Helmut Lauschke - Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens
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Während der Apartheid halfen die Kirchen schwarzen Studenten mit dem Geld und ermöglichten ihnen das Medizinstudium an südafrikanischen Universitäten. Junge Menschen studierten meist in Durban, weil es dort mit der schwarzen Haut leichter war, einen Studienplatz zu bekommen. Andere gingen aus politischen Gründen ins Exil und transformierten dort die politischen Absichten und Gründe zur beruflichen Ausbildung. SWAPO (South African People's Organisation) verteilte die jungen Menschen auf die sozialistischen Bruderländer, was Kuba einschloss, wo sie die Schulen und dann die Universitäten besuchten. Der gemeinsame Nenner bei Bittsteller und Gastland war die Marxsche Doktrin vom Klassenkampf gegen den Imperialismus und zur Befreiung der Völker aus der Kolonisation und weißen Apartheid.
Es war das Resultat, als die 'fertigen' Ärzte aus dem Exil zurückkamen: Sie fanden nur wenige Kollegen im Norden Namibias vor, denn die südafrikanischen Jungärzte, die ihren Militärdienst in Uniform mit dem Stethoskop abgeleistet hatten, waren seit mehr als einem Jahr vom Hospital abgezogen und nach Südafrika zurückgeflogen worden. Die wenigen verbliebenen Ärzte taten ihre Arbeit unter den schwierigsten Bedingungen und Umständen des Krieges und des chronischen Mangels an Medikamenten, Instrumenten, Blutkonserven und anderen dringendst benötigten Gegenständen wie Bettwäsche und Schaumgummimatratzen.
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Dr. Lizette hatte das Essen in der Küche vorbereitet und deckte geschmackvoll den Tisch, in dessen Mitte auf einer weißen Tischdecke eine schlanke Vase mit einer frischen, gelben Rose stand. „Die Rose ist von meinem Mann, der unseren Hochzeitstag nie vergisst. Ist sie nicht schön?“ Sie beugte sich über ihn und küsste seine rechte Wange. Sie hatte ein schickliches dunkelrotes Kleid angelegt, das sie mit einem konservativen Zuschnitt attraktiv erscheinen ließ. Der Ehemann folgte ihrer Bitte nach einem mundigen Rotwein, entkorkte den „Cabernet Sauvignon“ des Jahrgangs 1984 und füllte die aufgestellten Rotweingläser auf das richtige Maß. Sie hatten am Tisch Platz genommen und ließen sich das Essen schmecken, das köstlich zubereitet war. Mit erhobenen Gläsern sprachen sie sich die freundlichen Worte des Beisammenseins zu, wobei Dr. Ferdinand dem jungen Ehepaar zum dritten Hochzeitstag gratulierte und ihm weitere glückliche Jahre wünschte. Dr. Lizette, der das Sprechen von der Zunge ging, während die Herren den würzigen Rinderbraten auf der Zunge zergehen ließen, merkte die Besonderheit des Tages an und fügte hinzu, dass sie vor drei Monaten noch nicht wissen konnte, dass sie diesen Tag unweit der angolanischen Grenze verbringen würde. Auf die Frage von Dr. Ferdinand, ob sie bezüglich des siebzehnten südlichen Breitengrades enttäuscht sei, meinte sie, dass sie nicht direkt enttäuscht sei, aber jene südlichen Breitengrade mit der höheren Zahl aus familiären Gründen vorgezogen hätte, womit sie auf Südafrika zielte. Der Ehemann war sich seiner Pflicht zur Dienstableistung im Norden bewusst und Psychologe genug, seiner Frau Trost zuzusprechen, indem er von der begrenzten Zeit sprach, die sie auf diesem Breitengrad auszuhalten hatten. Sie nahmen nach dem Essen die Weingläser mit in die Klubecke, wo sie der Ehemann nachfüllte, als Dr. Lizette sagte: „Wir können nur hoffen, dass uns in dieser Zeit nichts zustößt.