„Na, dann viel Vergnügen. Was gibt es denn?”
„Wat dat nich all gifft!”, sagt Anderson schmunzelnd und reicht Malvoisin die Hand.
„Wat dat nich all gifft”, wiederholt Malvoisin und muß selbst grinsen, „und bedankt, min Leeven, hast uns sehr geholfen.”
„Da nich für, und tschüs.”
„Viel Spaß, und sag’ Deiner Grete schöne Grüße. Sie soll Dich am Leben lassen, ich weiß wo sie wohnt!” „Ich werd’s ihr ausrichten und mit einem breiten Grinsen ist Klinge Anderson draußen.
Malvoisin setzt sich wieder und betrachtet nachdenklich die Aufnahmen von John Doe, während auf dem Bildschirm der Polizeistern als Schonerbild herumwandert.
„Zwei Täter, rechtshändig, linkshändig, sitzend, Valium, durchkreuzte 21, Erledigung, vorher Sex, vertraut, nackt, ”, murmelt er vor sich hin und kratzt sich am Kopf. „Aber warum hast du den Dildo im Arsch gehabt”, wird Malvoisin laut und schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch.
*
Christian hatte in der Klause das Glück, im Außenbereich die süße Polin Krystyna zu treffen, die er seit dem letzten Sommer schon kannte. Sie sah ihn zwar mit großen Augen an, als er nach zwei Geschirrhandtüchern verlangte, aber da sie ein wenig verliebt in ihn war, fragte sie nicht lange und holte sie ihm. So mußte er ihrem Chef schon keine indiskreten Erklärungen geben. Sein „Dank Dir, Süße” und der Wangenkuß hatten dem schüchternen Mädchen eine sehr frische Gesichtsfarbe verschafft. Christian flitzte zu Isa zurück, knotete die beiden Handtücher zusammen und seine neue Schöne konnte so durch den Ort. Als sie am Theehaus vorbeiliefen, blieb sie plötzlich stehen.
„Du, Stella hat den Wohnungsschlüssel, ich komm’ gar nicht ’rein.” Da hatten sie das Malheur. Wo sie denn wohne, wollte Christian wissen. „Bei Frau Lehmann”, gab sie zur Antwort.
„Bei Mama Lehmann?”
„Ja, hinten, im Weißen Haus.”
„Oh je”, hatte er gemeint, „Mama Lehmann ist eine Seele von Mensch, aber sie sludert gern mal. Dann sind wir im Dorf ’rum.” Ob sie nicht zu ihm mitkommen wolle, da könne er ihr ein T-Shirt und eine Hose geben. Dem hatte Isa gern zugestimmt und so waren sie über den Landesdeich auf dem Weg um den Ort herum zu Christians Elternhaus gelaufen und außer einem anderen Pärchen, das nicht viel Notiz von ihnen nahm, niemandem begegnet. Im Gegensatz zu Christian ist Isa aber das Barfußlaufen außerhalb eines Strandgebietes nicht wirklich gewohnt und so war manche Begegnung mit kleinen Steinchen auf den Wegen eher schmerzhaft. Christian eröffneten sich damit weitere Möglichkeiten liebevoller Zuwendung. Fußsohlenmassage hat ‘was. Jetzt mußten sie aber erst einmal ungesehen ins Haus kommen.
Die Dämmerung ist noch nicht weit fortgeschritten und so keine große Hilfe. Alberichs Tarnkappe sollte man haben, denkt sich der junge Prinz, aber er hat sie nicht.
„Mit wem kommt Christian denn da an?” Christiana sieht von ihrem Zimmer aus hinaus, als sie gerade das Fenster schließen will, um nicht die halbe Nacht auf Mückenjagd sein zu müssen. „Was trägt die denn da als Oberteil? Sieht ja aus wie Handtücher. Christian war wohl stürmisch.” Sie weiß nicht, ob sie sich amüsieren oder traurig sein soll, daß ihre heimliche Liebe sie einfach nicht wahrnimmt, verriegelt und zieht die Gardinen zu.
Frieda Johannson geht noch einmal ums Haus, um nachzusehen, ob alles aufgeräumt und in Ordnung ist. Sie bückt sich nach einer vergessenen Schaufel, und im Aufschauen sieht sie Christian, der seltsam verhalten auf sein Elternhaus zukommt. „Wat is denn dat för ‘ne Deern bi Krischan? De sütt ja abasig [komisch ] ut. Hett de nix antotrecken?” Kopfschüttelnd geht sie ins Haus und wird ihn am nächsten Tag fragen: „Na, Krischan, ik bün ja man nich neeschierig, aber hest ‘ne anner Fründin?” „Öh, ja, gewissermaßen, äh, woher?”, wird er farbig untermalt herumdrucksen. Er war sich so sicher gewesen, nicht gesehen worden zu sein.
