Es kommt Isa wie eine Ewigkeit vor, daß sie aus dem Wasser gestiegen sind, als sie bemerkt, daß sie, eng an Christian gekuschelt, immer noch im Sand liegt, der sich immer noch warm anfühlt. Sand und Christian - wohlgemerkt. Sie schnuppert an der Brust ihres apollinischen Liebhabers, die sich ruhig hebt und senkt. Seine Augen sind geschlossen. „Wie gut er duftet, und so schön ist er.” Was sie nicht ahnen kann, sind seine Gedanken. „Ich kann es ja nicht glauben, daß ich diese schöne, superheiße Katze erobert habe. - Mann, wenn das so weitergeht, dann verglüh ich an ihr zu Asche.“ Christian hat noch nicht begriffen, daß er nicht erobert hat, sondern ausgesucht worden ist. Er lernt das noch.
Isa sieht ihn lange an und berührt dann seine Lippen mit ihrem linken Zeigefinger. In dem Augenblick schnappt er nach ihr und sie fährt lachend zusammen.
„Du schläfst ja gar nicht”, und patscht mit ihrer Linken auf seine Brust.
„Wie könnte ich, da würde ich doch verpassen, daß Du bei mir bist.”
Und ehe sie sich versieht, küßt Christian sie, als wolle er sie zurück in den Nebel entführen aus dem sie gerade erst erwacht ist, noch einmal Achterbahn mit ihr fahren. Er will noch einmal glühen. So sehnsüchtig sie das gerne mitmachte, so deutlich bemerkt sie den Sonnenstand, der ihr sagt, daß der Abend hereingebrochen ist, und sie erinnert sich.
„Hhmm … Du … hhmm … hör’ mal …”
„Was denn?”, und er will weitermachen.
„Du, hör’ mal auf, unsere Klamotten …”
„Was kümmern mich, …”, dann fällt es auch Christian ein. „Oh je, Tante Horch hat abgeschlossen.”
Christian richtet sich auf, auch Isa geht in Sitzposition.
„ Ich kann ja so durch den Ort, ich meine, mit Badehose, aber Du? Dein Oberteil liegt doch noch an der Buhne. Mist!” Er überlegt kurz. „Obwohl, Jan und Deine Freundin werden das kaum liegengelassen haben. Vielleicht haben sie alles abgegeben, aber jetzt ist da zu.”
„Ja, was machen wir denn jetzt?” Nicht, daß Isa schüchtern wäre, aber dumme Blicke braucht sie trotzdem nicht.
„Paß auf. Wir gehen jetzt Richtung Promenade. Du bleibst hinter der Agentur Horch und ich geh’ zum Peterson und hol’ mir zwei Küchenhandtücher. Die knoten wir zusammen und Du hast ein ganz gutes Brusttuch. Einverstanden?” Isa nickt. „Ich könnte auch nach Hause gehen und einen passenden BH von meiner größeren Schwester holen, aber wenn sie da ist, müßte ich es erklären und Dich hier zu lange allein lassen. Beides blöd.” „Fürsorglich ist er auch noch, wie süß!”
Christian erhebt sich, sucht seine Badehose und Isas Bikinihöschen. Er gibt seiner Geliebten beide Hände, zieht sie hoch und steigt in sein Badetextil. Während sie sich mit beiden Händen den Sand von Po und Beinen wedelt, kniet Christian nieder und läßt Isa in ihres steigen. Er nutzt die süße Gelegenheit, ihre Venus zu küssen, was ihr sehr gefällt, ehe er das Höschen hochzieht. Auf halber Höhe angekommen, steht er auf und will Isa umrunden, um es zu vollenden, als sie, wie automatisch, es selbst tun will, was ihr eine zärtliche Rüge beschert.
„Nicht - ich habe Dich ausgezogen, ich zieh Dich auch wieder an.”
Lächelnd erwidert sie: „Bestimmst Du das im…” Weiter kommt sie nicht. Er verschließt ihr den Mund und sie dreht sich zu ihm herum und hilft ihm dabei, und ganz langsam zieht er den texilen Verschluß über das Paradies.
*
Malvoisin sitzt in seinem Büro und durchforstet Datenbanken. Er hat die vage Hoffnung, irgendwo einen Parallelfall zu finden. Langeland hat sich bereits verdrückt, Anders meinte nach dem Kantinenbierchen, er wolle jetzt in Familie machen, sonst mache die Familie etwas mit ihm, und er selbst verlängerte seinen Dienst wohl auch als eine Art Windelflucht. Maren hatte schon Andeutungen gemacht, sie erwarte, daß er eine Vaterzeit nähme, und ihm schwante, daß er dem wohl nicht würde ausweichen können. Er liebt seine beiden Mini-Prinzen sehr, aber diese vollen Windeln, bäh. Scheiß-Urlaub bekommt gleich eine ganz andere Bedeutung, wenn er an diese gewaltigen Portionen denkt, die die beiden Kleinen … Ein Klopfen reißt ihn aus den übelriechenden Betrachtungen.
„Ja, bitte!”
Professor Anderson steckt den Kopf zur Tür herein. „Wie schön, Du bist noch da.”
„Ah, Klinge, hast Du Lesestoff dabei?” Seine Miene heitert sich auf. Die befürchteten Geruchsattacken rücken wieder ein Stück in die Ferne. Bei aller Liebe zu den Kleinen … Frauen sind ja doch härter im Nehmen.
„Ich dachte, ich bringe es Dir gleich selbst.”
„Bist Du mit John Doe fertig?”
„DNA haben wir bald, aber der Rest ist klar.”
„Na, dann setz Dich. Erzähl kurz.”
