1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Hier sind nämlich die hübschesten Mädchen bloß mit einem Tanga-Slip bekleidet am Strand und im Wasser unterwegs, und wenn man sie so ansieht, bleiben eigentlich kaum noch Fragen offen. Genau da liegt – oder besser lag – mein Problem. Ich dachte nämlich eine zeitlang, dass ich da irgendwie mithalten müsse und dazu fühlte ich mich absolut nicht in der Lage.
Ich war immer schon ziemlich groß für mein Alter und sehr schlank, wenn man es nett ausdrücken will. Dürr hätte es eher getroffen und da nützen einem auch die längsten Beine nichts, ganz im Gegenteil. Es tut der Seele nun mal nicht gut, wenn man vom eigenen Bruder - der kleinen Ratte – jahrelang Storch gerufen wird. Dazu kommen dann noch meine hellblonden Haare, die ich brünett viel hübscher finden würde und meine helle Haut, die absolut keine Sonnenbräune annehmen will.
Und dann auch noch das Oberteil-Problem: Hier an der Côte d’ Azur ist es eher üblich, keines zu tragen. Was mich anging, hätte ich damit kein Problem haben sollen, denn bis zu meinem fünfzehnten Lebensjahr hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu verbergen. Während andere Mädchen schon aussahen wie richtige Frauen und mit den Jungs am Strand rumalberten, hockte ich mit Oberteil oder T-Shirt abseits und hoffte, dass man wenigstens vermutete, ich könnte so etwas wie einen Busen haben. Noch schrecklicher wurde es aber, als sich dann endlich wirklich was tat. Plötzlich hatte ich das Gefühl, alle würden nur in meine Richtung starren.
Am liebsten hätte ich mich vor der ganzen Welt versteckt. Ich war mir vorgekommen wie das Beutetier bei einer Treibjagd. Ich war einfach noch nicht bereit dafür gewesen, die Aufmerksamkeit zu genießen, die man einer jungen Frau entgegenbringt, und jeder Kontakt mit einem Jungen hatte mich zur knallroten, stotternden Idiotin werden lassen.
Na, ja. Immerhin nenne ich nun einen halbwegs respektablen Busen mein eigen und mittlerweile habe ich begriffen, dass das nichts Besonderes ist und dass alle Frauen so was haben – sogar größer – wie mein charmanter Bruder mir mal meinte mitteilen zu müssen. Danke dafür! Da war ich dann gleich wieder zwei Tage lang mit Oberteil unterwegs gewesen, was niemand verstand, außer Didier - der kleinen Ratte - und mir.
Ganze zwei Nächte habe ich deswegen geheult, aber dann, am zweiten Morgen, kam eine andere Lana aus dem Kinderzelt. Es war nicht mehr die, die am Abend verzagt und voller Selbstzweifel auf ihre Luftmatratze gekrochen war, sondern eine, die bereit war, es mit der Welt aufzunehmen. Niemand – ich wiederhole: niemand wird mir je wieder einreden, dass ich nicht mithalten kann. Ich bin so wie ich bin, und so wie ich bin ist es gut!
Okay, damals hatte ich aus der Wut heraus eine ganze Menge Schub entwickelt, von dem dann wieder Einiges verloren ging, aber mittlerweile habe ich wirklich ein ganz gutes Verhältnis zu meinem Körper entwickeln können. Vor allem hängt das damit zusammen, dass ich im Besitz eines Gutachtens bin, das ich von Hervé, einem Jungen von meiner Schule bekommen habe. Wir waren eine zeitlang zusammen und er hatte es mich spüren lassen, dass er mich wirklich anziehend findet.
Etwas zu anziehend dann zuletzt. Schon bald wollte er mehr, als ich im Moment zu geben bereit war, und ich fürchte, er ist immer noch ein wenig beleidigt. Trotzdem war es eine schöne Zeit, und was immer auch passiert: zusammen mit Hervé habe ich viel über meinen Körper erfahren.
Das Oberteil-Problem hat für mich also keine Bedeutung mehr, und ich kleide mich im Urlaub so, wie mir im Moment zumute ist, und wie es meiner Meinung nach gerade passt. Und jetzt soll ich mich aufbrezeln, um möglichst vielen Leuten zu gefallen. Felix hat schon Recht: das ist ein ziemlich komischer Gedanke. Am Strand laufe ich den ganzen Tag lang rum, wie die Freundin von Tarzan, und jetzt kommen die Leute, um mich im Badeanzug zu sehen. Irre!
