Sein Wolfskopf war lang und schmal und bestand praktisch nur aus Zähnen. Mandy leckte sich erregt die Lippe, als er ihr näher kam, denn er übte eine starke Faszination auf sie aus. Sein Oberkörper war behaart, nur unterhalb des Bauchnabels, dort, wo seine Männlichkeit groß und schwer nach unten baumelte, lichtete sich das Fell. Vom Knie abwärts glich er wieder einem Tier mit riesigen Pfoten. Sie wusste, sie sollte eigentlich Angst verspüren, aber sein Anblick gefiel ihr, als er erregend anmutig auf sie zuschritt. Die mächtigen Klauen bewegten sich, und als er vor ihr stand, pochte ihr Herz, vibrierte ihre Haut. Nein, sie hatte keine Angst. Was auch immer er mit ihr gemacht hatte, es hatte sie zu einem der seinen gemacht. Es war normal, es fühlte sich normal an, er war normal. Sie gehörte nun zu ihm. Sie hob die Hand, strich mit den Fingern über das Fell im Gesicht.
„Wow. Das … das ist ehrlich der Hammer.“ Mit den funkelnd grünen Augen blickte er sie an, es schien ihr, als würde er direkt in ihr Innerstes sehen. Schnell zog sie die Hand weg, räusperte sich.
„Und was jetzt? Kannst du reden in dieser Gestalt?“
Ein bisschen albern kam sie sich schon vor, und wenn sie sich vorstellte, dass sie eventuell einfach nur unter Drogen stünde und er sich vielleicht köstlich über sie amüsierte, musste sie lachen. Das Gelächter kam als Glucksen die Kehle hoch, dann tanzte es über ihren Kehlkopf und entwich schließlich laut perlend ihrem Mund. Tränen liefen ihr die Wangen hinab, und sie konnte sich nicht mehr bremsen. Wie ein Blitz war Marcus bei ihr, legte ihr die Pranke auf den Hals und drückte ihr die Kehle zu.
Halts Maul, sonst töte ich dich und suche mir eine neue Gefährtin.
Mandys Lachen erstarb augenblicklich, röchelnd sah sie ihn an, ihre Füße schwebten ein paar Zentimeter über dem Boden. Er hatte kein Wort laut gesprochen - die Botschaft war einfach in ihrem Kopf entstanden.
Ist das klar? Dann blinzele mich einmal an.
Mandy versuchte zu atmen, Panik überrollte sie und sie blinzelte einmal. Sofort ließ er sie los. Taumelnd stolperte sie rückwärts, rieb sich über den Hals, hustete und keuchte, sog erleichtert die Luft ein.
Wie funktionierte das jetzt eigentlich alles? Das Wandeln? Musste sie nur dran denken und schwupps, wäre sie ein Werwolf? Oder musste sie der Mond anleuchten? Nun wusste sie definitiv, dass dies kein Kindergarten war und sie Marcus nicht auslachen durfte. Entweder musste sie sich mit seinen Regeln vertraut machen und sich ihnen unterordnen oder schnellstens das Weite suchen.
„Was muss ich tun, Marcus, damit ich mich verwandele?“ Marcus schüttelte knurrend den Kopf, drehte sich um und lief direkt in den dichten Wald hinein. Mandy rannte ihm hinterher. Dies kam ihr immer unwirklicher vor. Zumal sie in der Dunkelheit viel besser sehen konnte und sie spürte … den Wald um sich herum. Die Gegenwart der Bäume, und wo sie sich zu einer Lichtung öffneten oder sich über einen Bachlauf neigten.
Alles lief wie im Zeitraffer an ihr vorbei, so schnell war sie zu Fuß. Ein Glücksgefühl machte sich in ihr breit. Leichtfüßig folgte sie Marcus zwischen den dicht beieinanderstehenden Bäumen hindurch, sprang über dicke Äste oder ganze Baumstämme, als hätte sie niemals zuvor etwas anderes gemacht. Und plötzlich spürte sie, dass irgendetwas in ihr war. Etwas, das ihr Glück vollkommen machen würde. Es kratzte gegen ihre Haut, drängte nach außen, wie ein Lachen, das sie unterdrücken musste, ein Schluckauf, den sie loszuwerden versuchte, wie ein Schrei, den sie nicht hinausließ. War das eine Verwandlung? Stand sie kurz davor, ihren Körper an etwas zu übergeben, was sie eben bei Marcus beobachtet hatte? Ihre Haut fing an zu jucken und zu kribbeln, an Armen und Beinen zuerst, bis sie die Finger nicht mehr bewegen konnte. Erschrocken blieb sie stehen und hielt sich ihre Hand vor Augen - doch die gab es nicht mehr. Stattdessen besaß sie eine behaarte Pranke. Feine Härchen wuchsen an ihren Unterarmen. Panisch berührte sie ihr Gesicht und spürte, wie ihr Herz wild in ihrem Brustkorb tobte. Es fühlte sich nicht mehr an, als würde es zu ihr gehören. Die Nase war einer langen Schnauze gewichen, ihr Haar hatte sich in kurzes, dichtes Fell verwandelt, das bald ihren kompletten Körper einnahm.
