»Willst du etwa damit sagen, Sam wurde entführt?«
»Sie wurde in den letzten zwei Wochen überfallen, fast überfahren und entführt, aber keine Angst, ich war zur rechten Zeit da, um ihr zu helfen.«
Rick konnte sehen, dass sein Bruder sichtlich betroffen wirkte. Wusste er tatsächlich nichts davon oder spielte er nur den Unschuldigen.
»Ich hatte echt keine Ahnung, dass so etwas passiert ist. Das musst du mir glauben, Rick. Wie geht es ihr jetzt, ist sie wohl auf oder wurde sie verletzt?«
»Manuel, du handelst mit Drogen. Du arbeitest für die Drogenmafia. Wer bitte hätte denn, außer deinen Leuten, Interesse daran, Samantha Black etwas anzutun. Sie ist eine ganz normale Frau, hat ein kleines Geschäft, geht abends alleine nach Hause und hat keinen Partner, im Augenblick jedenfalls. Also, wer bitte sonst? Und ja, es geht ihr gut.«
Es gefiel Manuel nicht, wie Rick mit ihm redete.
»Ich sage es dir doch, ich wusste nichts davon. Glaubst du etwa, ich erfahre von allen Vorhaben meiner Auftraggeber? Glaube mir Rick, so läuft das hier nicht. Die vertrauen nur sich selbst, sonst niemandem.«
»Nun Bruder, dann solltest du in Zukunft mal deine Augen und Ohren aufsperren um mitzubekommen, was die in L.A. vorhaben. Sollte Sam oder ihrer Mutter etwas zustoßen, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
»Oh sieh an, mein Bruder droht mir. Hör jetzt mal gut zu Rick. Du weißt nichts von mir. Du hast nicht die geringste Ahnung, was ich mache. Also, halt dich aus allem raus. Verstehst du? Mehr habe ich dir nicht zu sagen.«
Rick hatte bei diesen Worten ein merkwürdiges Gefühl, so als hätte sein Bruder Angst um ihn. Er überlegte, ihm den wahren Grund seines Aufenthaltes zu erzählen. Vielleicht konnte Manuel ihm sogar behilflich sein. Er entschloss sich seine Karten offen zu legen.
»Nun gut Bruder.«, sagte Rick, »du wolltest wissen, warum ich hier bin? In gewisser Weise deinetwegen. Die CIA hat Informationen über einen Mann mit Namen Miguel de Vargas bekommen. Er soll der Kopf eines Drogenkartells hier in Kolumbien sein. Ich wurde beauftragt ihn zu finden und nach Möglichkeit, unschädlich zu machen.«
Manuel musste sich beherrschen um nicht loszulachen.
»Miguel de Vargas soll der Kopf eines Kartells sein? Was du nicht sagst.«
Die Reaktion seines Bruders überraschte Rick.
»Du kennst ihn, nicht wahr?«
Manuel lachte übertrieben laut.
»Kleiner Bruder, natürlich kenne ich Miguel. Er ist mein bester Freund.«
Rick traute seinen Ohren nicht. Miguel de Vargas, der beste Freund seines Bruders und ausgerechnet er selbst sollte diesen Mann stellen und der CIA übergeben. Ihm gingen die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf. Hatten die von der CIA gewusst, dass sein Bruder Miguel kannte? Ihm kam in den Sinn, dass sie nur seine Loyalität testen wollten.
»Halt dich von Miguel fern, er ist ein sehr guter Kämpfer. Du solltest also vorsichtig sein, wenn er dir über den Weg läuft. Miguel ist für seine Brutalität bekannt.«
»Warum erzählst du mir das? Willst du mir etwa Angst machen?«
»Weißt du, wir agieren nicht auf derselben Seite, aber immer noch gehören wir zu einer Familie. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt. Kannst du das vielleicht verstehen?«
Rick war überrascht.
»Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um mich. Hast du Angst davor, dieser Miguel könnte mich töten?«
Manuel wurde mit einem Mal sehr ernst.
»Er kann dich töten und weißt du auch warum? Er ist nicht allein. Er schnippt mit den Fingern und sofort laufen ein paar seiner besten Leute los, die dich unschädlich machen. Ich warne dich Rick, nimm die Sache nicht auf die leichte Schulter. Du magst ein Elitekämpfer sein, aber dem bist du nicht gewachsen.«
»Wir werden ja sehen. Du könntest mir auch bei meinem Auftrag helfen. Was sagst du dazu?«
Mit einem verschmitzten Lächeln sah Rick Manuel in die Augen.