“ Sie sagte es mit dem realistischen Blick einer intelligenten jungen Ehefrau, der die Welt an diesem Breitengrad nicht verborgen blieb und auch nicht geheuer war. Dr. Ferdinand vermisste es, dass sie beim Wort „zustößt“ die schwarzen Menschen in ihre durchaus berechtigte Sorge einbezog, konzedierte ihr aber aufgrund ihrer weißen Herkunft und Jugendlichkeit, dass sich ihr Blickfeld für die Schwarzen noch nicht so weit geöffnet hatte. Er ergänzte daraufhin ihre Bemerkung, dass es jedem zustoßen konnte, von einer Granate getroffen zu werden, und die schwarzen Menschen es mittlerweile gelernt hatten, das Lebensrisiko, dem sie jeden Tag in erhöhtem Maße ausgesetzt waren, gelassen hinzunehmen. Der Psychologe machte ein nachdenkliches Gesicht und brachte den Aspekt der jungen Soldaten, denen der Dienst an diesem Breitengrad und noch weiter nördlich besonders schwer fiel, weil sie beim Schießen ihre Bedenken hatten, die sie zu ernsthaftem Nachdenken brachten und bei den intelligenten regelrechte Gewissenskonflikte auslösten, die sie nicht mehr beherrschen konnten, weil sie den menschlichen Verstand überstiegen. Dr. Ferdinand fand diesen Aspekt sehr interessant und wollte mehr darüber erfahren. So fragte er den Psychologen, wie denn die Soldaten aus ihren Gewissensnöten befreit werden konnten. „Das ist ein schweres Problem, weil es sehr komplex ist. Diejenigen, die zum ersten Mal auf einen Menschen zu schießen haben, empfinden diese Not besonders groß, und manche dieser Erstschützen berichteten, dass ihre Hände zitterten und sie erleichtert waren, dass sie am Menschen vorbeischossen, was andere wiederum mit ruhiger Hand taten, weil sie den Tod eines Menschen nicht verantworten konnten.“ „Wenn ich Sie recht verstehe, muss der Soldat erst die nötige Routine im Totschießen bekommen, um mit der zunehmenden Routine seine Gewissensnöte schrittweise abzubauen. Kann ich das so sagen?“, fragte Dr. Ferdinand. Der Psychologe: „Es hört sich unvernünftig an ...“ Dr. Ferdinand unterbrach ihn: „... weil das Schießen auf Menschen immer unvernünftig ist.“ „Wenn Sie so wollen, ich weiß, was Sie da meinen“, setzte der Psychologe seinen Satz fort, „weil jeder Krieg eine Bankrotterklärung der gegenseitigen Verständigung ist, die Regeln der Zivilisation außer Kraft setzt und daher mit der Vernunft unvereinbar ist. Aber um auf die von Ihnen vorgebrachte ,Routine’ zurückzukommen, es entspricht, ohne es werten zu wollen, der Praxis eines Psychologen, dass die Gewissensnöte abnehmen, je länger der Soldat mit dem Gewehr umgeht und mit dem Gewehr Menschen erschießt.“ Dr. Ferdinand nickte ihm zu und fand es beängstigend und abscheulich, dass es dieser Mechanismus mit der wachsenden Routine im Totschießen war, der sich so nachhaltig auf das Gemüt auswirkte, dass das Gewissen dabei letztendlich keine Not mehr empfand. „Was sagen Sie jenen Soldaten, die Ihnen vom Zittern der Hände und vom Vorbeischießen mit ruhiger Hand berichten?“, fragte Dr. Ferdinand. Der Psychologe: „Viel kann ich da nicht sagen, weil das fünfte Gebot auch in meinem Hinterkopf sitzt. Doch kommt dann die Uniform herein, so ähnlich wie beim Arzt in Uniform, und ich selbst sitze in der Uniform eines kleinen Offiziers vor dem Soldaten mit der Gewissensnot, so dass der Soldat und ich als Militärpsychologe am militärischen Auftrag nicht mehr vorbeikommen. Da ist eine Schlucht, die Gewissensschlucht, über die eine Brücke gespannt werden muss, um beide Seiten zu verbinden.