Nach dem Gebet zog ich mich um und band mir mein Kopftuch. Danach schaute ich noch mal zu Bilal und lief leise raus. Ich hoffe er verzeiht es mir eines Tages.
Wie es aussieht schlafen die Meisten noch, wenn nicht sogar alle. Aber es ist auch nicht gewöhnlich, dass um 8 Uhr schon Leben in einem Haus tobt. Ich ging runter und suchte die Küche. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals an diese riesen Villa gewöhnen werde. Gestern war mein Zuhause eine 1-Zimmer Wohnung und jetzt soll ich das Zuhause nennen. Ich habe oft erlebt, wie sich alles von einem Moment auf den anderen ändern kann. Mit der Zeit habe ich gelernt alles Wert zu schätzen.
Nach langem Suchen, kam ich endlich in der Luxus Küche an und traf dort auf zwei Angestellte, die sich gerade unterhielten.
„Guten Morgen, du musst die Frau von Bilal sein“, begrüßte mich die eine als sie mich bemerkte.
„Wow, wie Bildhübsch du bist, ich wusste, dass Bilal Geschmack hat“, sagte die andere und ich bedankte mich kaum hörbar.
„Du kannst dich gerne schon hinsetzten, wir fangen jetzt an das Frühstück zuzubereiten. Die anderen müssten auch bald aufwachen“, sagte die Erste wieder.
„Außer Bilal und Rislan. Die beiden könnten den ganzen Tag schlafen“, lachte die Zweite.
„Setzt dich“, bot mir die Erste wieder an und deutete auf eine weiche Bank.
„Ich würde gerne helfen“, antwortete ich.
„Du brauchst uns nicht helfen. Wir machen das gerne und außerdem ist das unser Job“, lächelte sie dankend und die andere stimmte ihr zu.
„Darf ich trotzdem helfen“, fragte ich dann leise und die beiden schauten sich an.
„Wenn du unbedingt willst, dann gerne“
Zusammen bereiteten wir dann Frühstück vor. Ich bestand darauf Pfannkuchen zu machen, so wie sie Mama immer machte.
„Es ist Gebetszeit. Ist es okay, wenn ich kurz beten gehe“, fragte ich leise nachdem ich auf die Uhr schaute.
„Ja klar, natürlich darfst du gehen. Du musstest uns gar nicht erst helfen. Du kannst gehen und kommen wie du Lust hast. Fühl dich Zuhause. Danke für deine Hilfe“, sagte sie und ich lächelte dankend.
Wieder im Zimmer ging ich beten. Bilal schlief noch. Genau als ich dabei war den Gebetsteppich wieder zusammenzufalten klopfte es an der Tür.
„Bilal? Nassira? Aufwachen, Frühstück. Heute haben wir viel vor. Macht die Tür auf“, ertönte es von der anderen Seite. Es war Nora. Ich urteile nie über Menschen grundlos, aber bei Nora lässt mich mein Bauchgefühl nicht in Ruhe sie nicht zu mögen, auch wenn sie mir nichts getan hatte. Schnell lief ich zur Tür und öffnete sie.
„Guten Morgen, Kommt, essen ist fertig“, sagte sie lächelnd, aber mir kam das Lächeln nicht ehrlich vor. Ich sollte nicht urteilen ehe ich sie kennengelernt habe.
„Ist Bilal auch schon wach?“, fragte sie dann und ich schaute kurz nach hinten. Als ich sah, dass er noch tief und fest schläft, schüttelte ich den Kopf.
„Weck ihn bitte, heute muss er mit uns essen. Wir haben viel vor“, sagte sie und ich nickte. Sie ging, aber drehte sich dann direkt wieder um „Ach ja, wenn er wach ist, soll er bitte auch Rislan aufwecken“, ergänzte sie und ging dann.
Rislan mochte ich von Anfang an. Sie ist verrückt und hyperaktiv, aber sie strahlt viel Liebe und positive Energie aus.
Ich lief zu Bilal und rief ihn, aber als ich merkte, dass es zwecklos ist, rüttelte ich vorsichtig an ihn. „Bilal? Bitte wach auf. Deine Mutter war eben hier, ich soll dich wecken“, sagte ich. Endlich drehte er sich und rieb seine Augen. Direkt trat ich einen Schritt zurück. Dann schaute er mich an und setzte sich auf.
„Meine Mutter war hier?“, fragte er mit rauer Morgenstimme und streckte sich. Ich nickte.
„Nora hat auch gesagt, dass du Rislan wecken sollst“, ergänzte ich leise.
„Achso, Mutter Nora“, murmelte er und lehnte sich lustlos zurück.