»Du willst, dass ich meinen besten Freund verrate? Oh nein Bruder, das kannst du vergessen. Mir geht es gut, unseren Eltern geht es gut. Was will ein Mann mehr. Vielleicht noch die richtige Frau. Ach ja, ich vergaß, ich habe sie ja bereits gefunden.«
»Ich warne dich Bruder, wenn du Sam damit meinst, ich behalte dich im Auge.«
Vom Haus war die Stimme ihrer Mutter zu hören.
Gemeinsam, als wäre nichts gewesen, gingen sie zurück zum Haus. Es roch wunderbar.
»Habt ihr euch gut unterhalten Kinder?«, fragte Maria zufrieden ihre Söhne.
Manuel gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Ja Mama, haben wir, so wie in früheren Zeiten. Nicht war Brüderchen?«
Rick sah seinen Bruder mit zusammen gekniffenen Augen an, dann gab auch er seiner Mutter einen Kuss.
»So wie früher Mama. So wie früher.«
Samantha hatte Rick seit einer Woche nicht mehr gesehen. Sein Landrover stand nicht wie gewohnt vor ihrem Geschäft. Langsam machte sie sich Gedanken. Irgendwie fühlte sie sich immer sicher, wenn sie wusste, dass er sich in ihrer Nähe aufhielt. Wo er wohl sein könnte? Langsam machte sich Sam Gedanken. Hatte sie ihn mit etwas verärgert? Sie überlegte, aber ihr fiel nichts ein. Vielleicht musste sie aber auch wieder einmal überfallen oder entführt werden, damit er hier auftauchte. So ein Quatsch Samantha Black, du spinnst, sagte sie zu sich selbst.
Vom Büro aus hörte Sam das Läuten an der Ladentür. Wieder waren einige Leute hereingekommen. In Los Angeles fand heute die jährliche Oskar-Verleihung statt und das bedeutete mehr Kunden. Sie hatte Gina gebeten ihr zu helfen und das war auch gut so. Bis vor kurzem war das Geschäft voll mit kaufwütigen Kunden. Allmählich lichtete sich der Verkaufsraum und es kehrte etwas Ruhe ein. Auf dem Monitor vor ihr konnte sie durch ihre Überwachungskamera einen großen Teil des Ladens überblicken. Zwei Damen in Begleitung eines Herrn betraten das Geschäft. Gina machte sich wirklich gut. Sie arbeitete bereits seit zwei Jahren immer mal nebenbei für Samantha, war freundlich und interessierte sich für alles, was mit Mode und Schauspielerei zu tun hatte. Die Stammkunden mochten sie sehr. Immer hatte sie ein offenes Ohr für deren Sorgen und Wünsche.
Der Schreibkram machte Sam zu schaffen. All diese Abrechnungen und Belege. Büroarbeit war nicht so ihr Ding. Kurz huschte ihr Blick auf den Monitor. Während sich die Frauen von Gina einige der Abendkleider zeigen ließen, fiel Sams Aufmerksamkeit auf den Mann, der sich auffällig im Geschäft umsah. Plötzlich griff er in seine Jackentasche und man sah etwas aufblitzen. Ihr blieb fast die Luft weg. Es sah aus, als hätte er ein Messer in der Hand. Vielleicht sollten die Frauen Gina ablenken, damit er in aller Ruhe die Kasse ausrauben konnte. Vielleicht hatte er aber auch etwas anderes vor. Wahrscheinlich litt sie nur an Paranoia und es würde gar nichts passieren. Trotzdem bekam sie Angst und das nicht nur um sich, sondern auch um Gina. Plötzlich sah sie, wie er den Gang zu ihrem Büro entlang kam.
»Verdammt, jetzt wo sie Rick brauchte, war er nicht hier. Wo steckst du? Hilf mir bitte.«, betete Sam in Gedanken. In ihrer Handtasche hatte sie immer ein Pfefferspray. Natürlich nur für den Notfall. Jetzt gerade trat dieser Notfall ein. Leise nahm sie es heraus und postierte es startbereit in ihrer rechten Hand. Sie machte sich Mut, stand auf und ging zur Tür. Gerade als sie diese öffnen wollte, wurde die Tür gewaltsam aufgestoßen. Sie schrie vor Schreck. Ihr gegenüber stand dieser Mann. Groß, kräftig und angsteinflößend. Sein Gesicht war vernarbt und seine Nase war irgendwann mal gebrochen worden. Beide standen sich gegenüber und Sam nahm allen Mut zusammen.
»Hier hinten ist kein Zutritt für Kunden. Gehen Sie bitte zurück in den Verkaufsraum, mein Herr.«
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