Sie hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da klingelte das Telefon.
Sofort nahm sie den Hörer ab.
»Hallo mein Kind, nein heute kann ich nicht. Ich habe furchtbare Migräne. Ein anderes Mal. Ich melde mich wieder, wenn es mir besser geht.«, wie von einem Band spulte Sams Mutter die Worte ab.
Amanda hoffte, ihre Tochter verstand die versteckte Nachricht, vor allem deshalb, weil sie sich vielleicht in Gefahr befand.
Manuel machte ihr Angst. Sie musste ihn loswerden.
»Warum sagst du denn so etwas. Das klingt wie eine Drohung.«
»Nun, keine Drohung, Mrs. Black. Eine Feststellung, nichts weiter. Ich werde jetzt gehen, aber ich komme zurück und dann wäre es gut, wenn Sie bis dahin in Erfahrung bringen konnten, wo ich Rick finden kann. Überlegen Sie gut, was Sie mir dann antworten. Übrigens, Ihr Mann möchte sie wieder sehen. Wäre doch wirklich schlimm, wenn ich ihn plötzlich nicht mehr zu Ihnen bringen könnte, nicht wahr?«
Manuel war bereits im Begriff zu Gehen.
»Noch etwas. Es wäre gut, wenn Ihre Tochter nichts von unserem Gespräch erfährt. Ich denke, wir verstehen uns.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Wohnung.
Samantha hatte einen Schlüssel für die Wohnung ihrer Mutter, deshalb entschied sie sich, nicht zu klingeln, sondern leise aufzuschließen und hinein zu gehen. Natürlich wollte sie ihre Mutter nicht erschrecken. Ihre Wohnung war ziemlich groß und verzweigt. Das half ihr unbemerkt einzutreten. Aus dem Wohnzimmer hörte sie Stimmen. Die ihrer Mutter erkannte sie sofort, aber die andere konnte sie nicht gleich zuordnen, aber dann wusste sie es. Manuel! Es war Manuel. Warum war er hier bei ihrer Mutter? Stimmte etwas nicht mit ihrem Vater? Sie wollte sich erst bemerkbar machen, doch dann hörte sie, wie ihre Mom etwas von einer Drohung sagte. Es raschelte und im nächsten Moment hörte sie Schritte. Zum Glück stand die Schlafzimmertür offen. Blitzschnell huschte sie hinein. Kurz danach sprang die Wohnungstür ins Schloss und Manuel war verschwunden. Ganz vorsichtig ging Samantha in Richtung Wohnzimmer.
»Mom?«
Ihre Mutter zuckte zusammen, als sie ihre Tochter sah.
»Wo kommst du denn her? Ich habe dich nicht hereinkommen hören.«, sagte Amanda und versuchte ihre Aufregung zu überspielen.
Es war ihr anzusehen, dass etwas nicht in Ordnung war. »Was war hier los? Deine Bemerkung am Telefon, was sollte das? Du hast noch nie an Migräne gelitten. Hat es etwas mit Manuel zu tun? Wieso war er hier?«
Solange Sam ihre Mutter kannte, war sie eine starke Frau, doch heute sah sie verängstigt aus. Sam setzte sich zu ihr, legte den Arm um sie und sah ihr in die Augen. Gerade als sie noch einmal nachhaken wollte, begann ihre Mutter zu weinen.
»Was ist mit dir? Hat es etwas mit Dad zu tun?«
Sie schüttelte den Kopf. Mit ihrer Hand wischte sie sich die Tränen ab.
»Was ist es dann?«, fragte Sam vorsichtig.
»Kind, ich kann es dir nicht sagen. Du solltest wieder gehen. Vielleicht rufe ich dich später an.«
Samantha traute ihren Ohren nicht. Ihre Mutter wollte sie einfach wegschicken. Das war nicht ihre Art. Sam postierte sich genau vor ihr und stemmte die Hände in ihre Hüfte.
»Jetzt reicht es aber. Du sagst mir sofort, was los ist. Hat dich Manuel bedroht oder etwas Schlimmes zu dir gesagt? Bitte, ich gehe nicht eher von hier weg, bis du mir sagst, was hier los ist.«
Sie setzt sich gegenüber in den Sessel und blickte ihrer Mutter in die Augen. Amanda entschied sich mit ihrer Tochter zu reden und zwar genau jetzt.
»Liebes, versprich mir nichts Unüberlegtes zu tun, wenn ich dir sage, um was es im Gespräch zwischen Manuel und mir ging.«
Samantha nickte ihr zu.
Energisch sagte ihre Mutter: »Versprich es mir bitte.«
»Ja gut, ich verspreche es.«, stammelte Sam erschrocken.
Zunächst nahm ihre Mutter einen Schluck Kaffee, rückte näher zu Sam heran und begann zu flüstern, als würde sie jemand hören können. Sie erzählte von dem Gespräch mit Manuel, von der Drohung an ihrem Dad und was er wissen wollte.
