R u f m o r d
a u f
W a n g e r o o g e
Petersens dritter Fall
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Kriminalroman
von
Malte Goosmann
Über den Autor:
Malte Goosmann, 1950 in Bremen geboren,
war Lehrer und Schulleiter.
In seiner Freizeit musizierte er über 30 Jahre in
der Oldie-Band „The Tenders“.
Zahlreiche Urlaube auf der Nordseeinsel
Wangerooge inspirierten ihn zu der
Idee, Kriminalromane rund um die Figur des
Inselpolizisten Lars Petersen
zu entwickeln.
Copyright: © 2018 Malte Goosmann
Cover Design & Layout : Monika Goosmann
Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Florian Geschwandner stieg erschöpft von seinem Rennrad ab. Obwohl es erst 7 Uhr morgens war, spürte er den Schweiß auf seiner Haut. Es war einer dieser drückenden Sommertage im Rhein-Main Gebiet. Die Schwüle, die auch nachts nicht verschwand, machte vielen Menschen zu schaffen. Er hatte sich deshalb heute Morgen für kurze Hosen entschieden. Da er im Amt, wie er seine Arbeitsstelle nannte, völlig autonom arbeitete, gab es für ihn keine Kleidervorschrift. Manchmal glaubte er zu ahnen, dass seine Vorgesetzten mit seinem Kleidungsstil nicht immer einverstanden waren, aber irgendwie interessierte es ihn nicht. Langsam schob er sein Rad die Schräge zum Kellereingang hinunter. Die Videokamera am Eingang hatte ihn erfasst. Etwas fahrig kramte er seinen Ausweis aus der Umhängetasche und presste ihn gegen die Scanner Scheibe. Nach wenigen Sekunden öffnete sich die Kellertür und Geschwandner hatte den Fahrradkeller des TeSIT (Technisches Servicezentrum Informations- und Kommunikationstechnologien) des BKA in Mainz-Kastel erreicht. Sein Arbeitsplatz befand sich in der beigeordneten Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen (ZaRD).
Geschwandner war der Prototyp eines „PC-Nerds“, seiner eigenen Einschätzung nach ein hoffnungsloser Fachidiot. Schon während seiner Schulzeit in Frankfurt hatte er die PCs seiner Mitschüler repariert und in der Schule wurde zuerst immer er um Rat gefragt, wenn in den PC-Räumen die Rechner abstürzten oder das gesamte Schulnetzwerk mit Viren verseucht war. Leider waren seine Fähigkeiten sehr einseitig entwickelt, so dass die gesamten schulischen Leistungen darunter litten. Im 12.Jahrgang der Gymnasialen Oberstufe schmiss er, zum Leidwesen seiner Eltern, die Schule. Die niedrigen Punktzahlen in den geisteswissenschaftlichen Fächern machten ihm deutlich, dass eine Zulassung zum Abitur sehr unwahrscheinlich war. Existenzängste brauchte der junge Mann aber nicht zu haben. Er gründete eine Ein-Mann IT-Beratungsfirma, mit der er seinen Lebensunterhalt relativ gut bestreiten konnte. Irgendwann stieß er auf die Internetseite des BKA, auf der IT-Experten als sogenannte Quereinsteiger gesucht wurden. Den Eignungstest absolvierte er mit Bravour und so bot man ihm einen gut dotierten Angestelltenvertrag im TeSIT an. Seine Eltern, der Vater Physikprofessor an der Frankfurter Uni, die Mutter Grundschullehrerin in Wiesbaden, waren mit dieser Entscheidung ihres Sohnes nicht glücklich. Beide kamen aus dem linksliberalen Frankfurter Milieu. Für sie stand die Arbeit von Sicherheitsdiensten grundsätzlich unter Generalverdacht.
