in Wahrnehmung,
im Denken beziehungsweise Vorstellen,
im Fühlen,
im Wollen
mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebe,
dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denke, fühle oder wolle eine Beeinträchtigung
durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge.
Bei der Interaktion, so Glasl, handele es sich um ein wechselseitiges, aufeinander bezogenes Kommunizieren und Handeln, bei dem es ausreichend sei, wenn nur einer der Aktoren die Situation als Konflikt erlebe. Wichtig sei zudem, dass zum Bestehen dieser interpersonalen 2Konflikte insgesamt alle der oben genannten Merkmale zutreffen müssen.
Nach Giesen sind soziale Konflikte als soziale Beziehungen und Prozesse zu verstehen, in denen sich zwei oder mehrere Individuen (oder Gruppen) mit gegensätzlichen Interessen an bestimmten Problemlösungen voneinander unterschieden. In diesem Zusammenhang sind für Giesen (zusammengefasst und ergänzt) folgende Dimensionen für das Verständnis von Konfliktverläufen von Bedeutung: 3
ein Konfliktprozess, als zielführende Gesamtheit zusammenhängender Aktionen und Vorgänge (vgl. Glasl – „Interaktionen“),
zwei oder mehrere Konfliktakteure, als direkt oder indirekt an der Situation Beteiligte (vgl. Glasl),
eine Differenzierung von Zielen, Themen und Interessen, als beobachtbare Größen, die letztlich einer Bedürfnisbefriedigung dienen (sollen) (vgl. Gläßer, s.u.),
ein sozialer Rahmen der Konfliktaustragung, in denen Konflikte als strategisches, taktisches und operatives Handeln ausgetragen werden (können).
Ein sozialer Rahmen für Konflikte findet sich grundsätzlich in allen Bereichen der Gesellschaft wieder. In diesem wird die Konfliktaustragung von zwei Extremformen eingegrenzt: von einem anarchistischen Kriegszustand, welcher auf der völligen und rücksichtlosen „Vernichtung“ des Konfliktgegners beruht und von einer konstruktiven Konsensfindung, welche es ermöglicht, dass beide Akteure ihre Interessen (vollständig) wahren können. Zwischen diesen Extremen ist praktisches, soziales Handeln angesiedelt – in diesem Verständnis lassen sich soziale Konflikte als Problemlöseinstrumente verstehen. Der Konfliktbegriff wird im Verständnis dieser Arbeit mehrdeutig: Akteure „haben“ einen Konflikt, sie „befinden sich in“ einem Konflikt und sie „handeln (in) und gestalten“ einen Konflikt.
Bornschier differenziert die Art der Problemlöseinstrumente (zusammengefasst und ergänzt) als: 4
Unterdrückte Konflikte, als (häufig in sozial stark integrierten Gruppen) zum Zwecke des Selbstbehaltes nicht offen ausgetragene Konflikte, welche jedoch nach Ausbruch verhältnismäßig stark und aggressiv geführt werden. 5
Teilbare Konflikte (Mehr-oder-weniger-Typ) 6, bei denen durch Kompromissbildung eine teilweise Befriedung möglich sei (beispielsweise Verteilungskonflikte).
Unteilbare Konflikte (Entweder-oder-Typ) 7bei denen Werte- und Identitätsfragen im Mittelpunkt stehen, welche von Macht- und Chancenungleichgewicht begleitet und deshalb schwer verhandelbar sind. 8
Ein Kompromiss ist demnach das Finden einer Lösung durch Entgegenkommen zweier gegensätzlicher Positionen (Mehr-oder-weniger-Typ), basierend auf der eindimensionalen Sichtweise, dass man selbst nur gewinnen könne, wenn der andere verliere. In Anlehnung an das Nash-Gleichgewicht 9kann ein Kompromiss als Nullsummenspiel bezeichnet werden (immer gleiche Summenergebnisse) und gilt im Verständnis dieser Arbeit als suboptimal. Gleiches gilt für Mehrheitsentscheidungen von Gruppen.
