Grace Madisson
Das Monster vom Eastend
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Inhaltsverzeichnis
Titel Grace Madisson Das Monster vom Eastend Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
Impressum neobooks
Sie lag neben dem Holzschuppen im Schatten, in ihrem Blut und auf dem Rücken. Ihr Kleid war aufgerissen, der Rock nach oben gezerrt und der Leib war aufgeschlitzt, die Eingeweide ausgeräumt, als hätte der verrückte Menschenschlächter etwas gesucht, ihr fehlte die Leber. Ihr Gesicht, das wohl zu Lebzeiten anziehend gewirkt haben mochte, sah im Tod grauenhaft aus: grau angelaufen, die Augen aus den Höhlen getreten, der Mund in einem Hilfeschrei erstarrt. Weiter unten war der Anblick noch schrecklicher: Der Täter hatte den armen Körper längs aufgeschnitten und hatte die Eingeweide herausgenommen und damit, so schien es Inspector Lestrade, gespielt. Die Darmschlingen und das Herz bildeten ein bizarres Muster, im Dreck des gepflasterten Hinterhofes, wie schwimmende Inseln in einem Meer aus Blut auf dem Mondlicht beschienen seifigen Pflastersteinen. Die Inspektoren Teehrman und Willems hatte fast alles eingesammelt und in nummerierte Packpapiertüten gesteckt. Übrig waren noch eine schwarze Blutlache und winzige Fetzen des zerschnittenen Kattun Kleides. Der wahnsinnige Täter hatte mit Blut Obszönitäten in französischer Sprache gegen die Juden an die von Kohlenstaub verrußte Hauswand geschmiert. »Judee piger anglaise faire une prise de sang« und einen blutigen Handabdruck hinterlassen, nur schade, dass keiner der Polizisten auch nur, etwas französisch sprach. Gebildet muss der Teufel sein, war sich Inspector Lestrade von der Kriminalabteilung von Scotland Yard sicher. Fast alle Zeitgenossen, die Inspector Lestrade beschrieben, widmeten sich zu erst seinem merkwürdigen Gebaren und sonderbaren Aussehen. Man behauptete Inspector Lestrade habe ein so hässliches Gesicht, das es selbst dem abgebrühtesten Verbrecher weh tat, es anzuschauen. Beschriebe man ihn mit groß, ungelenk und hässlich sowie exzentrisch gekleidet und abrupt und ohne jede Höflichkeit in seiner Art, seine seltsame, oft beunruhigende Stimmungswechsel traf es sein Äußeres und nicht den vielschichtigeren schillernden Kern. Lestrade war keine Schönheit, war — dürr und besaß, Eulenaugen hinter großen Brillengläsern und einen Schnauzbart, der aussah, als wolle er einem die Augen ausreißen und verschlingen. Doch in seinem unerfreulich aussehendem Kopf war Inspector Lestrade ein Juwel an Wissen zu den Strukturen und Machtverhältnisse in den Slums von London. Inspector Lestrade stützte sich auf seinen eleganten Gehstock und betrachtete aus kurzer Entfernung die Schrift an der Wand. Seine Augen blinzelten. Gebildet musste der Teufel sein, der diese Metzeleien an den Gefallenen Weibern niedriger Klasse in London anrichtete. Der Irre besaß eine schöne Handschrift und hatte bitterkaltes Blut in den Adern, er mordete auf fast offener Straße ohne sich, auch nur einen Deut, um die Polizisten zu scheren. Hundert als Straßenverkäufer, Bettler, Arbeiter verkleidete Beamte überwachten die Straßen und Gassen die Obdachlosenasyle, Dosshäuser in den Armenvierteln von London. Erfolglos, wie jeder mit einem Blick auf die Kreideschrift sah. Metzelte das arme Ding, spielte mit den Innereien und fand noch Zeit ein kleines Epigramm an die Wand zu setzen. Constable Peters, war als erster Polizist vor Ort gewesen und hatte sich richtig verhalten, Inspector Lestrade nickte ihm freundlich zu. Peters stand am Straßenrand und übergab sich konvulsivisch in den Rinnstein, sein ganzer langer Körper bebte wurde durchgeschüttelt. »Ihre erste Leiche Constable?« Fragte Inspector Lestrade mitfühlend. »Nein Herr, aber … ich habe so etwas noch nicht gesehen, ich war im Burenkrieg 1880 Sir, aber das …«.
