wieder in eine gesunde Balance zu bringen. Und dennoch ist das Ziel einer jeden
naturheilkundlichen Maßnahme stets dasselbe:
Es geht immer darum, die Selbstheilungskräfte und Selbstregulationsfähigkeiten
des Körpers zu stärken oder überhaupt erst wieder zu aktivieren, so dass sich der
Organismus in aller Ruhe schließlich eigenhändig heilen kann.
Erfahrensheilkunde (Erfahrungsheilkunde)
Fakt ist - und das gilt insbesondere für die wissenschaftliche Medizin -:
„Alle wissenschaftliche Forschung, insbesondere die medizinische, beruht
zunächst auf Erfahrung durch Anwendung“. In einem ursprünglich wirklich
landläufigen Sinne ist dieses Sammeln von Erfahrungen ganz wörtlich zu nehmen:
indem man landauf und landab fährt, „erfährt“ man sich jenes Wissen, das die
Sinne unterwegs von Welt und Dingen zusammentragen. So war es bei einem der
berühmtesten Heilern früherer Zeiten hierzulande Paracelsus und seinen
ruhelosen Wanderungen im „Licht der Natur“, so war es auch noch bei Samuel
Hahnemann, als er von Ort zu Ort gehetzt wurde und dabei das Wagnis des
Wissens um die geheimen Kräfte der Schöpfung unternahm.
Der Begriff „Erfahrensheilkunde bzw. Erfahrungsheilkunde“ selbst findet sich
bereits im „Corpus hippocraticum" , einer vorhippokratischen Schrift. Dort heißt es:
„Die Heilkunst hat als Erfahrungskunst sichere Grundlagen von alters her. Der
Anfang ist gefunden und auch der Weg, auf dem so viele glückliche Funde in
langer Zeit gemacht worden sind und auch das übrige gefunden werden wird."
Niemand anderes als der Begründer der klassischen Homöopathie Samuel
Hahnemann (1755-1843) hat im Jahre 1805 in seinem Aufsatz „Heilkunde der
Erfahrung“ diesen Gedanken aufgegriffen. In seiner Einleitung definierte er die
Erfahrungsheilkunde so: „Die Heilkunde ist eine Wissenschaft der Erfahrung; sie
beschäftigt sich mit Tilgung von Krankheiten durch Hilfsmittel. Die Kenntnis der
Krankheiten, die Kenntnis der Hilfsmittel und die Kenntnis ihrer Anwendung bilden
gemeinsam die Heilkunde!“.
Johann Gottfried Rademacher (1772-1850, Arzt & Erfahrensheilkundler)
veröffentlichte sein Lebenswerk „Rechtfertigung der verstandesgerechten
Erfahrensheillehre“ und dort hat er festgehalten: „Wozu nützt eigentlich der Arzt,
wenn er Krankheiten nicht balder heilt, als die Natur, oder wenn er sie gar so
phantastisch behandelt, dass die Natur genötigt ist, gleichzeitig Arzt und Krankheit
zu bekämpfen?“
Kein geringerer als der weltberühmte deutsche Pathologe, Anthropologe,
Prähistoriker und auch Politiker Rudolf Ludwig Karl Virchow (13.10.1821-
05.09.1902) stellte sich von Anfang an positiv hinter den empirischen
Grundgedanken Rademachers , während er Auswüchse unter dessen Schülern
ebenso radikal bekämpfte. Der Leitartikel Virchows aus dem Jahre 1849 hatte die
Überschrift „Die naturwissenschaftliche Methode und die Standpunkte in der
Therapie".
So ging es weiter:
Die Erfahrungsheilkunde in der Mitte des 20. Jahrhunderts war demnach der
Vorläufer der heute als komplementäre Medizin (s.u.) bekannten besonderen
Therapierichtungen – lange bevor auch andere ärztliche Organisationen und
Veranstalter diese Methoden für sich entdeckten.