“ Dr. Ferdinand: „Wie kann denn eine Brücke vom fünften Gebot zum Schießbefehl gespannt werden? Ist das nicht unmöglich, weil das eine das andere grundsätzlich ausschließt?“ Der Psychologe: „Ich nenne diese Brücke deshalb ,Behelfsbrücke’ oder ,Schluchtsteg’ oder ,Kriegspfad’, Sie können auch noch andere zusammengesetzte Worte dafür einsetzen, weil ich mir der Problematik bewusst bin, dass die Vernunft da an der Schlucht eigentlich abbricht und keine Brücke zulässt, weil es da nichts zu überbrücken gibt.“ Dr. Ferdinand: „Da gebe ich Ihnen Recht, wenn ich auch nicht verstehen kann, wie so eine ,Behelfsbrücke’ oder ein ,Schluchtsteg’, oder wie Sie es sonst noch nannten, überhaupt gedacht werden kann, oder freier formuliert, wie eine Brücke zwischen fünftem Gebot und Schießbefehl gespannt werden kann, die doch widersinnig ist, von welcher Seite Sie die Brücke auch betrachten, solange man noch alle Sinne beisammen hat. Bei diesem Brückenbau kann doch nur der militärische Auftrag gelten, durch den das fünfte Gebot als der andere Brückenpfeiler gewaltsam weggesprengt und in die Schlucht geworfen wird, die Brücke also nur am militärischen Pfeiler Halt findet und an der moralischen Seite völlig in der Luft hängt, wie es der Schießbefehl will. Dieses gedankliche Monster nennen Sie Brücke oder ,Behelfsbrücke’ oder sonst wie und setzen dieses Ungebilde, das jeglichem gesunden Menschenverstand widerspricht, den Soldaten vor, die mit ihren Gewissensnöten zu Ihnen kommen, um von den Qualen des Tötenmüssens befreit zu werden. Das verstehe ich eben nicht.“ Der Psychologe hatte es verstanden und schwieg, weil es da keine Brücke gab, die solche Gegensätze miteinander verband und überbrückte. Es war ein strategischer Irrsinn, der zweckgebunden vom Leben in den Tod gespannt wurde, wofür der Koffer mit den psychologischen Sonden der völlig falsche Koffer war, so wie ein Kochbuch oder Gedichtband für einen Chirurgen unbrauchbar war, der ein Anatomiebuch brauchte, um sich für eine schwierige Operation vorzubereiten. Die Wahnvorstellung von einer Brücke über die Schlucht, die zwischen fünftem Gebot und Schießbefehl lag, war so alt wie die Menschheit selbst, und die Menschen wussten um ihre fehlerhafte Statik, weil sie einem Irrsinn aufsaß. Dr. Ferdinand hatte sich bei der Vorstellung dieses Monsters erschrocken und fand es tragisch, dass so eine Schlucht, über die es keine Brücke geben durfte, auch noch psychologisch zumindest mit einer „Behelfsbrücke“ oder einem „Schluchtsteg“ überspannt wurde oder überspannt werden musste, um der Uniform zu genügen, mit der der Schießbefehl einherging. Das Telefon klingelte, Dr. Lizette nahm beim dritten Klingelzeichen den Hörer ab, bekam ein ernstes Gesicht, als würde sie eine schlechte Botschaft empfangen und sagte am Schluss, dass sie Dr. Ferdinand davon in Kenntnis setzen werde. „Es war die Nachtschwester vom ,Outpatient department’, wo ein Mann liegt, der angeschossen wurde, dem die verletzten Darmschlingen aus dem Bauch hängen.