Im Gegensatz dazu zeichnet sich ein Konsens durch eine zweidimensionale Sichtweise des Konfliktes aus, bei der die Positionen nicht als gegensätzlich betrachtet werden, sondern durch entsprechende Gestaltung des Lösungsprozesses gleichzeitig erfüllbar sind. Diese Arbeit versteht Konsens deshalb nicht als Zustand, sondern als Ergebnis einer funktionalen Konfliktlösung, basierend auf den Theorien nach Thomas et al. 10.
2.1.2 Wirtschaftskonflikte
Das Bibliographische Institut (Duden) definiert Wirtschaft als „Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen, die sich auf Produktion und Konsum von Konsumgütern beziehen“ 11. Diese Güter (Produkte oder Dienstleistungen) werden in Unternehmen erstellt. Im alltäglichen Sprachgebrauch sind die Begriffe Unternehmen, Gesellschaft, Firma und Betrieb dem Duden 12zufolge Synonyme. Gutenberg (1957) differenziert diese Begrifflichkeiten und definiert für Unternehmen (zusammengefasst) als konstitutive Merkmale: 13
Das Prinzip des Privateigentums, deren Träger natürliche oder juristische Personen sein können,
Das Autonomieprinzip, durch die Selbstbestimmung des geplanten wirtschaftlichen Handelns,
Das erwerbswirtschaftliche Prinzip, durch das Streben nach Gewinn (als Leitprinzip der Marktwirtschaft).
Findet die Konfliktaustragung dort statt, das heißt bilden Wirtschaft und/oder Unternehmen den von Bornschier definierten sozialen Rahmen, kann man von Wirtschafts- oder Unternehmenskonflikten sprechen.
Die Bestimmung der Konfliktfelder und -akteure ist dabei mit der Problematik behaftet, dass Unternehmen offene soziale Systeme und damit nicht scharf begrenzbar sind. In Anlehnung an die Stakeholder-Definition nach Freeman (1984) können damit alle Personen oder Gruppen betroffen sein, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes haben. 14Im unternehmerischen Kontext ergeben sich damit interne Interessensgruppen (Mitarbeiter, Führungskräfte, Personalverantwortliche, Eigentümer) und externe Interessensgruppen (Wertschöpfungspartner, Kunden, Gläubiger, Staat bzw. Gesellschaft), welche alle zueinander in Beziehung stehen.
Abbildung 1: Unternehmerisches Beziehungsmodell – Stakeholder 15
2.1.3 Konfliktverständnis und Unternehmenskultur
Für ein tieferes Verständnis, wie Konflikte in Unternehmen entstehen, wie sie dort wahrgenommen werden und wie sich deren Umgang damit gestaltet, sehe ich eine Darstellung der verschiedenen Konfliktkulturen in Unternehmen für hilfreich.
2.1.3.1 Merkmale einer Unternehmenskultur
In Anlehnung an Hofstede (2001) kann man Kultur als die kollektive Programmierung des Geistes verstehen, welche Menschen oder Gruppen von einander unterscheidet. 16Diese mentale Programmierung umfasst spezielle Denk-, Fühl- und Handlungsmuster, die sie charakterisiert. Über der Kultur steht die Persönlichkeit, so dass Verhaltensweisen und Reaktionen eines Individuums von beobachtbaren kollektiven Handlungsmustern abweichen können. Aufgrund dessen sollte, nach Emrich (2014), eine Person niemals ausschließlich nach der Kulturzugehörigkeit beurteilt werden. 17Eine grobe Kategorisierung zum Zwecke der differenzierten Betrachtung kann nach m.E. im Umgang mit Unternehmenskonflikten dennoch hilfreich sein. Dazu werden nach Eder et al. (2008) zentrale Merkmale (zusammengefasst) aufgegriffen, mit denen die entsprechenden Unternehmenskulturen beschrieben werden können: 18
Werte, Normen und Prozesse, die im Mittelpunkt der Kultur stehen,
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