„Beruhigen Sie sich, Herr Ohek. Wo waren Sie denn heute Nacht?“
„Spielhalle.“
„Welche? Von wann bis wann?“
Der Hausmeister nannte den Ort und erklärte, dass er die ganze Nacht mit Kumpels gespielt hatte.
„Danke Herr Ohek, wir werden ihr Alibi überprüfen und melden uns bei Ihnen.“
Jakob Wildmann hatte wie angewurzelt daneben gestanden und folgte dem Kommissar jetzt ins Besprechungszimmer. Dort setzten sie sich einander gegenüber und Roberto sah den Lehrer regungslos an.
„Wo ist Ihr Handy, Herr Wildmann?“
Jakob runzelte die Stirn, tastete seine Taschen ab und hielt es einen Augenblick später in die Höhe.
„Haben Sie heute schon damit fotografiert?“
Der Lehrer schüttelte den Kopf und erklärte, dass das Akku seit gestern fast leer war und er es noch nicht hatte aufladen können, also hatte er es zwischendurch ausgeschaltet, aber immer dabei.
„Darf ich mal?“, fragte Roberto und hielt seine Hand hin.
„Bitte. Was suchen Sie denn?“
Der Kommissar hatte nicht geantwortet und das Gerät eingeschaltet. Es war nicht mit einem Pin gesichert, darum dauerte es nur einen Moment und Roberto starrte ein Foto an, auf dem Sandy nackt auf dem Lehrer saß, seine Hände waren an ihrer Brust. Sandy hatte das Selfie selbstgemacht. Ihr Gesicht verriet Angst und Sorge, sein Gesicht war nicht genau zu erkennen, weil er den Kopf wohlig zurückgebeugt und ins Kissen gedrückt hatte.
Roberto schob das Telefon schweigend über den Tisch. Jakob griff danach, dann wurde er weiß wie eine Wand. Seine Augen zuckten, er schluckte und als er wieder hochschaute, sprach das blanke Entsetzen aus ihm.
„Was ist das?“, flüsterte er.
„Sagen Sie es mir!“
„Ich habe keine Ahnung, wie dieses Foto auf mein Handy kommt. Ich … ich … kann … gar nichts mehr sagen. Oh mein Gott? Was ist das?“
Er sprang auf und lief verzweifelt vor dem Fenster hin und her. Roberto war äußerlich ruhig, aber innerlich brodelte es in ihm. Was sollte er denken? War dieser Mann Täter oder war er das Opfer einer bösartigen Intrige? Gehörte das Foto zu dem Spiel der Mädchen oder war es echt?
Jetzt stand er auch auf und sagte leise: „Wir holen jetzt Ihre Sachen und dann müssen Sie uns auf das Präsidium begleiten.“
Jakob stoppte, nickte mechanisch und sie gingen seine Tasche holen. Unten warteten Delia und Stefanie.
Die ging sofort auf Jakob los und fauchte ihn an: „Jetzt weiß ich, warum du abends nicht mit mir zusammensitzen wolltest! Du Schwein, du blöder Arsch! Kinderficker! Ich werde es allen sagen und dann bist du erledigt!“
Delia hatte Mühe, sie von ihrem Kollegen wegzuziehen.
Der flüsterte niedergeschlagen: „Ich habe nichts getan, Stefanie, ich dachte, du kennst mich. Ich war es nicht. Nichts habe ich getan. Gar nichts.“
Seine Kollegin warf ihm noch einen wütenden Blick zu, dann ging sie zum Auto, wo ihre Sachen schon im Kofferraum lagen. Ohne sich nochmal umzudrehen, fuhr sie davon.
Roberto zeigte Delia das Foto und zuckte mit den Schultern. Schweigend machten sie sich auf den Weg in die Stadt.
„Nein, ich werde ihn ganz sicher nicht abholen!“, rief Manja Hürsch empört, als sie Delia gebeten hatte, zum Präsidium zu kommen und ihren Freund abzuholen.