“ Der Psychologe machte ein betroffenes Gesicht, denn zum Alltag konnte auch er keinen konstruktiven Beitrag leisten, um der Gewalt ein Ende zu bereiten. Dr. Ferdinand dankte für den schönen Abend mit dem köstlichen Essen und dem interessanten Gespräch. Sie drückten gemeinsam den Wunsch aus, dass ein solcher Abend wiederholt werden sollte, um das Gespräch fortzuführen. Das Ehepaar brachte Dr. Ferdinand zum Auto, der Psychologe öffnete das Ausfahrtstor und sie wechselten bei laufendem Heckmotor noch einige freundliche Worte durch die heruntergedrehte Scheibe. Dann fuhr Dr. Ferdinand davon und brachte den Abend als atmosphärisch und aufschlussreich in sein Gedächtnis. Er passierte die Sperrschranke am Dorfausgang nach einer oberflächlichen Kontrolle, erreichte wenig später die Hospitaleinfahrt, wo der Pförtner in aller Ruhe auf einem Stuhl saß, stellte das Auto vor der Schmalwand der „Intensiv“-Station ab, betrat das „Outpatient department“ und ging geradewegs auf die Trage zu, auf der der Verletzte lag, die von zwei anderen Männern, die sich als Brüder ausgaben, umstellt war. Dr. Ferdinand hob die Decke hoch und sah die herausgetretenen Darmschlingen auf dem Bauch, die an mehreren Stellen aufgerissen waren, als ihm der ältere der beiden Männer den Unfall schilderte, was die Schwester ins Afrikaans übersetzte. Es war dunkel, als drei Männer um ihren Kral herumstrichen und dabei waren, zwei Rinder zu stehlen. Der jüngere Bruder schlug mit dem Knüppel auf diese Männer ein, als einer mit der Pistole auf ihn schoss, was er, der ältere Bruder hörte, dem jüngeren zu Hilfe eilte und die drei Männer wegrennen sah, die dann mit einem „Casspir“ davonfuhren. Es waren Männer der Koevoet, jener gefürchteten Spezialeinheit, die mit dem „Casspir“ kamen, um nun auch Rinder zu stehlen und dabei dem, der Im Recht war, in den Bauch schossen. Dr. Ferdinand nahm Blut zur Kreuzprobe ab, während die Schwester den Laboranten telefonisch aus dem Bett holte. Die Nachtschicht im OP-Raum und Dr. Nestor wurden von der Notfalloperation in Kenntnis gesetzt, dann rollten Arzt und Schwester den Patienten zum „theatre“. Dr. Ferdinand saß umgezogen im Teeraum und dachte bei einer Tasse Tee über den Abend bei Dr. Lizette und ihrem Ehemann nach. Er konnte es einfach nicht verstehen, dass Menschen dort Brücken bauten, wo sie nicht hingehörten, und damit den Versuch an der falschen Stelle machten, das Unmenschliche menschlich einzukleiden, um dem unmoralischen Verhalten einen moralischen Anstrich zu geben. Er nannte es die „moralische Verwerfungszone“, die er sich wie einen riesig aufgeworfenen Vulkan mit dem großmäulig gähnenden Rachen eines hundert Meter langen Riesenkrokodils vorstellte, das die perverse Bande mitsamt dem unmenschlichen System mit seinen scharfen Reißzähnen zerkleinerte und verschluckte, weil sie mit Brücken hantierte, deren Statik vorn und hinten nicht stimmte. Dr. Nestor war eingetroffen, zog sich um und versuchte mit verschlafenem Gesicht, das Problem mit der Schussverletzung gedanklich in den Griff zu bekommen. Sie hoben den Patienten von der Trage auf den OP-Tisch. Die OP-Schwester ließ sich in den grünen Kittel helfen und die Spritze zur Narkoseeinleitung und der Atemtubus lagen bereits auf dem Narkosetisch, als Dr. Ferdinand sich die Hände wusch, sich ebenfalls in den grünen OP-Kittel helfen ließ und die Handschuhe dabei über die Ärmel streifte. Er umfasste den herausgetretenen Darm mit einer großen sterilen Kompresse, damit die OP-Schwester die Bauchhaut mit der braunen Desinfektionslösung überstreichen konnte. Der Patient war intubiert und an die Narkosemaschine angeschlossen, als Dr. Ferdinand die Haut längs und in der Mitte einschnitt. Nach Eröffnung der Bauchhöhle wurde das in ihr angesammelte Blut abgesaugt, welches immerhin fast einen Liter ausmachte. Da