Anderson verzieht auch sein Gesicht, aber anders, irgendwie unwirsch. Er ruft seine Assistentin Kronborg.
„Lilli, komm’ mal her. Hast Du noch Handschuhe an?”
„Allzeit bereit, Herr Professor.”
Fräulein Kronborg, auf das “Fräulein” legt sie größten Wert, man müsse schließlich anzeigen, daß man als Frau zu haben sei, wie sie nicht müde wird zu betonen, eilt dienstbeflissen herbei.
„Heb’ ihn mal an und zeig’ uns die Kehrseite.”
Malvoisin und Langeland sehen sich achselzuckend und augenbrauenanhebend an. Professor Anderson legt den Dildo an die Poritze.
„Hier, meine Lieben, da kommt er her.”
„Zwischen den Pobacken eingeklemmt? Das hätten wir doch sehen müssen.”
„Ihr versteht nicht. Er hatte ihn im Rectum.”
„Wie bitte?” Malvoisin zieht die rechte Augenbraue wieder bedenklich hoch. Sie bleibt vermutlich wirklich einmal dort oben.
„Eine Schwuchtel?”
„Nicht so voreilig.” Anderson sieht Langeland mißbilligend an. „Richtig ist, daß er, und ich verbitte mir jegliches Grinsen, nüchtern betrachtet, regelrecht verkorkt wurde, wer immer es getan haben mag. Und er hatte vor seinem Tod sexuellen Verkehr. Wir haben Samenreste an seinem Penis gefunden, aber nicht im Analbereich. Er hat Oral- und/oder Vaginalverkehr gehabt und muß kurz danach getötet worden sein, wenn er ein normal reinlicher Mensch war.”
„Wie kommst Du darauf?” Malvoisin bohrt nach.
„Er hat sich nicht mehr gewaschen oder ist gewaschen worden. Und er hat Spuren eines starken Betäubungsmittels im Blut. Er wurde außer Gefecht gesetzt und zwar ziemlich schnell. Vielleicht ist der Täter nicht sehr kräftig oder wollte am Ort der Ausschaltung keine Spuren hinterlassen. Es soll sich durch diverse Krimis herumgesprochen haben, daß mit heutigen Möglichkeiten auch abgewischtes Blut sich noch zweifelsfrei feststellen läßt, aber das ist Euer Bier.”
„Du sagst Ausschaltung?“
„Ja. Er ist mit ziemlicher Sicherheit nicht an dem Ort betäubt worden an dem er gestorben ist. Es muß eine gewisse Zeit vergangen sein, sonst hätte er sich nicht mehr selbst an den Hals fassen können, um die Wunde zuzuhalten und bei einem Betäubten ist ein Knebel normalerweise nicht nötig.”
„Kommt als Täter eher ein Mann oder eine Frau in Betracht?”
„Malle! Es kann ein zarter, aber trainierter Mann gewesen sein, eine kräftige Frau, zwei Frauen, zwei Männer, eine Frau und ein Mann, alles ist möglich. Aber geht mal von zwei Personen aus, die das bewerkstelligt haben. Hochziehen und anbinden - allein fast nicht zu machen. Und Sturzverletzungen hat er nicht, also ein Zug - und er hing. Deutliche Hämatome haben wir auch keine, also ist er im Vorgang des Bewußtloswerdens nicht hingefallen, sondern er hat gesessen oder er lag, vielleicht im Bett. Ach, eins noch. Seltsam ist, daß ein kleines Büschel Schamhaare ausgerissen ist. Sieh hier.” Professor Anderson deutet auf die Stelle in dem sehr dichten schwarzen Intimpelz des Toten.
„Herr Professor, wir haben etwas vergessen.” Fräulein Kronborg hat wie ermahnend den rechten Zeigefinger erhoben und geht in den Nachbarraum. Die drei Männer sehen ihr nach und sich achselzuckend an. Anderson räuspert sich.
„Und wenn ich Dir eine Vermutung mitgeben darf, was das ungewöhnliche Verkorken betrifft.”
„Ja, laß’ hören.” Malvoisin ist gespannt was nun kommt.
„Es kann ein verunglücktes Liebesspiel gewesen sein, allerdings habe ich keine Anzeichen für Analverkehr bei ihm gefunden, geschweige denn häufigen. Ich glaube eher, es könnte eine Demütigung gewesen sein. Es ist nur so eine Ahnung, aber das werdet Ihr erst herausfinden, wenn Ihr sein soziales Umfeld kennt und Kontaktpersonen Euch sein sexuelles Verhalten offenbaren.”
„Dank’ Dir, Klinge, für Deine Erkenntnisse. Das wäre es dann erst einmal.” Zu Langeland gewandt: „Fritz, hast Du Deine Digitalkamera dabei?”