„Frau Hürsch, Sie sind doch die Freundin von Jakob Wildmann?“
„Ich WAR die Freundin von Jakob, aber das ist Geschichte. Ich will ihn nie wiedersehen. Er kann von mir aus bei Ihnen verrotten.“
„Was ist passiert?“
„Was passiert ist? Der miese Typ vögelt mit seinen Schülerinnen. Ich habe es ja immer vermutet, aber dank des Fotos, dass er mir auch noch selbst geschickt hat, ist es Gewissheit. Jetzt wissen Sie, was passiert ist. Sie denken doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich so ein Schwein auch noch bei der Polizei abhole?“
Delia antwortete ruhig, obwohl sie gerne den Hörer gegen die Wand geworfen hätte, denn sie hasste es, wenn man Fragen mit neuen Fragen beantwortete: „Frau Hürsch, ich verstehe Ihre Reaktion, aber ob Herr Wildmann das wirklich getan hat, ist noch nicht klar. Es kann auch sein, dass er das Opfer ist.“
„Was? Er soll das Opfer sein? Der arme Mann, dem sich die Mädchen an den Hals werfen? Niemals! Das Schwein hat sie sicher auch getötet, um seine Tat zu verschleiern.“
Delia hörte die Frau noch eine Weile schimpfen, am Ende willigte sie ein, Jakob abzuholen. Sie erklärte, dass sie seine Sachen packen würde, er könne sich sofort eine andere Bleibe suchen.
Jakob saß indessen im Verhörraum des Präsidiums in der Hochgasse und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Das ist ein Alptraum, dachte er, womit habe ich das verdient? In diesem Moment betrat die Kommissarin den Raum. Sie knabberte an der Unterlippe und nickte.
Roberto wandte sich wieder dem Lehrer zu.
„Fahren wir fort, Herr Wildmann. Sie sagen, Sie können sich an den Abend, an dem das Foto entstanden ist, nicht erinnern. Vielleicht wollen Sie sich nur nicht erinnern.“
„Oh Mann“, flüsterte der verzweifelte Lehrer und raufte sich die Haare, „bitte glauben Sie mir: Ich habe weder das Mädchen noch sonst irgendjemanden angefasst. Niemals! Ich bin ein guter Lehrer und sehr korrekt und niemals würde ich mit einer Schülerin etwas anfangen. Ich flirte nicht mal mit Kolleginnen, obwohl ich weiß, dass die eine oder andere nicht abgeneigt wäre. Aber … ich liebe Manja. Haben Sie sie erreicht? Kommt sie her?“
„Herr Wildmann, Ihre Freundin kommt sie abholen …“
„Gott sie Dank. Wenn ich sie nicht hätte.“
„Es … ich … sie kommt, um Sie in ein Hotel zu bringen. Es hat mich alle Überzeugungskraft gekostet, dass sie das überhaupt tut. Sie hat das Foto geschickt bekommen und denkt, dass Sie ihr damit wehtun wollten.“
Jakob sah die Kommissarin entsetzt an. Dann liefen Tränen über seine Wangen und er sank noch weiter in sich zusammen.
„Das kann nicht wahr sein“, jammerte er, „Manja wird mich nie wieder ansehen. Aber … aber so überlegen Sie doch! Wenn ich eine Affäre mit einer Schülerin hätte, würde ich meiner Freundin keine Bilder schicken, oder?“
Delia und Roberto sahen sich an. Irgendwie klingt er glaubwürdig, dachte sie und ahnte, dass ihr Kollege es ähnlich sah.
„Wir werden der Sache nachgehen, Herr Wildmann“, sagte Roberto in neutralem Ton. „Schließlich stehen wir ja erst am Anfang unserer Ermittlungen. Warum sollten die Mädchen Sie denn beschuldigen, wenn nichts an der Sache dran wäre? Damit hätten die drei ja die Polizei belogen und das traue ich denen nicht zu.“
„Die vier … drei sind mit allen Wassern gewaschen, Sandy war die Schlimmste. SIE hat mich ständig angemacht und nicht ich sie. Ich weiß nichts von dem Foto, also müssen die mir etwas ins Getränk getan haben.“
„Und was? Wie sollen die da drangekommen sein?“
„Was weiß ich denn? Sie sind doch die Polizei. Beweisen Sie meine Unschuld, sonst ist mein Leben zerstört! Genau das hat anscheinend jemand vor. Diese Mädchen lügen, wenn sie den Mund aufmachen. Fragen Sie meine Kolleginnen und Kollegen: Ich bin ein guter Mensch!“
„Wir werden jeden Einzelnen befragen, keine Sorge“, meldete sich Delia zu Wort. „Haben Sie Freunde im Kollegium, die Sie besser kennen? Hatten Sie mal zu einer Kollegin eine Beziehung, vielleicht vor Manja? Wie lange sind Sie zusammen?“
Jakob sah Delia traurig an und erzählte: „Manja und ich, das ist etwas ganz Besonderes. Wir sind jetzt drei Jahre ein Paar. Auf einer Fortbildung sind wir uns begegnet, es war Liebe auf den ersten Blick. Und mein bester Freund ist gleichzeitig mein Kollege. Johannes und ich haben zusammen studiert und in einer Studenten-WG gelebt. Er wird meine Aussagen bestätigen. Johannes weiß auch von Sandys Versuchen mich ins Bett zu kriegen.“
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