Der kluge Constable hatte nach Auffinden der Toten, einen Boten zum Yard nach Whitehall gesandt, schlicht mit einer Adresse in Whitechapel und einem Zusatz, der hellhörig machte, aufgeschlitztes Opfer. Inspector Lestrade nickte kurz, drehte sich abrupt zum Hinterhof und rief:
»Gibt es Spuren von Geschlechtsverkehr?«
»Das kann ich Ihnen später verraten, mein Bester. Ich schreibe Ihnen einen hübschen kleinen Bericht zu diesem weiteren Missgeschick. Mein Bester Lestrade schicken Sie mir bitte noch eine Laterne, es ist immer noch sehr Dunkel hier, und ihre tollpatschigen Leute sind mir schon auf eine Niere getreten. Wer weiß, was Ihre Arbeiter mir für Spuren unter ihren Stiefeln bereits Zertreten haben.«
Der junge Polizeiarzt ignorierte die Tragödie, an der er nichts mehr ändern konnte, er konnte nur seine Arbeit sehr gut tun. Man sah ihm an, dass er kein richtiger Londoner war. Er war hochgewachsen, knochig, schwarzes Haar, breite Lippen und dabei agil wie ein Schauspieler. Und zu allem fehlte ihm der Kasernenhofton, den die Londoner sich angewöhnt hatten, zu viel Deutsche am Hof die Londoner der besseren Kreise redeten, nicht sondern forderten. Mit der gleichen sprachlichen Beredsamkeit den ein Feldwebel an den Tag legte. Wie angenehm war es dem Arzt zuzuhören. Inspector Lestrade sah mit Interesse zu, wie der geschundene Leib den Händen der Constables anvertraut wurde. Den Hartgesottenen, die nicht zitterten oder sich erbrachen.
»Na, Doktor, schnappen wir ihn diesmal, ich setze 5 Pfund!« Inspector Lestrade sah in seinem Portefeuille nach und zog die Banknote heraus. Inspector Lestrade arbeitete nicht das erste Mal mit dem Doktor zusammen. Ein angenehmer Herr, stets höflich und ein Lächeln auf den Lippen. Seinen scharfen, schwarzen Augen entging selten etwas. Dazu kam, dass er immer wie aus dem Ei gepellt erschien, auch heute hatte sich das Warten gelohnt, der Kragen Alabasterfarben, die Manschetten trotz des Blutes und Kotes noch Weiß. Ein sympathischer Ehrgeizling, der vor seiner ruhigeren Karriere Erfahrung in Londons Scotland Yard sammelte. Der Polizeiarzt ließ sich von seinem zwergenhaften Gehilfen Thomas parfümiertes Wasser über die Hände gießen. Er schrubbte so konzentriert seine Finger an der Wasserpumpe als wolle er, mit dieser Prozedur zugleich die Erinnerung an das Leiden des Mädchens wegschwemmen. »Ich habe immer gesagt, so einer macht, solange weiter bis er gestoppt wird!«
Dr. Helly sah sich auf dem Schlachtfeld um. »Das hier ist keine Aussicht für feinfühlige Augen, mein Bester. Sorgen Sie dafür, das einer das Blut wegwischt.«
Inspector Lestrade nickte und zwang sich zu brüllen:
»Peters Sie verdammte Heulsuse zack zack kommen Sie gefälligst her«, schnauzte er den unter Schock stehenden Polizisten an. »Gewöhnen Sie sich dran, glauben Sie etwa ihr Flennen, macht sie lebendig, bringt uns den Mistkerl an den Galgen?« Inspector Lestrade sah, das sich seine niveaulose Methode bewährte, der kluge Constable stand stocksteif vor ihm. Er klopfte ihm auf die Schulter.
»Du wirst in dieser wunderbaren Stadt noch weitaus Schlimmeres zu sehen bekommen. Schaff dir ein dickes Fell an, sonst bringst du es nie zum first class Constable. So und nun will ich, das du den Transport der Kleinen überwachst, keine Schlamperei, niemand, absolut niemand, fasst die Leiche an, bis Doktor Helly kommt!«
Der Polizei Constable salutierte und setzte sich neben die Tote in die Kutsche.
»Verhüte Gott, dass man in einer Zeit leben soll, wo man sich an Barbarei gewöhnt zeigen soll, mein Bester«.
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