waren noch mehrere Risswunden am Darm, wobei auch der Querdarm und das Darmgekröse betroffen waren, die durch Einblutungen erhebliche Hämatome aufwiesen. Es wurde durch Naht geschlossen, was durch Naht geschlossen werden konnte, doch von den herausgetretenen Dünndarmschlingen, die zum Teil regelrecht zerfetzt waren, mussten zwei Schlingen reseziert werden. Insgesamt waren es etwa vierzig Zentimeter Darm, die herausgeschnitten wurden. Die neue Darmverbindung war genäht und der Bauchraum gesäubert und revidiert, als aus dem Kreißsaal die Nachricht von einer blutenden extrauterinen Schwangerschaft kam, die eine Operation dringend erforderlich machte. Auch meldete das „Outpatient department“, dass dort zwei Patienten mit Schnittverletzungen eingetroffen waren. Es war genau zwei Uhr morgens, als die erste Operation beendet war, der Patient im Aufwachraum lag und die Patientin mit der blutenden Schwangerschaft auf den OP-Tisch gelegt wurde. Die Doktoren hatten eine Tasse Tee zu sich genommen und gingen zum „theatre 1“, wo die OP-Schwester die Patientin bereits gesäubert und mit sterilen Tüchern abgedeckt hatte. Die Patientin war in Narkose, als Dr. Ferdinand im grünen Kittel die Handschuhe überstreifte und die Schwester das Skalpell schon für ihn in der Hand hielt. Der Bauchraum wurde eröffnet und mehr als ein Liter Blut abgesaugt, als ein Föt, dessen Größe einer etwa vier Monate alten Schwangerschaft entsprach, tot hinter dem rechten Eierstock sichtbar wurde. Er wurde herausgenommen und in ein Glas mit vierprozentigem Formalin gelegt. Der blasig vergrößerte, blutig gefleckte und rupturierte Eierstock und der dazugehörige Eileiter wurden abgetragen und der kurze Eileiterstumpf vor dem Eintritt in die Gebärmutter durch Naht verschlossen. Geblutet hatte es aus dem Eierstock. So bestand die lebensrettende Maßnahme in der Unterbindung der in den Bauchraum hineinpulsierenden Eierstocksarterie. Die Schichten der Bauchdecke wurden vernäht und der Verband aufgelegt, als sich das Team noch einige ruhige Stunden bis zum Sonnenaufgang wünschte, die es unter normalen Umständen längst verdient hätte. Dr. Ferdinand dankte allen für ihre Bereitwilligkeit und die geleistete Arbeit. Er machte sich am Waschbecken im Umkleideraum frisch, zog das weiße Hemd mit den langen Ärmeln und die dunkle Hose an, krempelte die Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch und ging zum „Outpatient department“, um nach den beiden Patienten mit den Schnittverletzungen zu sehen, die dort nebeneinander auf der ersten Bank saßen. Der eine hatte sich in die rechte Hand geschnitten, wobei er gleich die Beugesehnen des zweiten und dritten Fingers mit durchtrennt hatte, während der andere eine Schnittwunde im Gesicht hatte, bei der auch die Oberlippe tief eingeschnitten war. Eine junge, weniger erfahrene Schwester hatte die schief hängende Lampe im kleinen OP-Raum des „Outpatient departments“ angestellt und legte die erste steril verpackte Nierenschale mit den Instrumenten auf den Instrumententisch, als Dr. Ferdinand mit dem ersten Verletzten hereinkam und ihn zum Hinlegen auf den völlig veralteten OP-Tisch aufforderte. Er holte die Nierenschale aus der weißen Papierverpackung, in der die Instrumente mit der Patina der letzten Jahrhundertwende von der Zusammenstellung her völlig unproportioniert und trostlos herumlagen, was den plumpen Nadelhalter, die zu großen Klemmen und die feine Spitzpinzette betraf, die als