„Wie viel Uhr haben wir?“, fragte er dann. Ich schaute auf mein Handgelenk und antwortete dann: „Kurz nach 10“.
„So früh“, murmelte er und nahm dann seine Decke weg. Um 10 Uhr stehe ich spätestens auf wenn ich spät schlafen gegangen bin oder eine schlaflose Nacht hatte.
„Ich muss noch beten, wenn du willst kannst du schon runter gehen“, sagte er und stand auf. Ich nickte und öffnete die Tür. Bevor ich den Raum verlassen konnte, rief Bilal hinter mir nach draußen: „Badr, Bruder“.
Der Junge in Bilals Alter blieb verwundert stehen und lief im Flur einige Schritte zurück. „Bilal, so früh schon wach?“, fragte er erstaunt und schaute an mir vorbei zu Bilal rein. Ich öffnete die Tür weiter, damit die beiden reden können.
„Ja Mutter Nora hat mich wecken lassen. Sie hat gesagt, ich soll auch Rislan wecken. Geh du mal bitte deine Schwester wecken“.
„Junge ich brauche Jahre um sie wach zu bekommen, weck du sie“.
„Ich muss noch beten und essen fängt gleich an. Sag einfach heute sind die Hochzeitsvorbereitung“.
„Ach ja, sie liebt shoppen. Okay ich wecke sie“, sagte er und ging. Bilal bedankte sich und ich ging auch. Hinter mir zog ich die Tür zu.
„Guten Morgen Nassira, ich hoffe du konntest gut schlafen“, begegnete ich Alia auf dem Weg nach unten.
„Ja danke“, erwiderte ich ihr Lächeln. Alia erinnert mich sehr an Rislan. Die beiden haben dieselbe schöne Ausstrahlung. Der einzige Unterschied ist, dass Rislan hyperaktiv und verrückt ist und Alia ruhig und erwachsen. Ich bin mir sicher wenn Rislan 10 Jahre älter ist, wird sie genauso wie ihre Mutter sein.
„Guten Morgen Alia, Guten Morgen Nassira. Kommt, setzt euch schon“, begrüßte Khalid uns. Ihn sah ich schon immer wie mein zweiter Vater, ich denke, ich werde keine Probleme haben mich an ihn zu gewöhnen. Wir erwiderten die Begrüßung und setzten uns zu den anderen.
„Sind Bilal und Rislan wach?“, fragte Nora mich und ich nickte als Antwort.
„Pfannkuchen!“, rief ein süßes Mädchen um die 12 Jahre fröhlich und zog somit die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Hinter ihr liefen Zwillinge. „Ja man, wir haben richtig lange nicht mehr Pfannkuchen gegessen“, freute sich der eine Zwilling und der andere stimmte ihm zu. Das Mädchen hatte ihre Haare zu einem strengen Dutt gebunden. Als sich die Zwillinge sich neben dem Mädchen setzten, bemerkte ich erst ihre Ähnlichkeit. Ich schätze, dass sie Geschwister sind.
„Ich rieche was neues“, ertönte wieder eine Stimme an der Tür. Dieses Mal war es Badr gefolgt von Bilal und Rislan. Als Rislan mich sah, umarmte sie mich von hinten über den Stuhl und setze sich dann neben mich.
„Sehr gute Idee. Ein besonderes Frühstück zum besonderen Anlass“, lobte Khalid die beiden Angestellten für die Küche.
„Es war gar nicht unsere Idee“, sagte die eine und die andere nickte: „Wir haben sie auch nicht gemacht“.
„Wer war es dann?“, fragte Khalid mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Nassira“, antworteten beide wie aus einem Mund.
„Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich sofort und schaute runter, weil ich plötzlich schuldig fühlte.
„Du musst dich doch nicht für sowas entschuldigen“, sagte Rislan und strich mir über meinen Arm.
„Wir freuen uns doch darüber“, ergänzte Badr.
„Ja, wir müssen uns bedanken. Dankeschön“, stimmte die 12 Jährige glücklich mit ein und ich fing an mich zu schämen.
Als alle da waren, fingen wir gemeinsam an zu essen. Nach dem Essen drängte mich Rislan sofort dazu mich zu beeilen, weil wir noch viel vor hätten. Also ging ich zügig in Bilals Zimmer, betete und klopfte dann an Rislans Tür. Ich hoffe, dass ich die richtige Tür erwischt habe.
„Ich bin gestresst, ich kann gerad nicht“, ertönte es von innen. Ohne zu zögern trat ich direkt von ihrer Tür zurück und fühlte mich schlecht dafür, dass ich sie gestört hatte. Ahnungslos lief ich dann durch die Villa.
Читать дальше