1 ...6 7 8 10 11 12 ...43 „Wenn sie nicht blind ist, im übertragenen Sinne, meine ich.”
„Und wann sollst Du zu ihr kommen?”
„Heute mittag, so 12, 12 Uhr 30 zur ersten Stehprobe.”
„Und wo ist das?”
„Kennst Du den großen reetgedeckten Hof bei Oldenburg? Riesengrundstück, stand letztes Jahr zum Verkauf.”
„Ich weiß welchen Du meinst. Den hat sie gekauft?” Gekauft oder erst einmal gepachtet, keine Ahnung. Aber Platz für ein großes Atelier ist da allemal.” Christian dreht sich zu Jan herum.
„Hast Du Dein Auto dabei?”
„Jou.”
„Na, dann laß’ uns mal los. Bis dahin brauchen wir eine knappe Stunde, Trecker eingerechnet, aber vorher essen wir noch‘n Happen. Papa hat Matjes angesetzt.”
Jan klopft Christian auf die Schulter und strahlt. „Das ist mein Krischan. Und nu’ gib mir Hemd und Hose, Slip brauche ich keinen.”
„Wenn Du meinst.” Christian reicht Jan eine kurze beige Hose und ein weißes, kurzärmeliges Hemd aus dem Schrank und nimmt sich selber frische Sachen. Instinktiv greift er Klamotten, die seinen Körper betonen, ein knappes, weißes Muscle-Shirt, das seinen Bauchnabel und die Haarnaht freiläßt und knallenge weiße Jeans. Die Freunde kleiden sich an. Christian betrachtet sich im knappen hellblauen Slip, zeigt eine zufriedene Miene, sieht zu Jan, der schweigend-lächelnd Zeigefinger- und Daumenspitze zum Handzeichen “Spitze” formt, und steigt in die Jeans.
„Übrigens, wie heißt sie eigentlich?”
„Kristin Holmdóttir.”
„Eine Isländerin?”
„Ich glaub’ schon, bei dem Namen. Aber sie spricht akzentfrei hochdeutsch, vielleicht ein wenig hamburgisch eingefärbt.”
„Na, wir werden es sicher erfahren.”
Christian versucht, die Jeans hochzuziehen. „Schuhlöffel?”
„Quatschkopf.”
„Nee, aber Dein Arsch ist wohl dicker.” Christian zieht weiter, hüpft dabei mehrfach auf und ab. „Verdammt, zuviel trainiert.”
Jan lacht. „Drei Monate kein Sex und schon paßt die Hose nicht mehr.”
„Blödmann. Ich war doch gestern noch drin.” „Komm’, ich helf’ Dir.” Jan stellt sich hinter Christian und greift links und rechts den Bund. Christian hüpft erneut.
„Jetzt bleib’ doch mal steh’n, damit ich richtig greifen und heben kann.”
Jan faßt noch einmal zu und hebt Christian mitsamt der Hose an. Jan sieht Christian rechts über die Schulter und bemerkt, daß alles klemmt.
„Dein Schwanz ist zu groß, Alter.”
„Das sagt der Richtige.” Jan hebt Christian nochmals an.
„Du, das wird nichts. Vielleicht, wenn Du den Slip ausziehst.”
„Meinetwegen. Schotte sollte man sein. Die bringen auch die größte Zukunft immer unter.”
„Na, Du im Röckchen, Alter, und dann ’n Windstoß!“ Beide lachen fröhlich auf, aber es klemmt immer noch. Christian versucht, ohne umzufallen, aus den Jeans herauszukommen. Jan tritt zur Seite und betrachtet die Bemühungen kopfschüttelnd.
„Komm’, leg Dich aufs Bett, das geht so nicht, sonst hat Kristin einen anderen David im Atelier.”
Christian läßt sich rücklings auf sein Bett fallen und streckt Jan beide Beine entgegen. Der zieht an beiden Hosenbeinen - mit mäßigem Erfolg. Einzig, daß Christian polings auf dem Fußboden zu sitzen kommt. Erst schreit er auf, dann kriegen beide das Lachen, während Jan ihm die Hand reicht und hochzieht.
„Jetzt bleib mal stehen. Ich versuch’s anders.” Jan kniet nieder, faßt mit beiden Händen links und rechts den Hosenbund an - und zieht mit einem gewaltigen Ruck die Hose samt Slip herunter.
