„Bist Du schon lange in Deutschland? Dein Deutsch ist ausgezeichnet.”
„Oh, dankeschön, aber Deutsch ist meine Muttersprache.”
„Ich dachte, Du bist Isländerin?”
„Mein Vaterland ist Island, denn mein Papa Holm Sigurdsson ist dort geboren, stammt sogar in direkter Linie von Wikingern ab, die einst aus Norwegen dorthin kamen, aber meine Mama ist eine Deutsche, gar nicht weit von hier auf einem Gut bei Eutin geboren.
„Und wie sind die beiden sich begegnet?”
„Das kann ich Dir sagen.” Kristin lehnt sich gegen einen Tisch, der überladen ist mit Arbeitsutensilien, und stützt sich mit den Händen seitlich ab.
„Sie sollte vor knapp 30 Jahren im Auftrag ihres Großvaters, der damals noch den Familiensitz führte, einen besonderen Zuchtbullen bei meinem Großvater besichtigen und kaufen …” Sie lacht hell auf. „… und dabei lief ihr ein anderer prachtvoller Isländer über den Weg. Er hatte im Goethe-Institut in Reykjavik sehr gut die deutsche Sprache gelernt und diente meinem Großvater als Übersetzer. Na ja, Papa hat Mama nicht nur von den Qualitäten unseres Bullen überzeugt, sondern auch von seinen eigenen und das Ergebnis sitzt jetzt hier und freut sich auf die Arbeit mit zwei deutschen männlichen Prachtexemplaren.”
Jan und Christian sehen sich mit leichter Verlegenheit, aber auch stolz lächelnd an. Kristin schmunzelt.
„Kann man denn davon leben, was Du hier machst”, möchte Christian wissen.
„Oh ja, ich kenne noch vom Studium in Hamburg her einige wichtige Kunstsammler. Ich habe schon bis in die USA verkauft. Der Adam da hinten geht in ein paar Tagen an einen Millionär nach Italien.”
„Und was kostet so etwas”, faßt Jan nach.
„150.000.”
„Na dann.” Jan zieht eine Miene gewichtiger Bewunderung. „Die Miete kommt damit ‘rein.” Auch Christian ist platt.
„Und wie lange hast Du dafür gebraucht?” Christian rechnet sich im Stillen aus, wie lange er wohl Modell stehen muß.
„Oh, das wechselt. Jede Figur, jeder Körper ist bereits im Stein vorhanden, ich muß nur die richtigen Stellen finden, ihn herauszuholen. Konsalik brauchte für einen Roman sechs Monate, James Joyce hat an seinem ‚Ulysses‘ sieben Jahre gearbeitet, versteht Ihr? Und der Adam , der hatte seine schöne Figur nach neun Monaten.”
„Und wie lange brauchst Du mit uns? Ich meine nur, damit wir zu Hause Bescheid geben können, ob wir unseren Wohnsitz hierher verlegen müssen. Und mich hast Du ja noch nicht einmal gesehen, ich meine so ganz ohne.”
„Na, dann laß’ doch mal sehen.” Kristin sieht Christian ermunternd und erwartungsvoll an. Der blickt zu Jan.
„Du hast sie gehört, zeig’ Dich. Sie wird begeistert sein.”
„Na gut, wenn Ihr meint.” Christian zieht seine Leinenschuhe aus, steht auf und entkleidet sich. Als Kristin ihn in seiner ganzen Größe und Nacktheit sieht, geht ein fast unmerkliches Zucken durch ihr Gesicht, das sie sogleich mit einem strahlenden Lächeln überspielt.
„Ich habe es geahnt. Du bist eine Schönheit.”
„Jetzt übertreibst Du aber.” Christian senkt verlegen den Kopf.
„Wenn ich’s Dir sage. Ich habe schon einige Modelle gehabt, Ihr habt einige der Figuren draußen gesehen, aber Jan und Du, Ihr seid schon exzeptionell.”
Christian will sich wieder anziehen, aber Kristin wehrt ab.
„Bleib so, dann machen wir mit Dir gleich den Anfang.”
„Anfang? Womit?” Christian schaut kritisch drein. „Kommt mit. Wir gehen ins kleine Atelier.”
„So?” Christian deutet an sich herab, sieht Jan und dann Kristin verwundert an.
„Hast Du die Grundstücksgröße bemerkt?”
Christian nickt.
„Außer uns ist niemand hier. Wer soll Dich sehen, außer uns? Die nächsten Nachbarn sind außer Sichtweite, und selbst wenn. Wen geht es etwas an?”