Stöhnend krümmte sie sich, fiel auf die Knie, versuchte etwas zu sagen, aber alles, was aus ihrem Maul kam, war ein langgezogenes Jaulen, das die Nacht durchbrach und sich in ihren Ohren beängstigend anhörte. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Da war noch etwas in ihr. Sie teilte sich ihren Körper mit einer fremden Kreatur. Mit einem Wolf!
Ihr Bewusstsein geriet in den Hintergrund, das andere Wesen übernahm die Führung, schüttelte sein Fell, schnupperte in die Luft, nahm eine Fährte auf und rannte los. Mandy hatte das Gefühl, einen Film anzusehen, dessen Handlung sie nur zur Hälfte verstand. Der Wolf - sie - schloss zu Marcus auf, der an einem Baum gelehnt stand und zu einem Auto mit angelaufenen Scheiben hinüber sah. Sie erschrak. Was hatte er vor? Hier geschah gleich etwas, das nicht richtig war.
Mandy rang um ihr Bewusstsein. Mit aller Gewalt streckte sie ihren Körper, und tatsächlich gelang es ihr, sich aufzurichten. Das Fell verschwand, und mit ihm das dumpfe Gefühl, nicht mehr in ihrer eigenen Haut zu stecken. Die geschärften Sinne blieben.
Der Geruch von Schweiß und Sex umwehte ihre Nase, und im gleichen Augenblick lief ihr das Wasser im Mund zusammen, so als hätte sie eine frischgebackene Pizza gerochen. Mandy strich sich über das Gesicht, froh, dass die Schnauze nicht mehr da war und sie ihre kleine Nase, den Mund und ihre Wangen spürte. Doch wo war ihre Brille? Für einen Augenblick war sie irritiert - ganz offensichtlich brauchte sie sie nicht mehr. Ohne sie konnte sie besser sehen als je zuvor, erkannte sogar die Armbanduhr, die der Typ im Wagen trug, der sich hektisch auf der jungen Frau bewegte.
Auch wenn die Scheiben beschlagen waren, konnte sie die schemenhaften Umrisse der beiden Personen erkennen, die ineinander verschlungen waren, Sex hatten.
Plötzlich war Mandy wütend auf das Pärchen im Auto, obwohl sie gleichzeitig wusste, dass die Beiden ihr nichts getan hatten.
Sie hasste diese Menschen im Auto, wollte sie leiden sehen, wollte ihr Blut sehen, fühlen und schmecken und ihre Schreie hören.
Noch immer stand Marcus mit verschränkten Armen an den Baum gelehnt. Er hatte sich ebenfalls zurück verwandelt. Unter seinen strähnigen Haaren blickte er sie an, die Augen wild und gefährlich blitzend, mit einem zuckenden Grinsen im Gesicht, als wollte er sagen: „Tu es! Lass den Wolf raus.“ Mandy hätte für ihn direkt noch einmal die Beine aufgemacht. Wenn sie seine starke Männlichkeit unterhalb des Bauchnabels betrachtete, prickelte es zwischen ihren Beinen. Doch in ihrem Mund sammelte sich der Speichel und ihr Herz klopfte wild, als sie wieder zum Wagen hinüber sah. Sie gab nach und ließ den Wolf raus, der mit wenigen Sprüngen am Auto war. Marcus war blitzschnell vor ihr da, hatte ihr die Tür geöffnet und beobachtete sie. Mandy stockte kurz, als sie der Frau in die aufgerissenen Augen starrte. Panisch schrie sie und versuchte unter dem Mann wegzukommen, doch er war in einer Schockstarre, hielt sie mit seinem Gewicht fest auf dem Polster des Rücksitzes. Mandy knurrte und fletschte die Zähne. Ihre Schnauze berührte die Nase des Kerls, der sich schließlich bewegte und rückwärts auf der anderen Seite aussteigen wollte.
Seine Hose, die an den Kniekehlen hing, sowie die verschlossene Tür hinderten ihn an der Flucht. Mandy folgte ihm, stieg dabei über die Frau, die gellend schrie. Genervt neigte Mandy den Kopf. Das Kreischen schmerzte in ihren Ohren. Sie öffnete ihr Maul, vergrub die Zähne in dem nackten Bauch der Frau und trank von dem warmen Blut.
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