Shortys Adamsapfel ruckte auf und ab. »Mädel, warum musst du dauernd in diesem Ton mit einem armen alten Mann sprechen? Ich bin …«
»Wenn du bei mir bleiben willst, dann hörst du auf meine Befehle! Weg mit der Flinte, Shorty!«
»Na, wird’s bald, du Zwerg!«, grinste ihn Bully höhnisch an. Er streckte seine Pranke nach der Parker-Gun aus.
Shorty wand sich. »Mary-Lou, du weißt nicht, was du da von mir verlangst! Ich soll ihm meine Freundin Jenny …« Bullys Faust schnappte bereits zu und entriss ihm die Flinte. Im ersten Moment sah es aus, als würde sich der kleine Oldtimer mit bloßen Fäusten auf ihn stürzen. Mary-Lou rief scharf seinen Namen, und Shorty Ridler erschlaffte.
Santana befahl grimmig: »Bully, du bleibst bei diesen beiden komischen Vögeln zurück und passt auf, dass sie keine Dummheiten machen.« Er zwinkerte Bully bedeutsam zu, und die Wulstlippen des Hünen grinsten noch breiter.
Santana legte seinen Arm um die Schultern Mary-Lous.
»Du bist ein Prachtmädel! Wir beide werden noch die ganze Welt aus den Angeln heben! Weißt du, dass ich ganz verrückt nach dir bin?« Er zog sie mit festem Griff an sich und neigte sein Gesicht zu ihr hinab. Die Bande starrte grinsend herüber.
Mary-Lous biegsamer Körper wurde in Santanas Arm ganz steif.
»Jim, ich verlange, dass du dich an die Abmachung hältst! Kellock lebt noch auf freiem Fuß!«
Ein gieriges Flackern war in seinen dunklen Augen. Seine Hände krallten sich in ihre Schultern. Sein Atem ging schneller. Sekundenlang schien es, als würde er sie gegen ihren Willen küssen. Sie starrte ihm nur unverwandt und eiskalt in die Augen. Da ließ Santana sie los.
»Gut!«, sagte er heiser. »Die Abmachung gilt! Erst Kellock! Ich hoffe nur, du vergisst dann nicht den zweiten Teil unseres Geschäfts!« Sein Tonfall war drohend geworden.
Ruhig hielt Mary-Lou seinem durchdringenden Blick stand. »Ich habe noch immer mein Wort eingelöst!«
Die Härte in Santanas Gesicht lockerte sich zu einem scharfen Grinsen. Dann herrschte er seine Crew an: »Zum Teufel! Was steht ihr da und glotzt wie die Ochsen! In die Sättel, Jungs! Kellock wartet auf unseren Besuch!«
Während Bully den alten Ridler und Amarillo in die Blockhütte drängte, holten die Desperados ihre bereits gesattelten Gäule aus dem Korral, saßen auf und ritten in geschlossener Formation aus dem Felskessel fort, indem ihr verborgenes Camp lag. Steigbügel an Steigbügel galoppierten Mary-Lou und Jim Santana an der Spitze.
Bruce Kellock lehnte sich gegen die Flanke seines Pferdes, rieb sich zufrieden die Hände und schaute finster lächelnd auf die verkohlten Trümmer der Jones-Ranch. »Leach«, wandte er sich an seinen flachsblonden Vormann, »wir sind am Ziel. Das alles gehört jetzt mir. Morgen lässt du die Hälfte der Herde auf Jones’ Weide bringen. Baut eine Hütte hier, in der dauernd sechs Mann stationiert sein werden. Wenn sich dieses verrückte Girl tatsächlich mit Santana verbündet, wollen wir auf alles vorbereitet sein.«
»Boss, ein Wagen!«, rief Leach. »Er kommt genau zur Ranch.«
Kellock spähte über den Sattel seines Pferdes. Ein Planwagen, der von zwei struppigen Gäulen gezogen wurde, rollte zwischen den Hügeln heran. Der Mann auf dem Bode war auf die Entfernung nicht zu erkennen. Kellock furchte die Brauen.
»Tom, Nick! In die Sättel! Seht nach, wer er ist, und sorgt dafür, dass er die Richtung ändert!«
Aus dem Cowboyrudel, das rauchend und plaudernd beim Ziehbrunnen stand, lösten sich zwei drahtige Burschen, schwangen sich auf ihre Pferde und jagten in schwingendem Galopp dem Planwagen entgegen. Kellock beobachtete aufmerksam, wie die Cowboys den Mann auf dem Wagen anriefen. Der ließ die Peitsche über den Pferderücken knallen und lenkte das Gefährt in gerader Linie unbeirrt weiter auf sie zu. Nebeneinander, die Hüte schwenkend, sprengten ihm Tom und Nick entgegen, um ihm den Weg zu versperren.