Die Drei stehen auf und verlassen das Haus. Christian sieht sich trotz Kristins Bemerkungen nach allen Seiten sichernd um. Jan macht sich einen Spaß und hält Christian “des Kaisers Handtuch” vor. Der wehrt ab. „Laß doch den Quatsch.”
Jan schlägt vor „Ich kann mich schnell noch ausziehen, dann bist Du nicht so allein” und grinst breit.
„Blödsinn!”
Jan umarmt seinen Freund über die Schulter, Christian schließt die Umarmung über Jans Hüfte, und so überwinden sie die Überführung nackter Tatsachen.
Kristin amüsiert sich.
„Glaub’ mir, es ist niemand da.”
Aufmerksam folgt ihnen ein blaues Augenpaar.
*
„Wer als Erster im Wasser ist!”
Corinne und ihre neueste Stranderoberung rennen los und stürzen sich in die Wellen, die etwas höher als sonst sich ans Ufer werfen.
Eine gute halbe Stunde zuvor war die Finnjet am Horizont zu sehen. Auf deren stürmisches Geschenk hatten sie gewartet. Corinne und Martin vertrieben sich die Zeit mit dem gegenseitigen Rückeneincremen - eine sehr angenehme Beschäftigung. Martin war froh, endlich ins kalte Wasser zu kommen, denn seine Freude über Corinnes Nähe war ihm deutlich anzusehen.
Nun kraulen beide hinaus zur Sandbank. Dort hofft Martin insgeheim, den Körperkontakt mit seinem süßen Strandflirt unbeobachtet erweitern zu können. Wer achtet schon darauf, was dreißig oder mehr Meter vom Ufer entfernt passiert. Sie erreichen die Standtiefe.
„Kommst Du schon länger nach Kellenhusen? Ich habe Dich hier noch nie gesehen.”
Corinne betrachtet ihr, wie sie findet, hübsches Gegenüber, wie das Salzwasser auf dessen makelloser Haut abperlt. Er bemerkt, daß sie ihn mustert.
„Oh, wir haben in diesem Jahr kein uns passendes Quartier in Grömitz gefunden. Hier haben wir noch etwas hinten am Wald erwischt. Ein nettes dänisches Ferienhaus. Ich glaub’, das gehört hier dem Bäderarzt. Keine Ahnung.”
„Das ist unser Hausarzt. Macht er zusammen mit seiner Frau.” Corinne wedelt im Wasser mit ihren Händen leicht hin und her.
„Coole Hütte jedenfalls. Da kann ich mich auch mal nackt in die Sonne legen, ohne daß gleich einer spießert.”
„Läufst Du gern nackt ’rum?” Corinne sieht ihn verschmitzt an.
„Klar, ist doch geil. Du nicht?”
„Kommt drauf an. Bei mir zu Hause geht das schon.”
„Wo bist Du denn zu Hause?”
„Bist Du immer so neugierig?”
„Bei süßen Mädels immer.”
„Ach, Du kennst wohl viele? Das ist vielleicht ein Filou. ”
Martin grinst vielsagend.
„Hast Du eine Freundin?”
„Nö, grad nicht. Blöd gelaufen.”
Martin schlägt den Blick nieder, sein Grinsen ist weg.
„Warum?”
„ Meine Freundin meinte, ich hätte ihrer Freundin im Freibad nicht so intensiv beim Eincremen helfen sollen.”
„Aha.” Corinne schlägt den Blick nieder, aber mit einem verstehenden Lächeln.
„Ich versteh’ immer noch nicht, was daran falsch war.”
„Hast keine Stelle ausgelassen, oder?”
„Sie durfte doch keinen Sonnenbrand kriegen. Bin doch ein höflicher Mann.”
Corinne sagt nichts, läßt nur ein kurzes, verschlucktes Lachen heraus.
„Ach, Du armer Mann.”
Wie tröstend kommt sie näher und legt beide Hände flach auf seine Brust, was Martin mit sofortiger Umarmung beantwortet, die Corinne nur ein wenig abwehrt.
„Trainierst Du viel?”
Martins geheucheltes „Warum?” paßt nicht ganz zu seinem stolzen Blick.
Corinne streicht mit ihrer linken Hand über seine wohlgeformte rechte Schulter und seinen Oberarm, mit der rechten über seine leicht gewölbte Brust.
Martins Mimik zeigt, daß er nicht glauben kann, zum “Nahkampf” zu kommen.
„Du hast so schöne Muskeln. Bist Du …” Corinne sieht ihn fragend an, „… überall so gut gebaut?” Ihre lasziv gefärbte Stimme läßt Martin wohlig erschauern und dann werden seine Augen groß. Corinne nestelt sein Badehosenband auf, was sofortige Wirkung zeigt.
Читать дальше