Die echte Sprache kann nur von Liebenden sogar schweigend verstanden werden. Man braucht gar nichts, man ist im gleichen Raum, oder denkt aneinander in der gleichen Stadt oder einer anderen Stadt, da kann man schweigen auch, man muss nicht reden. Man kann ein, zwei Wörter sagen, ein Kosename genügt schon, für alles andere.
Wir analysieren unseren Nächsten, aber durch Wissen kann ich den Nächsten nie erreichen. Ich gehe unter in der Vielheit der Möglichkeiten, des Differenzierens, des Spezialisierens, ich geh unter in der Vielheit, Babel, in der Verwirrung. Es heißt auch beim Turmbau zu Babel (ich habe darüber geschrieben, von den alten hebräischen, jüdischen Legenden, siehe auch WAT) , man will den Turm weiterbauen, wenn einer verunglückt, dann sucht man einen neuen, der den Platz einnimmt, wer kommt jetzt an seiner Stelle? Das ist das Einzige, was einen kümmert, die Welt und das Gesetz. Das kann ein König sein, ein Minister, |›aber wer kommt jetzt? Der andere wird vergessen, man denkt nicht darüber nach, wo ist er jetzt? Ich kenne ihn noch, ich will mit ihm sprechen – nein der Turm geht weiter, die Gesellschaft geht weiter, perfekt machen, immer perfekter, aber den Himmel erreicht man nie! Man empfindet nur: |›Jetzt könnte die Welt vernichtet werden, man spürt immer mehr die Verwirrung, die Welt könnte jetzt in einem Schlag vernichtet werden. Ja, und wenn schon?‹| – und deine Einmaligkeit wo bleibt die? Deine Eltern und Großeltern, wo bleiben alle deine Ahnen, Kinder, Geschwister, Enkel, all das, wo bleiben sie, das kümmert dich nicht? |›Nur die Welt‹| – was ist Welt? Eine abstrakte Welt‹| – da sind doch Menschen, Tiere, Pflanzen? Das ist Babel, deshalb heißt die Stadt Babel, Verwirrung.
Und dann begegnen wir Babel ein zweites Mal. Es ist wo der Tempel, die Wohnung Gottes vernichtet wird – zu nichts gemacht wird, durch Babel. Nicht ein Volk, das feindlich ist und Babel heißt, Babel ist die Verwirrung beim Menschen, das vernichtet das Haus Gottes. Denn die Verwirrung ist bei uns, da kann Gott nicht mehr wohnen! Wir wollen die Verwirrung selber, das ist unser Feind. Und wir sehen es nicht ein, wir denken den Feind bekämpfen zu können, indem wir mit ihm kämpfen, uns schlagen, hassen. Aber Babel ist etwas anders – du bist selber Babel und Babel vernichtet dann das Haus Gottes. Von da an nennt man es die Vernichtung des ersten Tempels, welche nach der allgemeinen Jahreszählung 586 v. Chr. geschah.
Jüdisch sagen wir ein anderes Jahr, das stimmt also wieder nicht, die Bibel kann man nie mit Jahreszahlen und Zeittafeln vergleichen, das ist etwas ganz anderes. Ich habe es versucht, aus den Beschreibungen in meinen Büchern kommt es immer wieder vor, wie die Zahlen wirklich zu verstehen sind. Es ist nicht so, dass man es nicht zählen kann. Wir tun als ob diese Welt und die andere Welt die gleiche Welt wäre, das ist eine Profanierung der Bibel, eine Sünde gegen den Heiligen Geist der geschrieben hat. Da kann man nicht sagen, die Jahre hier und dort sind gleich, man tut es aber, überträgt es auf unsere Zeit und wir denken da, in dieser Zeit, ist der erste Tempel, dann der zweite Tempel.
Babel ist der Anfang der Exile, das erste Exil . Exil heißt: Gott ist weg, er wohnt nicht mehr bei uns. Wir kennen Gott nicht mehr, dass wir sagen: Wo hat Gott gewohnt? Meine Stimmung – könnte ich sagen – war die Stimme Gottes. Das kann ich sagen, aber ich glaub mir das kaum selber. Meine Stimmung, eine Stimme war da, hat mich gut oder schlecht gestimmt oder sogar verstimmt. Wessen Stimme? Die Sprache sagt es, bei jeder Sprache sind Splitter der Ursprache da, trotz der Sprachenverwirrung von Babel, sind Splitter, Teile der „Ursprache“ da, dass sie eine Stimmung spüren. Wie ich das Bild schon ein paar Mal gegeben habe, vom Zählen und Erzählen, wer erzählt der zählt dann, oder andere Begriffe: Bergen und Verbergen, ein Berg ein Gebirge und Verbergen, Verborgenheit. Hier gibt es viele Beispiele, … es sind Splitter der Ursprache.