»Mutter, du redest hier von Manuel. Er beschützt doch unseren Vater, oder nicht? Ich dachte immer, er ist mit unserer Familie befreundet und warum will er wissen, wo Rick ist? Ich verstehe überhaupt nichts mehr.«
Samantha war sichtlich durcheinander. Was sollte das Ganze. Sie schüttelte den Kopf um zu sehen, dass das alles kein Traum war.
»Schatz, es ist nicht alles so, wie du denkst. Ich hätte dich niemals belügen dürfen. Bitte vergib einer alten Närrin.«, sagte Amanda zu ihrer Tochter und begann wieder zu weinen.
»Belügen? Was redest du für einen Unsinn? Mom, nicht doch, du könntest mich doch niemals belügen, nicht wahr.«
Sam sah ihre Mutter an. Ihr fiel auf, dass ihre Mutter ihr nicht in die Augen sehen konnte.
»Ich hatte keine Wahl. Dein Vater und ich entschieden uns für diese Maßnahme und glaube mir, es fiel uns nicht leicht diese Entscheidung zu treffen. Es war zum Wohl für uns alle und besonders für dich, Liebes. Du solltest niemals in diese Sache hineingezogen werden.«
Eine unglaubliche Geschichte
Amanda nahm einen großen Schluck Kaffee, lehnte sich in ihren Sessel, schloss für einen kurzen Moment die Augen und begann zu erzählen.
»Dein Vater kannte sich mit Autos so gut aus wie kein anderer. Er hätte mit verbunden Augen einen Wagen auseinander und wieder zusammenbauen können. Der Fuhrpark der amerikanischen Botschaft in Bogota war sein ganzer Stolz. Er hatte zu jeder Zeit alles im Griff. Jede einzelne der Limousinen war stets einsatzbereit. Dafür sorgte er am Tag und selbst in der Nacht. Ich sagte immer, dass er mehr Zeit in der Werkstatt verbrachte als mit uns und dass er zu viel arbeitete. Er sollte sich von jemandem helfen lassen. Natürlich weigerte er sich meinen Rat anzunehmen. Ich glaube, er hatte Angst, dass niemand gut genug für diese Arbeit wäre. Dein Vater wusste, dass ich oft mit dir allein war. Nach einiger Zeit und meinen Überredungskünsten gab er endlich nach und beschäftigte einen einheimischen jungen Mann, Manuel Cruz. Manuel war ein ruhiger, sehr fleißiger Mann und es stellte sich heraus, dass er auch gute Kenntnisse von Autos besaß. Manuel wohnte zusammen mit seinem Bruder bei seinen Eltern am Rande von Bogota. Sein Vater arbeitete als Landarbeiter und seine Mutter war Köchin bei einer wohlhabenden Familie. Die Bezahlung war nicht sehr gut und da er älter war als sein Bruder Ricardo tat Manuel alles, um seiner Familie finanziell unter die Arme zu greifen. In der Werkstatt der Botschaft wurde er gut entlohnt. William war sehr zufrieden mit Manuel und so steckte er ihm gelegentlich einige Dollar zu. Das Vertrauen deines Vaters gegenüber ihm baute sich im Laufe der Zeit aus und so kam es, dass dein Vater auch mal nach langer Zeit mit seiner Familie etwas unternehmen konnte.
Manuel gefiel der Job sehr, vor allem, weil er dadurch die Tochter seines Chefs, nämlich dich mein Kind, öfter sehen konnte. Ich glaube, er hatte sich in dich verguckt. Zwar warst du noch viel zu jung für ihn, doch hatten William und ich das Gefühl, dass er einen guten Einfluss auf dich ausübte. Du warst zwar eine gute Schülerin, doch deine Sprachkenntnisse machten dir immer zu schaffen. Manuel half dir in seiner Freizeit deine Spanischkenntnisse zu vertiefen. Es machte ihm viel Spaß dir zu helfen, aber es war alles nicht das, was er wirklich wollte. Sein Traum war es nach Amerika zu gehen, um ein amerikanischer Elitesoldat zu werden, bei den Seals zu kämpfen und mit seinen erworbenen Kenntnissen später einmal seinem Heimatland zu dienen. Wie halt die jungen Burschen so sind. Er war davon besessen, einmal ein reicher Mann zu werden, um seiner Familie ein gutes Leben zu bescheren. Nach drei Jahren verließ er die Werkstatt und sorgte dafür, dass sein zwei Jahre jüngerer Bruder Ricardo die Stelle übernahm. Dein Vater war einverstanden, denn auch Rick liebte Autos und verstand eine Menge davon. Natürlich reizte es ihn auch, wie sein Bruder mal ein Kämpfer und Patriot zu werden.
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