einzige Pinzette in der Schale lag und sich zwischen den groben Klemmen quer legte, deren Fasszähne allerdings nicht mehr schlossen, sondern sich verbogen ineinander verklemmten. Der rechte Arm lag abgestreckt auf einem alten, am Tisch eingehängten Armbrett. Die Hand wurde örtlich betäubt und mit der braunen Desinfektionslösung bestrichen. Dr. Ferdinand, der auf einem Drehhocker saß, zog sich den mit einem sterilen Tuch überzogenen Instrumententisch, auf dem die nicht zusammenpassenden Instrumente ausgelegt waren, auf klemmenden Laufrollen in Reichweite heran; während die Schwester die OP-Lampe mit einer Hand hielt, um sie am Weggleiten zu hindern und das Licht auf die Hand zu zentrieren. Es strengte an, die Sehnenchirurgie unter fast mittelalterlichen Bedingungen auszuführen, was Dr. Ferdinand erfolgreich tat und nach einer gut einstündigen Operation und einem ständigen Ringen um ein ausgeleuchtetes Operationsfeld den Handverband anlegte. Der zweite Patient, dem ein Messer das Gesicht zerschnitten und die Oberlippe tief eingeschnitten hatte, legte sich auf den OP-Tisch und bekam die örtliche Betäubung. Die Zusammenstellung der Instrumente in der ausgepackten Nierenschale war anders, aber ebenso disproportional. So war der Nadelhalter nicht von der Patina der Jahrhundertwende überzogen und im Gelenk angerostet, aber er war unverhältnismäßig klein gegenüber der langen anatomischen Pinzette. Die beiden Klemmen und die eine gebogene Schere, die der jahrelange Gebrauch abgestumpft und kratzig gemacht hatte und deren Gelenke ausgeleiert oder schwergängig waren, lagen größenmäßig dazwischen. Damit wurden die Schnittwunden im Gesicht vernäht und die Oberlippe nach den Gesichtspunkten der plastischen Chirurgie wiederhergestellt. Die Schwester war wegen der Ermüdung ihres hochgehaltenen Armes häufiger daran zu erinnern, das Licht auf das Gesicht des Patienten einzustellen. Es war der letzte Patient, der chirurgisch versorgt wurde. Er setzte sich mit dem Gesichtsverband neben den anderen Patienten mit dem Handverband auf die Bank zurück, weil beide hier auf die nahende Tagesdämmerung warten wollten, um den Heimweg anzutreten. Dr. Ferdinand verließ gegen halb sechs mit seinem Käfer das Hospital. An ein Schlafen wollte er zu dieser frühen Morgenstunde nicht mehr denken, und so stellte er sich unter die Brause, um den ausgebliebenen Schlaf auf die nasse Weise wettzumachen. Er hörte die Hähne krähen, ohne ihnen die gewohnte Aufmerksamkeit zu schenken, machte sich einen Kaffee und rauchte eine Zigarette dazu. Er hatte sich die weiße Arbeitskleidung angezogen und das Sonntägliche in den Schrank zurückgehängt, als er sich gegen halb sieben in den abgelaufenen Sandalen wieder auf den Weg zum Hospital machte und die Sperrschranke am Dorfausgang erreichte, wo es die Wachhabenden nicht glauben konnten, dass ein Arzt überhaupt keinen Schlaf mehr braucht. Sie ließen ihn ungläubig, doch freundlich passieren. Der Pförtner an der Toreinfahrt erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl. Ihm fiel der Morgengruß verspätet ein, wahrscheinlich auch aus dem Grund, dass er es nicht glauben wollte, den Doktor jetzt schon wiederzusehen, der bereits über den Vorplatz schritt und auf halbem Wege zur „Intensiv“-Station war. Dort wunderten sich die Schwestern allerdings über sein verspätetes Kommen. Er erklärte es ihnen ohne jegliche Schlaffalte im Gesicht.
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