Wir hatten jeder einen neuen Song geschrieben, den wir aufnehmen wollten. Martin „What You Mean To Me“, Sebastian „Waiting for You“ und ich „Inside My Head“. Bei „Inside My Head“ offenbarte sich die hohe musikalische Qualität von „Mask 4 Fun“. Ich spielte den Titel den anderen vor der Mittagspause zum allerersten Mal vor. Vor allem der Refrain ist harmonisch ziemlich anspruchsvoll. Direkt nach der Mittagspause nahmen wir das Playback inklusive Gitarrensolo auf! Weniger erfreulich war der Text. Der offenbart nämlich, wie verkorkst ich damals war. Ich ermutige darin meine neugewonnene Freundin, dass es okay wäre, wenn sie mich verließe. Weil sie auch dann „in meinem Kopf“ bleiben würde. Natürlich kam es wenige Monate später dann auch genauso.
Als wir ein Paar wurden, hatte sie mir ein kleines Hufeisen geschenkt, das mittels Sekundenkleber auf meinem Keyboard einen Platz für die Ewigkeit bekommen sollte. Beim Aufkleben meldete Martin zaghafte Bedenken an, ob ich mir Gedanken darüber gemacht hätte, wie ich es jemals wieder abbekommen würde. Mit dieser Fragestellung konnte ich nichts anfangen. Nachdem Jun mit mir Schluss gemacht hatte, nahm ich einen Schraubenzieher und hieb mit roher Gewalt auf mein Instrument ein. Damit verschwand das Plastikhufeisen in lauter kleinen Teilen, die durch den Übungsraum schossen, wieder aus meinem Leben. An seine Existenz erinnerten nur noch die Reste des Klebers, die ich nicht abbekam. Eigentlich war die Trennung ein Glücksfall. Denn zum einen sollte ich bald meine zukünftige Ehefrau kennenlernen und zum anderen schrie ich mir den Kummer in einem Song von der Seele, über den Martin 2008 folgendes schrieb...
„Eine der geilsten Aufnahmesessions aller Zeiten. Klaus’ Song „Baby“ ist für mich einer der besten M4F-Titel schlechthin und die Sessions zu diesem Klassiker von der Kassette „Until Now“ eine meiner besten Erinnerungen an die Zeit. Schon beim ersten Mal, als Klaus uns das Stück vorsang und -spielte, waren wir alle begeistert und scharf darauf, die Nummer zu proben und aufzunehmen. Harmoniegesang war für uns schon immer wichtig und ein Punkt, an dem wir immer besonders gefeilt haben. Bei „Baby“ klappte die Zusammenarbeit so gut wie selten zuvor und selten danach. Wir hatten zu der Zeit (Frühjahr 1985) unseren Probenraum im Pförtnerhäuschen einer ausgedienten Werft in der Nähe vom Berliner Platz. Das Klo ließ sich nicht spülen, aber dafür bekam man einen tollen Hall, wenn man beim Proben die Tür zur alten Werkshalle offen ließ.
Die Aufnahme entstand also in besagtem Probenraum im sogenannten Ping-Pong-Verfahren. Zuerst nahmen wir live (!) den instrumentalen Hintergrund – den sogenannten Backing Track – auf. Ich konnte den anderen meine Idee von einer frühen beatlesartigen Aufnahme verkaufen, also nahmen wir bewusst alle Instrumente auf einem Kanal des Stereobildes auf, während der andere Kanal den Stimmen und allem Hall vorbehalten war. Klaus knallte beherzt in die Tasten des Yamaha PF 15...“ Leider ist ab hier der Text verlorengegangen.
1985: Gesangsunterricht – erster Versuch.
Martin, Sebastian und ich hatten zwar eine Instrumentalausbildung genossen, wir sangen aber, wie uns der Schnabel gewachsen war. Und das war live meistens schief. Wie bei den Beatles. In diesem Punkt waren sie uns ausnahmsweise kein gutes Vorbild. Auch, wenn bei unseren Auftritten kreischende Mädchenmassen in riesigen Stadien, kombiniert mit winzigen Soundsystemen ohne Monitoranlagen, nicht als Entschuldigung herhalten konnten. Ich meine, es war über eine Kleinanzeige in den Lübecker Nachrichten, in der wir etwas von „Singen in einer Band“ und „Heiserkeit“ schrieben, dass wir an einen Musikstudenten gerieten, der sich für etwas Bargeld bereiterklärte, unser Problem zu beheben. Makoi trommelte nur, Martin sah für sich keinen Handlungsbedarf, also trafen bald darauf nur Sebastian und ich beim selbsternannten Gesangslehrer ein.