„Komm’, leise, wir gehen über die Terrasse hinein, da können wir uns am ehesten unbemerkt in mein Zimmer schleichen.” Isa findet es inzwischen ganz amüsant, warum Christian es so heimlich hat, sie zu seinen Eltern mitzunehmen und nicht einfach zur Haustür hineingeht. Er öffnet das seitwärtige Gartentörchen und winkt sie herein, legt aber gleichzeitig den Zeigefinger auf den Mund. Sie versteht und freut sich erst einmal, weichen Rasen unter den Füßen zu haben - keine pieckenden Steinchen mehr. Christian macht das Törchen zu und nimmt die abwartende Isa bei der Hand. Er sichert nach allen Seiten, zieht sie mit sich, kommt herum zur Terrasse, will ihr gerade noch einmal bedeuten, nur ja leise zu sein, als er bemerkt, daß die Haustür die bessere Wahl gewesen wäre …
„Na, mein Sohn, doch noch Hunger?” Christian zuckt zusammen und Isa schreit leise auf, was nicht so schlimm gewesen wäre, aber sie schreckt derart zusammen, daß sich ihr Behelfsoberteil in seine Einzelteile zerlegt und zu Boden segelt.
Malvoisin legt ein Buch weg, neben den unvermeidlichen Topf grünen Tees, sieht seinen Großen fragend-amüsiert an und beantwortet sich die Frage selbst:
„Wie ich sehe ist für Dein leibliches Wohl bestens gesorgt, nicht wahr?”
„Äh, ja, hallo Papa. Ich dachte, ähem, ich dachte …” „Du dachtest, Karin weg, Tessa weg, Deine Mutter in der Küche und Dein Vater ist noch im Existenzkampf für seine vergnügte Familie unterwegs, richtig?”
„Ja, ähä, so ’was ähnliches, dachte ich wohl.” Christian kratzt sich verlegen am Kopf und bückt sich, um der kurzzeitig schreckerstarrten Isa wenigstens eins der Handtücher vor den Busen zu halten.
„Wenn Du wieder richtig sprechen kannst, würdest Du mir bitte Deine Begleitung vorstellen? Immerhin möchte ich wissen, wer heute bei meinem Sohn übernachtet, wenn Du erlaubst. Deine Mutter könnte sich morgen früh sonst übergangen fühlen oder gar denken, sie könne nicht mehr zählen, wenn eins mehr am Tisch sitzt.” Dabei sieht er Isa lächelnd, aber prüfend an. „Und Du weißt, wie schnippsch Deine Mutter werden kann, wenn sie respektlos behandelt worden ist oder es jedenfalls glaubt. Und heel füünsch ward Dien Moder, wenn se sik asig verfeert, dat dor een to veel is in‘t Huus.” Christian erinnert sich nur zu gut.
„Ja, äh, Verzeihung, Papà, das ist Isa van Heelen. - Isa, das ist mein Vater, Martin Malvoisin.” Dabei deutet er mit seiner Rechten hin und her.
Malvoisin kommt auf sie zu, reicht ihr die Hand, wozu sie erst den Handtuchhaltungsgriff wechseln muß, sonst hätte sie wieder im Freien gestanden. Ihr Lächeln wirkt dabei noch etwas verlegen.
„Fräulein van Heelen ist zum Abendessen eingeladen“, bestimmt der Hausherr. „Ich werde Deiner Mutter sagen, daß sie noch zwei Plätze mehr auslegen möchte, während Du mit unserem Gast hinaufgehst und feststellst, ob eines Deiner T-Shirts paßt und eine Deiner älteren Hosen. Das ist doch das, was Du wolltest, nicht wahr?” Christian nickt eifrig zustimmend, froh darüber, daß sein Vater ihm die Ablenkung von seinen erotischen Planungen ermöglicht. „Den Strand läßt Du aber bitte draußen.” Dabei wischt er ihm etwas Sand von der Schulter, und Christian beginnt augenblicklich, die Spuren seines Bettersatzes abzuwedeln. Er sieht sich schon wieder mit dem Staubsauger in der Hand. Nee, welche Blamage, bekäme Isa das mit. „Und Sie, junge Dame, sorgen bitte dafür, daß mein Sohn für sich selbst auch etwas findet. Wir sehen uns in zwanzig Minuten. Im Obergeschoß ist ein Bad, in dem Sie sich frisch machen können. Aber nicht so laut. Deine Brüder schlafen schon”, womit er seinen Ältesten ermahnend ansieht.
Christian nimmt Isa bei der Hand und zieht sie ins Haus. Beide sind froh, dieser Überraschungsszene erst einmal zu entkommen. Malvoisin folgt ihnen mit leichtem Kopfschütteln und erinnert sich schmunzelnd diverser Einschleusungsversuche aus seiner Teenagerzeit.
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