrachtet seine Sachen angestrengt. Sicher wird es ewig dauern, bis sie das alles die drei Stockwerke hinunter getragen und im großen Auto verstaut haben. Hoffentlich hat der Papa wenigstens einen Aufzug.
Kurz darauf steckt der Papa den Kopf ins Zimmer.
Als er die vielen Sachen rund um Nuno sieht, schluckt er.
„Bist du ganz sicher, dass du das alles brauchst?“, fragt er.
Nuno nickt.
„Das ist doch völliger Quatsch!“, ruft die Mama. „Es geht doch nur um eine einzige Woche!“
Der Papa zieht die Augenbrauen hoch.
„Aber um eine Woche, in der Nuno sich wohlfühlen soll“, sagt er. „Und wenn er meint, dass er dafür alle seine Sachen braucht, dann nehmen wir eben alle seine Sachen mit.“
Er hebt den großen Koffer hoch.
„Oje“, ächzt er. „Was hast du denn da drin? Die Bausteine?“
„Und die Waage mit den Gewichten und die Steinesammlung.“
Der Papa seufzt. Dann nimmt er die Reisetasche in die andere Hand und schleppt Koffer und Tasche aus dem Zimmer.
Nuno hängt sich die Schultasche um und geht hinterher.
Papas neue Wohnung ist ziemlich leer.
Nunos neues Zimmer ist ganz leer.
Noch viel, viel leerer als sein altes Zimmer, obwohl man sich das kaum vorstellen kann.
„Eigentlich hättest du auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen können“, sagt der Papa und betrachtet die Matratze ein bisschen ratlos. „Jedenfalls bis wir ein Bett für dich gekauft haben.“
Na toll, denkt Nuno. Wer will schon auf einem Sofa schlafen?
Er öffnet die Tür von Vincents Katzenkorb.
Doch Vincent denkt gar nicht daran, herauszukommen. Er sitzt ganz hinten im Transportkorb und drückt sich mit leuchtenden Augen an die Wand. Vielleicht hält er diesen ganzen Umzug ja für einen Irrtum. Das könnte man ihm wirklich nicht übel nehmen.
Nuno holt die Bilder aus der Reisetasche. Die Babyfotos, das Dinosaurierplakat, die Fußballposter und den Katzenkalender. Sie sind jetzt schon ziemlich zerdrückt. Besonders gut wird ihnen das viele Umziehen nicht tun.
„Ich brauche einen Hammer!“, ruft Nuno. „Und Nägel.“
Der Papa klappert in der Küche herum.
„Hat das nicht noch Zeit?“, ruft er. „Ich mache gerade Milchreis.“
Aber es hat eben keine Zeit. Deshalb macht sich Nuno allein auf die Suche nach Hammer und Nägeln.
Er zieht sämtliche Schubladen auf, die er findet. Aber die Schubladen sind alle leer.
„Tut mir leid“, ruft der Papa, „ich bin noch nicht ganz eingerichtet.“
„Dann fragen wir eben nebenan“, sagt Nuno. „So wie zu Hause.“
„Zu Hause ist das etwas Anderes“, sagt der Papa. „Und überhaupt ist das jetzt unser Zuhause. Meines sowieso. Und deines auch, für jede zweite Woche.“
Aber Nuno steht schon im Gang und läutet an der Nachbartür. Eine alte Frau mit dünnen Haaren macht ihm auf. Sie trägt einen gelben Bademantel und ist so klein und bucklig, dass sie unter der Türkette hervorschaut.
„Was?“, ruft sie.
„Guten Tag“, sagt Nuno.
„Ich spende nichts“, sagt die Frau. „Nicht für Blinde, nicht für Kinder, nicht für Rettungshunde und auch für sonst niemanden.“
Sie will die Tür gleich wieder schließen.
„Ich brauche nur einen Hammer“, sagt Nuno schnell. „Und vier Nägel.“
„Ich habe doch gesagt, dass ich nichts spende“, sagt die Frau. „Kein Geld, und schon gar kein Werkzeug. Das wird ja immer unverschämter.“
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