Nachdem Florian Geschwandner sich auf der Toilette den Schweiß aus dem Gesicht gewaschen hatte, betrat er sein Büro. Der Raum war halb abgedunkelt. Wie in einer Kommandozentrale waren fünf Rechner im Halbkreis angeordnet. Davor stand ein schmaler Arbeitstisch, auf dem mehrere Tastaturen lagen. Die Seitenwände des Raumes waren mit großen Rechnerschränken vollgestellt. Überall blinkten Kontrolllampen in grüner und roter Farbe. Geschwandner ließ sich langsam auf seinem breiten Bürostuhl nieder. Zuerst kontrollierte er die Protokolldateien der vergangenen Nacht. Wenn ihm etwas auffällig vorkam, rief er die entsprechenden Dateien auf einem Monitor auf. Was auf diesen Bildschirmen zu sehen war, würde für jeden Normalbürger eine harte Prüfung darstellen. Filme, aber auch Bilder der übelsten pädophilen Sorte, flimmerten über die Monitore. Die Mitarbeiter des TeSIT recherchieren anlassunabhängig in Datennetzen, um wie in diesem Fall im Bereich Kinderpornographie strafbare Handlungen aufzudecken. Um diese Arbeit überhaupt bewältigen zu können, hatte Geschwandner sein moralisches Empfinden während der Arbeit auf null zurückgefahren. Es kam ihm jetzt zugute, dass er völlig abgeschottet in seine IT-Welt eintreten konnte, ohne dass ihn das Drumherum interessierte. Er war von dem Gedanken besessen die Server zu orten, von denen aus das pädophile Material in die Netze eingespeist wurde. Die Bilder selbst nahm er kaum noch war. Sie berührten ihn nicht, er hatte einen Auftrag, der ihn fesselte. Emotionen würden ihn bei dieser Arbeit nur behindern. Viele seiner Vorgänger hatten diesem Druck nicht standgehalten und waren an der Widerwärtigkeit der Bilder gescheitert und mussten dann in andere Abteilungen versetzt werden. Andere wiederum bekamen diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf und litten in Folge unter schweren Depressionen. Größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hatte diese Arbeit durch die Edathy-Affäre bekommen. Eine Strafverschärfung in Bezug auf den Besitz von pädophilem Material war die Folge der öffentlichen Debatte. Die Strafverfolgung der Verbreiter dieses Materials war nicht so einfach, da die Server meistens nicht in Deutschland zu finden waren. Die globale Verfolgung dieser Straftatbestände gestaltete sich mit einigen bestimmten Ländern als äußerst schwierig. Einfacher war es, die Konsumenten dieses pornographischen Materials in Deutschland ausfindig zu machen. Geschwandner musste in solchen Fällen die IP-Adressen der Besitzer pornographischen Materials ausfindig machen. Im nächsten Schritt wurden dann diese Daten an die entsprechenden Landeskriminalämter weitergeleitet.
Florian Geschwandner lehnte sich nach der Durchsicht der Protokolldateien zurück, griff nach seiner Wasserflasche, als ihn der Warnton seiner Scanner-Software aufhorchen ließ. Er öffnete das Programm, das ihm Bildmaterial meldete, das ohne Zweifel aus Deutschland kam. Zuerst stutzte er, denn das, was er dort sah, war auf den ersten Blick nicht als hartes pädophiles Bildmaterial erkennbar. Leicht bekleidete Kinder und Jugendliche waren an einem Strand zu sehen, für Geschwandner auf den ersten Blick Bilder aus dem normalen Urlaubsalltag. Was hatten diese Bilder auf einem pädophilen Porno-Portal zu suchen? Zugegeben, die Bildauswahl war sehr selektiv auf kleinere Jungs ausgerichtet. Die Kinder sahen irgendwie sehr deutsch aus, wie er fand. Normalerweise waren es vor allem Kinder aus Osteuropa, die in solchen Filmen zu sehen waren. Fest stand in jedem Fall, dass jemand Kinder an einem Strand fotografiert hatte und diese Bilder auf einer pädophilen Seite veröffentlichte. Die strafrechtliche Relevanz solchen Handelns war Geschwandner nicht so ganz klar. Das Recht am eigenen Bild war hier mit Sicherheit verletzt worden, aber weitergehende Konsequenzen erschlossen sich ihm noch nicht. Er war beileibe kein Jurist und wollte auch keinen Fehler machen. Also, wozu hatte man Vorgesetzte? Er wählte die Nummer von Kriminalrat Dr. Müller. Fünf Minuten später stand dieser im Büro von Geschwandner und studierte die Bilder.
„So etwas hatten wir noch nicht, Geschwandner. Gut, dass Sie mich angerufen haben. Der Strand sieht sehr deutsch aus. Eigentlich kann das nur irgendwo an der Nordseeküste sein. Ich werde mal die Bilder an die Landeskriminalämter von Niedersachsen und Schleswig-Holstein schicken. Vielleicht haben die eine Idee, wo das sein könnte. Und sie versuchen mal rauszukriegen, wo diese Schweinerei herkommt. Irgendwo ist da ein Spanner unterwegs. Sie werden den schon finden“.
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