Dr. Franz Vida , das langjährige Vorstandsmitglied der späteren Ärztegesellschaft,
hat eine zeitgerechte, moderne Definition des Begriffes Erfahrungsheilkunde wie
folgt definiert:
„Erfahrungsheilkunde ist ein Sammelbegriff für diagnostische und therapeutische
Methoden, die durch den unmittelbaren Kontakt mit dem kranken Menschen
entstanden sind und für die praktische Ausübung der ärztlichen Heilkunst
unentbehrlich wurden. Sie zeichnen sich durch pragmatische, sichere und
überragende
Therapieerfolge
aus
und
sind
beim
Geübten
risikolos."
Fazit:
Erfahrungsheilkunde ist also nicht vorwissenschaftlich oder unwissenschaftlich.
Vielmehr sieht sie es als ihre Aufgabe an, durch Erfahrungsaustausch das Wissen
der einzelnen Ärzte zu verallgemeinern und zu systematisieren. Ihre gegenüber
der klinischen Methodologie wesentliche größere Flexibilität gestattet es ihr, auf die
Probleme der Praxis näher einzugehen. Von daher ist sie zumindest in der
allgemeinmedizinischen
Praxis
als
medizinische
Grundlagenmethodik
zu
postulieren.
Komplementär-Medizin
Unter dem Begriff Komplementär-Medizin wird ein breites Spektrum von
Disziplinen und Behandlungsmethoden zusammengefasst, die auf anderen
Modellen der Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung basieren als
jene der Schulmedizin. Definitionsgemäß werden sie ergänzend zur Schulmedizin
eingesetzt.
Alternativmedizin – „Complementary and Alternative Medicine“ kurz: „CAM“ –,
Ganzheitsmedizin, Integrative Medizin, Naturheilkunde, traditionelle Medizin (z.B.
chinesische, europäische, tibetische A) sind verwandte Überbegriffe, die
Heilmethoden
oder
diagnostische
Konzepte
bezeichnen.
Die
heutige
Begriffsvielfalt geht zurück auf die lange Tradition der Auseinandersetzung
zwischen
anerkannten
medizinischen
Verfahren
und
den
sogen.
„Außenseitermethoden“.
Das Bundesministerium für Gesundheit favorisiert den Begriff Komplementär-
Medizin, um zu signalisieren, dass die Methoden nicht als Alternativen zur
Schulmedizin angesehen werden sollen.
Die Komplementär-Medizin grenzt sich von der Alternativ-Medizin dadurch ab,
dass sie nicht den Anspruch hat, schulmedizinische Verfahren zu ersetzen. Im
Gegensatz zur Alternativ-Medizin sucht die Komplementär-Medizin durch das
gemeinsame Wirken mit der Schulmedizin Synergieeffekte zu erreichen.
Komplementäre Methoden finden nicht nur in der Medizin Anwendung sondern
werden beispielsweise auch in der Psychotherapie, der klinischen Psychologie
sowie in der Gesundheitspsychologie und Musiktherapie eingesetzt.
Eine Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet:
Der Begriff Komplementär-Medizin umfasst ein breites Spektrum von
Heilmethoden, die nicht Teil der Tradition des jeweiligen Landes sind und nicht in
das dominante Gesundheitssystem integriert sind.
Schulmediziner verlangen von den Komplementärmedizinern den Nachweis von
Studien und Metaanalysen. Anwender komplementärmedizinischer Verfahren
berufen sich bei der Frage nach der Wirksamkeit auf ihre eigenen therapeutischen
Erfahrungen und verweisen mit dem Hinweis „Wer heilt, hat Recht“ auf die
Wirksamkeit ihrer Behandlungsmethoden.
Auch nicht alle klassischen medizinischen Verfahren (sogen. anerkannte
schulmedizinische Methoden), die die deutschen Krankenkassen bezahlen, sind in
Studien und Metaanalyse belegt!
An
einigen
Universitäten
gibt
es
inzwischen
Forschungsprojekte
zur
Komplementär-Medizin, die in der Hauptsache von Stiftungsgeldern der
Krankenkassen im Rahmen von Modellprojekten gefördert werden.
Zu den komplementärmedizinischen Verfahren zählen (hierzu sind für die
Читать дальше