„Immer am Mann.”
„Dann mach’ bitte eine Aufnahme von ihm.”
„Seine ganze Schönheit oder nur Brustbild?”
Malvoisins genervte Mimik genügt wortlos.
„Ist ja schon gut. Hätte sowieso nicht geglaubt, daß ihn jemand an seinem Schwanz wiedererkennt. Und Tätowierungen hat er ja keine.”
Anderson greift ein.
„Sagen Sie das nicht. Haben Sie das nicht bemerkt?”
„Was, bitte? Tätowierungen?” Langeland läßt die Kamera sinken.
Anderson schlägt das grüne Tuch ganz zum Fußende zurück. „Sehen Sie genau hin.” Er deutet auf die Genitalien.
„Beschnitten. Ja und? Ist das so wichtig? Selten, fast nur bei Juden und Moslems.” Malvoisin zieht seine Stirn in Falten, steht auf der Leitung, Langeland weigert sich innerlich.
„Unser Freund hier ist nicht aus religiösen Gründen beschnitten worden. Er hatte mit ziemlicher Sicherheit eine Vorhautverengung und die dürfte bereits im frühen Kindesalter behoben worden sein. Seine sonst wohlgeformte Eichel ist insgesamt deutlich breiter als der Schaft seines Genitals. Er hätte ohne Operation als pubertierender Junge nur mit Schmerzen, wenn überhaupt, onanieren können und Geschlechtsverkehr wäre für ihn kaum möglich gewesen. Schon Spontanerektionen als kleiner Junge dürften für ihn schmerzhaft gewesen sein, daher der Eingriff. Sein Hausarzt erkennt ihn bestimmt wieder und jede Frau, die mit ihm intim war, ebenso.” Anderson überlegt kurz. „Männer natürlich auch, sollte er …, Ihr wißt schon.”
Jetzt sehen Malvoisin und sein Kollege tatsächlich genau hin. Malvoisin murmelt: „Das könnte wohl sein, das Wiedererkennen.“ Er deutet auf das Objekt der neuen Erkenntnis. „Fritz, davon auch.“
Langeland macht Aufnahmen von beiden Seiten und vom Edelsten und steckt die Kamera nach der Bildüberprüfung weg. Anderson deckt die Leiche wieder ab.
Fräulein Kronborg kommt zurück und hält ihrem Chef zwei kleine durchsichtige Plastiktüten hin, sorgfältig beschriftet: “Fundort: Schamhaare Opfer, Eutiner Staatsforst“, “Fundort: Mund Opfer, Eutiner Staatsforst“.
„Ach ja, richtig!” Anderson hat tatsächlich etwas vergessen. „Eingedenk, daß wir Malte Kröger etwas verspätet gekämmt haben, kämmen wir besonders dicht intimbehaarte Tötungsopfer mit als erstes, und das haben wir bei John Doe gefunden.”
Malvoisin und Langeland sehen erst sich und dann die beiden Fundstücke an.
„Es sind weibliche Schamhaare, schwarz, aber gefärbt. Die natürliche Farbe ist rot. Fundort Mund und Pelz unseres doch nicht ganz so schweigsamen Freundes.”
„Wat dat nich all gifft!” Die rechte Augenbraue fährt wieder hoch.
„Nichts außergewöhnliches, mein Lieber, der junge Mann hatte, wie ich Dir schon sagte, unmittelbar vor seiner Ausschaltung Sex, und zwar mit einer Rothaarigen, und er hat seine Partnerin vaginal und oral verwöhnt, und diese Partnerin hat definitiv einen roten Pelz. Er muß sehr viril gewesen sein, denn er hat sicher eine heftige und lange Vereinigung mit ihr vollzogen, dürfte auch ‘gerührt’ haben, weshalb sich bei ihr lockere Haare lösten, die sich mit seinen relativ harten Haaren verhakten, wie beim Klettverschluß, und ein intensiver Cunnilingus kam dazu.”
„Und warum hat er die Haare nicht ausgespuckt?” Langeland erinnert sich.
„Im Eifer des Gefechts. Sie waren doch sicher auch schon mal leidenschaftlich …”
„Keine Einzelheiten, Klinge, wir verstehen schon. Aber daher auch sein Haarausriß?”
„Nein, das wohl kaum, und als erotisches Souvenir wurden seine fehlenden Schamhaare auch nicht abgeschnitten. Es ist ein glatter, von der Fläche her unregelmäßiger Ausriß.”
Malvoisin versucht, die letzte Information einzuordnen und will sich gerade verabschieden, da fällt ihm etwas ein.
„Übrigens, was ist mit dem alten Wilhelm Handerson, den wir gestern früh gefunden haben?”
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