„Also. Die Todesursache ist in der Tat die Schnittwunde am Hals. Er ist schlicht verblutet. Johnnyboy hatte eine heftige Dosis Diazepam im Körper. Oral genommen, keine Einstichstellen. Damit war er nicht sofort weg, dann aber gründlich, eine Weile zumindest. Mit Rohypnol geht es zack“, er schnippt knallend mit Daumen und Mittelfinger, „aber an das Zeug kommt ein Normaltäter ja doch nicht so leicht heran.”
„Haben wir es denn mit einem Normaltäter zu tun?”
„Deine Sache. Ich kann Dir nur sagen, wie es gemacht wurde, nicht warum .”
„Fesselungsspuren?”
„Nein. Die Abschürfungen an seinen Füßen rühren vom Hochziehen am Baum her.”
„Wer nimmt denn freiwillig dieses Zeug bis zur Bewußtlosigkeit? Medikamentensucht?”
„Keine Anzeichen. Der junge Mann war kerngesund und bestens trainiert. Berufssportler, Stuntman, Offizier, Kollege …”
„Ein Polizist?” Malvoisin zieht die Stirn kraus. „Das fehlte uns noch. Goldkränzchen dreht durch, weil dann bald der Innere anruft.” Ihm schwant einen Augenblick lang übles.
„Na ja, das festzustellen ist Eure Sache. Übrigens, er hatte bis auf die Weisheitszähne ein vollständiges, perfektes Gebiß. Zahnbild habe ich bereits eingegeben. Sobald ihn ein Zahnarzt erkennt, haben wir ihn. Und eine seltsame Kleinigkeit haben wir noch entdeckt.”
Malvoisin horcht auf.
„Mach’s nicht so spannend.”
Professor Anderson senkt kurz den Blick, muß grinsen, faßt sich und sieht sein Gegenüber mit einem Räuspern an.
„Er hat eine kleine Verletzung an seinem Besten ...”
„Wie bitte?” Malvoisin springt auf. Er befürchtet eine Sekunde lang „Malte Kröger Teil zwei ‘Der Unvollendete’”. „Ist er gebissen worden?”
„Nein, Zahnabdrücke sind keine zu sehen, aber eine kleine Ritzung. Sieh Dir das Bild an.”
Malvoisin schlägt die Mappe auf, die Anderson ihm hingelegt hat, und betrachtet die ausgedruckte Aufnahme.
„Kann er selbst Haare entfernt haben?”
„Möglich ist das schon. Sieh hier.” Anderson zeigt auf ein weiteres Bild. „Sein Hodensack ist rasiert. Er muß es gerade erst gemacht haben, keine Stoppeln. Und er hat Schamhaarwuchs am unteren Schaft, auch sauber rasiert. Er selbst, eine Freundin, ein Freund, wer weiß, kleine Ungeschicklichkeit. Aber ich tippe eher auf Ritzung durch einen scharfen Gegenstand, vermutlich ein sehr scharfes Messer, denn …” Anderson blättert in der Mappe um, „… sieh hier: Er hatte eine weitere kleine Ritzung am Hals, oberhalb der Ausblutungswunde.” Malvoisin holt ein Vergrößerungsglas aus einem Schreibtischfach und besieht sich die Aufnahme näher.
„Er hatte einen recht starken Bartwuchs bis auf den Halsbereich ausgedehnt”, fügt Anderson hinzu, „also können Rasurschnitte sehr wohl sein, denn wir wissen ja nicht, ob er sich mit Einlegklingen oder einem Rasiermesser geschabt hat. Und sieh Dir die Ritz- und Schnittführung an.” Anderson deutet über den Tisch hinweg auf die tödliche Wunde. „Der Ausblutungsschnitt ist ihm hängend mit dem Kopf nach unten beigebracht worden, die vergleichsweise schwache Ritzung aber so.” Der Professor deutet auf dem Bild darauf, kommt dann um den Schreibtisch herum und deutet es an Malvoisins Hals an. „Er hat dabei gesessen oder gestanden. Ein gesunder Mann wird immer vor einem Spiegel stehen , wenn er sich rasiert, auch im Intimbereich. Unser John Doe hat gesessen und ist durch Bedrohung zur Einnahme der heftigen Valiumdosis gezwungen worden. Ein stehender Mann kann seine Ellenbogen und Fäuste gebrauchen, er kann mit seinen Knien rammen, er kann treten, ein sitzender ist leicht in Schach zu halten. Selbst von kleineren Personen, die ihn stehend immer noch überragen.” Malvoisin sieht den Gerichtsmediziner mit hochgezogener rechter Augenbraue an, der fortfährt: „Ich laß mich hängen, aber es waren mindestens zwei. Ich halte es für unmöglich, daß eine Person einen trainierten Mann allein so zum Stillhalten zwingen kann, wenn dasjenige keine Schußwaffe besitzt, denn wenn er die Genitalbedrohung auch abwehren könnte, dann schneidet der oder die andere oder sticht zu. Finis. Einer oder eine allein ist dem Opfer viel zu nah und kann durch schnelle Bewegungen doch noch abgelenkt und überwältigt werden. Ihr müßt mindestens zwei Täter und oder Täterinnen suchen, und zwar an seinem Wertvollen ist rechtshändig, hinter ihm stehend linkshändig geritzt worden, was auch auf einen beidhändigen Menschen deuten kann. Er selbst war Rechtshänder, sein rechter Arm ist etwas kräftiger ausgebildet. Gute Jagd, mein Lieber. Ich hab’ jetzt Feierabend. Meine Frau hat Karten fürs Ohnsorg-Theater. Wenn wir das verpassen bringt sie mich um.”
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