»Der Narr!«, knurrte Leach kopfschüttelnd. »Hat wohl noch nie was mit der K-Star-Ranch zu schaffen gehabt!«
Plötzlich veränderte sich die Haltung der K-Star-Cowboys. Sie ließen ihre Hüte fallen, rissen ihre Pferde auseinander und griffen zu den Revolvern. Der Mann auf dem Wagen warf die. Peitsche weg, sprang vom Sitzbrett hoch, und im nächsten Moment stach aus seiner rechten Faust ein grellroter Feuerstrahl.
»Harbin!«, brüllte Kellock auf und rannte hinter seinem Pferd hervor.
Tom stürzte am Hang der Hügelketten aus dem Sattel. Nick kam ebenfalls nicht zum Schuss. Sein Pferd schnellte genau in dem Moment los, da er von einer Kugel herabgeworfen wurde. Sein Stiefel verfing sich dabei mit dem Sporenrad im Steigbügel. Wie ein Stoffbündel wurde der Mann vom durchgehenden Gaul mitgeschleift. Chad Harbin ließ sich aufs Sitzbrett zurücksinken. Die Zügel in der einen, den Revolver in der anderen Faust, trieb er das Gespann direkt auf die zerstörte Jones-Ranch zu.
»Er hat den Verstand verloren!«, keuchte Kellock. »Verdammt, warum sitzt ihr nicht längst auf euren Kleppern, Männer? Schnappt ihn euch! Schießt ihn in Fetzen, wenn er nicht anders zur Vernunft zu bringen ist!«
Lärmendes Durcheinander entstand auf dem Hof. Staub wolkte auf, während Sattelleder knarrte und Gebissketten klirrten. Mit heiseren Schreien trieben die K-Star-Reiter ihre Tiere zum Galopp. Kellock blieb allein zurück, die Faust krampfhaft um den Coltgriff geschlossen. Chad Harbin brachte den Wagen nicht mehr als ein Dutzend Yards von den Ranchruinen entfernt zum Halten, hob seinen Smith and Wesson in Augenhöhe, wartete, bis die vordersten Reiter nahe genug heran waren, zielte und drückte ab.
Ein Pferd überschlug sich. Der Cowboy segelte im hohen Bogen durch die Luft und blieb reglos auf der mit dichten Grasbüscheln bestandenen Erde liegen. Chads Revolver schwenkte ohne Eile, wieder zielte er ganz ruhig, während ihm bereits die Kugeln der K-Star-Leute entgegenprasselten. Als der Schuss peitschte, griff sich ein zweiter Angreifer aufschreiend an die Schulter und lenkte seinen Gaul aus dem Rudel weg.
Kellocks Gesicht war dunkel vor Wut. »Ausschwärmen!«, brüllte er, obwohl seine Stimme das dumpfe Hämmern der Hufe nicht übertönen konnte. »Packt ihn von den Flanken, ihr hirnverbrannten Narren!«
Die Reiter zogen sich bereits auseinander. Die nächste Salve zerfetzte das Planendach des Wagens. Aber Chad Harbin verharrte wie festgenagelt auf dem Bock. Er ruckte an den Zügeln, und das Gespann wendete und lief in die Hügel zurück, woher es gekommen war.
»Lasst ihn nicht entwischen!«, schrie Kellock seinen Leuten nach. »Bringt ihn mir tot oder lebendig, diesen verrückten Kerl!« Schreiend und schießend fegte Leach mit den Cowboys hinter dem Fahrzeug her. Sie holten auf. Doch dann erschien Chads Smith and Wesson seitlich an der Plane, spie schnell hintereinander grelle Mündungsflammen, und sofort fielen die wütenden Verfolger mehrere Yards zurück. Staub wogte in dünnen Schleiern zum Firmament auf. Wagen und Reiter verschwanden in den graugrünen Wellentälern, die sich zwischen Jones’ Ranch und den Elk Mountains reihten. Kellocks Miene glättete sich allmählich. Der Planwagen hatte keine Chance, den ausgeruhten Pferden der wilden Boys zu entkommen! In Kellocks Augen war Chad Harbin schon jetzt ein toter Mann. Er machte sich keine Gedanken darüber. Er hatte Harbin gewarnt, und kein Mensch konnte sich ungestraft mit der mächtigen K-Star-Ranch anlegen. Kellock zündete sich eine schwarze Zigarre an und schlenderte zum Turkey Creek hinüber, der hinter den heil gebliebenen Korrals der Jones-Ranch vorbeiplätscherte.
Hufgetrappel und Räderknarren waren in den Flügeln verebbt. Ein gieriges Glimmen lebte in Bruce Kellocks Augen auf, als er in den seichten Creek watete. Das Wasser war glasklar, der Grund kiesig. Mit den Stiefelspitzen stieß Kellock aufmerksam Steine zur Seite. Dabei rauchte er immer heftiger. Schließlich kauerte er nieder, achtete nicht darauf, dass sein brauner Kordanzug nass wurde, und tauchte die Hände tief ins Wasser. Er grub im Kies und Sand, ließ die Steine durch seine Finger rieseln, und plötzlich blitzte es in seinen lauernden Augen auf. Er hielt einen walnussgroßen Steinbrocken von mattgelber Farbe zwischen den Fingern gegen das Sonnenlicht.
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