Sein kompositorisches Wirken, das mich natürlich auch interessierte, konnte schnell abgehandelt werden. Der Musikstudent, dessen Name ich aus gutem Grund schnell wieder vergessen habe, erklärte uns, dass seine Stücke so progressiv seien, dass die Menschheit sie erst in 1.000 Jahren verstehen würde. Aha, da waren wir also ein bisschen früh dran. Diese Aussage dämpfte meine Neugier auf seine Kompositionen auf Null. Also ging es gleich zur Sache, und ich sang diesem „Freak“ einen meiner Songs vor. Sein Kommentar war knapp und unmissverständlich: „Du spielst sehr schön Klavier!“
Das wollte ich nicht auf mir sitzenlassen. Ich ließ ihn eine Kassette mit einer unserer ersten richtig gut klingenden 8-Spur-Aufnahmen abspielen. Auf „Like I Know It Should“ sangen wir im Refrain dreistimmig! Leider verbesserte auch das seine Meinung über meine Stimme nicht, was er abermals prägnant auf den Punkt brachte: „Toll, was die Technik alles machen kann!“
Treffer – versenkt! Nach diesen beiden verbalen Tiefschlägen lag ich am Boden. Es blieb nur noch der Ausweg, den großen Meister anzuflehen, mir in Gottes Namen vorzumachen, wie man richtig singt! Und das nicht erst in 1.000 Jahren. Gnädig erbarmte er sich meiner und sonderte zur Gitarre ein Beispiel seiner Exzellenz in den Niederungen der leichten Muse ab. Wenn Sie mich das nächste Mal sehen, mache ich Ihnen gerne vor, was daraufhin unsere Gehörgänge belästigte. Stellen Sie sich einen Opernsänger vor, der sehr tief und kraftlos, so als würde er dabei gähnen, singt: „Well, it‘s one for the money, two for the show, three to get ready, now go, cat, go, but don‘t you step on my blue suede shoes...“ Es klang wie Kermit, der Frosch nach einer Überdosis Baldrian. In Graceland, da bin ich mir sicher, hat sich Elvis im Grab umgedreht. Mir fehlten die Worte. Sebastian ist dann noch ein paar Mal hingegangen.
1985: Krach sorgt für Krach.
Ich erinnere mich, wie ich mit Martin einmal im Regen an einer Bushaltestelle in der Moislinger Allee stand. Wie üblich, wenn wir nicht Musik machten, stritten wir miteinander. Vermutlich wollte ich ihn dazu bringen, irgendetwas zu tun, was er partout nicht wollte. Er beendete das Thema, indem er mir beim Einsteigen in den Bus zurief, dass es nicht ginge, weil er einfach nicht so extrovertiert sei wie ich. Er könne sich nicht ändern und ich müsste damit leben. Die folgende Geschichte beweist, dass er sich damals geirrt hat. Er trägt das Zeug zum Helden in sich! Man muss ihn nur richtig herausfordern. Die ganze Schule wurde Zeuge, wie das mit Kakophonie passierte. Das griechische Wort verliert in seiner Übersetzung „Schlecht-Klang“ einiges von seinem lautmalerischen Reiz. Ja, Martin war gereizt! Und wie! Und das kam so:
Eines schönen Schultages (ist das nicht ein Widerspruch in sich?) wurden alle Oberstufenschüler zu einem vom Kultusministerium finanziell geförderten Konzert für eine Doppelstunde in die Aula einberufen. Dass der Unterricht nach Stundenplan ausfiel, war erfreulich. Die gebotene Musik war es leider nicht. Auf der Bühne hatte sich eine große Band mit tollem Equipment aufgebaut. Mit dem hätten wir als Band richtig losrocken können! Da stand zum Beispiel ein Yamaha DX7 Synthesizer, der damals ziemlich angesagt war und den ich auch gerne gehabt hätte. Die Musiker strahlten über beide Ohren. Aber das lag unmöglich an der Schönheit ihrer Musik. Denn sie spielten einfach alle durcheinander! Es war nur Krach! Korrekt ausgedrückt: Kakophonie. Sie grinsten wie die Honigkuchenpferde. Mir kam es so vor, als würden sie sich innerlich heimlich ins Fäustchen lachen. Weil sie uns erstens diesen Mist als hochwertige Musik verkauften, sich zweitens ohne den geringsten Probenaufwand an ihren Instrumenten abreagieren konnten und drittens auch noch Geld dafür bekamen!
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