So ist Babel dann das zweite Mal da, Gott verlässt uns durch Babel. Erst verwirrt Gott den Menschen durch Babel, dann wenn der Mensch selber so ist, dass die Verwirrung sich auf ihn stürzt, weil er selber nur das sucht (die Vielheit, das Nützliche, somit die Verwirrung), dann kommt Verwirrung: Sein Leben wie er lebt, seine Sehnsucht wie er lebt kann nur Verwirrung bringen. Abtötung, betäuben, berauschen, was es auch sei, ich habe keine Zeit mehr, ich renne herum, schwimme, fahre Ski, ich will nicht denken, ich will nicht da sein. Schön ist Skifahren und ich finde auch den Schnee schön, aber dass man es nur tut um hinunter zu sausen, weil man sich betäuben will, man hat es getan, war dabei. Und die ganze Gesellschaft, man könnte Bücher schreiben, werden auch geschrieben, wie die Welt sich betäubt … und ist deshalb verzweifelt und verbittert. Das ist Babel, dort zum zweiten Mal, in den Büchern der Propheten (Jer 50 ff., Dan 4 ff.), der Könige (2Kön 24 ff.), wo das Babel am Ende steht, von dem Reich dort. Das Reich ist auch das Reich geographisch, politisch, auch reich sein, erreichen, dass sie denken, das sei das Reich, das erfolgreich erobert wurde mit unserer nützlichen, berechnenden Einstellung – das wird vernichtet .
Also sehen wir, Babel ist eine sehr wichtige Angelegenheit im Menschenleben, wo man spürt, darum geht es tatsächlich. Den Turm bauen, das kann ich nicht. Es heißt in der jüdischen Überlieferung, dass der Tempel keine Minute länger hätte stehen können, die Welt wäre untergegangen. |›Wieso denn, der Tempel war doch schön?‹| Nein, so wie man lebt in dem Tempel, in der Wohnung von Gott, existiert er nicht weiter, er ist zu seiner Zeit, zur richtigen Zeit vernichtet. Aber bei uns selber, nicht nur historisch und geographisch, bei uns selber geschehen die Dinge zur rechten Zeit. Wir denken: |›Gerade jetzt?‹| Gerade jetzt! Nachher sieht man öfters, zumindest manchmal, wenn wir zurückschauen, es war das der echte, richtige, wahrhaftige Moment. D ie Vernichtung des Tempels bedeutet für uns nicht nur eine politische Niederlage, obwohl die gewesen sein mag, aber politisch konnte es so nicht geschehen, weil es die Bibel erzählt und die Überlieferung erzählt, mythologisch – vielleicht kann man sagen, es wird in der Bibel von Dingen erzählt, die wir hier nicht kennen.
Man erzählt die Geschichte bei der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar dem König von Babel, dann streckt sich eine Hand vom Himmel aus zur Erde und die Priester vom Tempel geben die Schlüssel vom Tempel der Hand aus dem Himmel. |›Das ist natürlich eine Halluzination‹| – würde man heute sagen, aber es ist so, wirklich, wir sehen das alles nicht. Wir sehen nur Zeitliches, das Fließen der Zeit sehen wir und deshalb sehen wir das Wirkliche nicht. Wir sehen nur das Davonfließende und denken, das sei wirklich. Das Vergehende, das Vergängliche vom Sein, das Verwesende, das sehen wir. Wir erzählten vorhin von der klinischen Todeserfahrung , der Verstorbene stand da seiner Leiche gegenüber, den man beweinte und keiner sah ihn, keiner hörte ihn aber er sah und hörte die anderen wohl. (Ich bin auch nie klinisch tot gewesen, dass ich aus eigener Erfahrung erzählen kann.) Ein Zeichen also, wenn man gestorben ist, ist es sehr wahrscheinlich, kann man dann die Menschen sehen und hören. Wie auch die Überlieferung im Midrasch sagt, dass deshalb der Mensch getröstet wird, weil er in der anderen Ebene ist , nicht in der zeitlichen Ebene, dort ist er zusammen mit den Dahingegangenen, man kennt sich, nur im Fließen der Zeit kennt man sich nicht . Wie ich schon sagte, das ist so, damit man sich sehnen kann, lieben kann, glauben kann, hoffen kann, sonst wäre alles gesetzmäßig klar, ich sehe das schon, dann tue ich es – der Kaufmann wäre perfekt [85A7 ].
Die Rückkehr
Frohlocken im Himmel über den Fall Babylons; 19:1-2
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