*
In der Lübecker Gerichtsmedizin. Professor Anderson steht am Seziertisch Nr. 1, vor ihm die Leiche des Waldtoten. Er klappt seine Lupenbrille herunter, beugt sich vor und betrachtet das Geschlecht des Toten. Bei der dichten Schambehaarung fällt ihm etwas auf. Die auf der gegenüberliegenden Seite stehende Assistentin Liliane Kronborg hört nur ein gemurmeltes „Seltsam.” Dann nimmt Anderson den Penis des Toten hoch, sieht genau hin, legt ihn ab, schaut auf, läßt sich das stumm Verlangte geben. Seine aufmerksame Assistentin reicht ihm ein Abstrichstäbchen und einen Objektträger. Nun hebt Lili den Penis hoch und Anderson nimmt die Probe. Wortlos reicht er seiner Assistentin Stäbchen und Objektträger, die mit beidem zum Mikroskop geht und den Abstrich betrachtet.
Als sie zurückkommt, staunt sie nicht schlecht, was ihr Chef in der Hand hält.
*
„Bist Du fertig?” Jan nickt, erhebt sich und verschließt seine Sandalen. Christian schlüpft in seine blauen Leinenschuhe, ordnet sich nochmals und kommandiert: „Dann laß’ uns fahren.”
„Nee, noch essen, vergessen?“ Jan reibt sich den Magen. „Modellstehen ist anstrengend.“
„Dann müssen wir aber nochmal Zähneputzen, sonst fliegen wir bei Deiner Bildhauerin gleich ‘raus.“ Sie verlassen Christians Zimmer und gehen nach unten in die Küche.
Der Matjes ist großartig, wie immer, schmeckt den beiden auch mit kalten Pulchen von gestern. Für frische haben sie keine Zeit.
Als sie aus dem Bad kommen und gehen wollen, treffen sie auf Karin und Tessa, die sich inzwischen trockene Bikinis angezogen haben.
„Jetzt weiß ich, warum es auf der Promenade gerade keine Bikinis mehr zu kaufen gibt - die habt Ihr alle. Sehen Deine Schwestern nicht umwerfend aus?” Jan dreht sich zu Christian um. Der verzieht nur das Gesicht.
„Hast Du einen Bikini gesehen, kennst Du alle.”
„Was hätte von Dir auch anderes kommen können, Du ungalanter Knopf.” Tessa zieht ihrem Bruder eine mißbilligende Schnute. Karin kartet nach: „Kauf’ Du Dir mal lieber ‘ne neue Kronjuwelenverpackung, am besten mit Hitzeschutz, sonst …”
Jan fällt ihr ins Wort: „Sag’ mal, sind die Schleifchen da echte Schleifchen”, er deutet auf die Schalenverbindung und auf das Höschen, „oder sind die nur Verzierung?” Danach sieht er Christian vielsagend an.
Karin fühlt sich ob des Interesses geschmeichelt und antwortet arglos: „Die Schleifen sind echt und können als Farbkontrast ausgewechselt werden, weißt Du. Ich hab’ für diesen hellblauen noch gelbe, rote und weiße Schleifchenbänder.”
Während sie auf Jans vermeintliches Interesse antwortete, ist Christian langsam um sie herumgegangen. Tessa bleibt ahnungslos.
„Und was passiert, wenn man das macht?” Jan zieht am Oberteilschleifchen, in blitzschnellem Teamwork zieht Christian an beiden Seiten die Höschenschleifen auf - und Karin steht im Freien.
Nun geht alles ineinander über. Karin schreit auf, Jan und Christian rennen zur Tür, an der Tür dreht Jan sich um: „Schwarz find’ ich geil”, die Haustür geht auf, Maren von Malvoisin kommt herein, Christian ruft seiner Mutter zu: „Hallo, Mama, keine Zeit, wir müssen weg.”
„Den Eindruck habe ich auch”, Maren von Malvoisin verfolgt erstaunt die Szene.
Jan ruft ein schnelles „Hi!” und rennt weiter. Tessa steht im Hintergrund und hält sich vor Lachen den Bauch. Karin verdeckt mit der rechten Hand ihren Schoß, mit dem linken Arm bedeckt sie ihre Brüste und ringt vor Zorn nach Luft. Frau von Malvoisin sieht Jan und Christian nach, wendet sich um, stellt ihre Tasche ab und fragt leicht erstaunt:
„Äh, muß ich das jetzt verstehen oder kommt da noch ’was?”
Tessa preßt im Lachen heraus: „Nein, Mama, bemüh’ Dich nicht. Das dauert zu lange” und wischt sich die Lachtränen ab.
Karin wirft nun auch ihr Oberteil zu Boden, stampft wütend mit dem rechten Fuß auf, trampelt ein heftiges Tremolo, läßt ein zorniges, in höhere Tonlagen gezogenes „Uuuhh!” hören und stürmt ins Obergeschoß. Eine Tür knallt, vermutlich die von Karinhall.
Maren hat keine Zeit sich zu wundern. Ihre Zwillinge vor der Tür haben noch nichts für die seltsamen Verhaltensweisen ihrer Schwestern übrig. Sie müssen nach dem Spaziergang einfach nur gestillt und zu Bett gebracht werden.
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