Trotzdem, ich werde es versuchen! Was habe ich schließlich zu verlieren, außer meinem Ruf, meinem Stolz und meiner Würde? Mit diesem tröstlichen Gedanken schlafe ich endlich ein.
Die frühe Morgensonne brach durch die gläsern scheinende Wasseroberfläche und warf durch die Schatten der kleinen Wellen tanzendes Licht auf den sandigen hellen Meeresboden. Es war die schönste Stunde des Tages. Nichts störte die Stille des Meeres. Nur das gedämpfte Tuckern eines eilig in den heimatlichen Hafen zurückkehrenden, kleinen Fischerboots drang bis in die Tiefe. Er liebte diese Momente, bevor der Tag wirklich begann.
Sacht schwebte er in dem noch morgendlich kühlen Wasser dahin, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung am Ufer wahrnahm. Schnell tauchte er tiefer hinab, schob sich hinter die Felsen und sah - sie. Die Reflexe auf der leicht bewegten Wasseroberfläche konnten seinen geübten Blick nicht täuschen. Es war das Mädchen aus dem Restaurant.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, tastete sie sich bis zur Taille ins Wasser. Ihre Zehen spielten leicht im Sand. Silbrige Sandkörner stiegen dabei auf und lockten einen Schwarm kleiner Fische an. Während ihre schlanken, feingliedrigen Hände die Wasseroberfläche in Tausende von Lichtreflexionen zerteilten, schritt sie langsam voran. Feine Sandfontänen stiebten vor ihren Füßen auf und glitzerten in der sachten Morgensonne, während sie langsam wieder zu Boden sanken. Stille umgab sie, während sich an ihrem Körper Millionen von kleinen schimmernden Luftbläschen bildeten die an ihr hafteten wie ein schillernder Anzug, der das Licht der Sonne in allen Farben brach.
Sie wippte leicht mit den Zehen. Das geflochtene, dünne Lederbändchen an ihrer Fessel rutschte bei dieser Bewegung unter den Fußknöchel. Die Muskeln ihrer Schenkel spannen sich. Plötzlich sprang sie hoch und glitt mit dem Kopf zuerst in einer Kaskade von unzähligen, funkelnden Bläschen unter die Wasseroberfläche. Mit kräftigen Zügen schwamm sie ein gutes Stück kurz unterhalb der Wasseroberfläche, während ein Schwarm von Luftperlen von ihrem schlanken Körper abglitt. Ihre offenen, blonden Haare umgaben schimmernd ihren Kopf. Sie glitten bei jedem Schwimmstoß zurück, um sich dann wieder sonnenglitzernd aufzufächern.
Geschmeidig drehte sie sich auf den Rücken und ließ sich von den Wellen sacht wiegen. Vom Grund aus schien es, als sei sie in Silber getaucht, so viele, hellschimmernde Luftperlen umgaben leuchtend die dunkle Silhouette ihres Körpers.
Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Er spürte in sich das Verlangen, sie jetzt zu umfassen, sie zu umschlingen, ihren weichen, zarten und doch so kräftigen Körper zu spüren. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Er wusste, dass das nicht gehen konnte. Dass er vielleicht niemals einen Menschen den er liebte, so innig würde berühren können.
Total verschwitzt und wie gerädert fahre ich um halb acht aus einem unruhigen Schlaf. Langsam, ganz langsam kommt die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück und an das, was heute passieren soll: Ich soll mich vor aller Welt blamieren, steht heute auf dem Programm.
„Quatsch!“ fluche ich laut vor mich hin und schäle mich ächzend aus meinem Bettzeug, das sich bei meinem nächtlichen Hin- und Hergewälze mindestens fünf Mal um meinen Körper gewickelt hat.
Ich schlüpfe in meine Bikinihose, schnappe mir mein Badehandtuch von unserer Wäscheleine und schlurfe nicht gerade energiegeladen zum Strand. Das Einzige, was mir jetzt helfen kann, wieder fit zu werden, ist ein Bad im kühlen, morgendlich stillen Meer.
Der Strand ist völlig leer. Mein Handtuch lasse ich neben den Badelatschen achtlos in den Sand gleiten und gehe langsam ins Wasser. Es ist so still, die Wasseroberfläche bewegt sich zu dieser frühen Morgenstunde kaum. Nur ein sachtes Plätschern der Wellen am Strand, das man auch hören kann, wenn man sich ganz still auf dem Rücken treiben lässt. Deswegen liebe ich den Morgen so sehr. Der ganze Strand gehört zu dieser frühen Stunde mir allein.
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