Meinard Lembel Bei allem Respekt!
Anne Hoch Ohrfeigen könnte ich mich.
Meinard Lembel Nicht ärgern, mehr wollte ich doch nicht.
Anne Hoch Mann – bin ich vielleicht eine blöde Kuh!
Meinard Lembel Nein, das bist du nicht. Ganz bestimmt, zeugt dein Gedicht nicht davon?
Anne Hoch Dass ausgerechnet mir so etwas passieren muss.
Meinard Lembel Dazu dein Gesang, deine Stimme – ein kindliches Talent nach dem anderen.
Anne Hoch Und wieso habe ich auf einmal so ein mulmiges Gefühl im Bauch.
Meinard Lembel Hat nichts zu sagen bei einem kleinen Mädchen, aber ich muss jetzt weiter.
Anne Hoch Um Himmelswillen - und was wollen Sie denn von Radius eigentlich? Was wollen Sie mit ihm besprechen?
Meinard Lembel Keine Sorge, das wird er bald erfahren. Sehr bald sogar, deine Mithilfe sei Dank.
Anne Hoch Ein schöner Mist!
Meinard Lembel Mach dir einfach nichts draus, am Ende wird doch alles gut. Hoffentlich, ja, hoffentlich wird alles gut, und dir wünsch ich noch viel Freude.
Anne Hoch Freude – um Himmelswillen!
Meinard Lembel In diesem schmucken Lichtspieltheater. Auf Wiedersehen, du kleines Mädchen.
RLG Der, der, der – der Lembel.
ßilberling Ach, du und dein Lembel.
RLG Kommt zu uns!
ßilberling Tja, Pflaster hin, Veilchen her - manches lässt sich nicht ändern. Ist nun mal so.
RLG Was will er nur?
ßilberling Die Vorbeibringung der ersten Million. Was sonst, oder hast du‘ s mir nicht erzählt?
RLG Wie?
ßilberling Verborgen unterm Mäntelchen.
RLG Welch hoffnungslos zerzaust, aber für was denn?
ßilberling Ich glaube, das werden wir sehr bald in Erfahrung bringen können – wenn mich nicht restlos alles täuscht.
RLG Also, ich weiß nicht. Und ein gutes Gefühl bei der ganzen Angelegenheit haben ist was Anderes.
ßilberling Nur die Ruhe bewahren, und zuweilen wird heißer Tee heißer getrunken wie nötig.
RLG Hoffentlich hast du Recht.
ßilberling Natürlich, warum denn auch nicht?
Anne Hoch Das Mädchen vor dem Kino hat die Schnauze voll. Nun tun ihm vor lauter Rumstehen nicht nur die Beine weh – um Himmelswillen!
Neuer Kontostand: ein ßilberling, ein Ende
Blatt 38: Das Neuorientieren
Das Lindenbankhaus – Ihre Andere Bank
Auszug 35 159 23 5, Blatt 38
Aktueller Kontostand: ein ßilberling, ein Ende
RLG Das Neuorientieren!
ßilberling Irgendetwas passt dir doch schon wieder nicht.
RLG Das weiß ich im Moment selbst gar nicht. Ehrlich gesagt.
ßilberling Sich aussprechen hat aber noch niemandem geschadet.
RLG Ja, es ist nur so. Weil ich mir unter dem Neuorientieren doch noch irgendwas Anderes vorstelle.
ßilberling Hach, du und dein Neuorientieren.
RLG Hat denn das Betrachten deiner Sterne bisher was bewirkt?
ßilberling Hach!
RLG Ihre Vielzahl verwirrt eher noch mehr.
ßilberling Und was hältst du davon, wenn wir eine Grundsortierung durchführen?
RLG Wie meinst du denn das jetzt schon wieder?
ßilberling Das ist doch nun wirklich ganz einfach. Bisher sind es vier Sterne.
RLG Auf deinen Silberstrahlen schwebend.
ßilberling Allein der Glitzerzauber meines Silberglanzes.
RLG Vier Sterne, viel zu viel, wenn du mich fragst.
ßilberling Daher werden wir sie jetzt einfach durchgehen.
RLG Hm - vielleicht sogar nicht mal die schlechteste Idee. Also gut, von mir aus.
ßilberling Dann fangen wir doch gleich damit an.0
RLG Meinetwegen, stehen geblieben sind wir bei Stern Numero vier.
ßilberling Die Göre vor dem Kino, wieder allein.
RLG Ja, ja, aber irgendwann wird der Fritzi schon noch erscheinen.
ßilberling Doch bis sich endlich was tut, können wir den Kinostern vernachlässigen. Würd ich sagen.
RLG Dafür hat Herr Lembel Radius im Visier.
ßilberling Auch das kann noch dauern. Bis er hier oben angekommen ist.
RLG Ich für meinen Teil kann darauf verzichten - sogar hundertprozentig,
ßilberling Man braucht sich auch nicht immer gleich ins Hemd machen. Aber warum schauen wir so lange nicht auf den dritten Stern?
RLG Unsere Kneipe?
ßilberling Mein ganz persönlicher Lieblingsstern - irgendwie.
RLG Ob uns fröhliches Singen wirklich weiterbringt – ausgerechnet.
ßilberling Ruhig Blut, und haben wir nicht noch zwei andere Sterne?
RLG Der Schulhof.
ßilberling Mit der romantischen Linde.
RLG Nein, der Ali ist verschwunden – schau nur!
ßilberling Der Ali nicht mehr am Schwelgen?
RLG Auf - auf dem Bankenstern! Aah!
ßilberling Nicht ins Hemd machen habe ich gesagt – bitte nicht!
RLG Eingetreten, dass was ich befürchtet habe - der Ali, der Ali.
ßilberling Du und dein Ali.
RLG Ja, der Ali, der Ali.
ßilberling Tja ja, was so ein kleiner Scheck nicht alles ausmacht.
RLG Au wei!
ßilberling Mann, er tut doch nur das, was viele andere auch tun würden. Wenn sie einen Scheck einlösen.
RLG Zerreißen.
ßilberling Ja, ja, und ab in die Locken. Als ob das nicht auch schon gesagt worden wäre.
RLG Vom Eintreten unserer Türe ganz zu schweigen.
ßilberling Dinge wie bespucken hast du vergessen. Oder vergiften.
RLG Du sprichst mir aus der Seele.
ßilberling Wollen wir zunächst nicht einfach mal hinhören?
RLG Au wei!
Neuer Kontostand: ein ßilberling, ein Ende
Blatt 39: Macht hoch die Tür
Das Lindenbankhaus – Ihre Andere Bank
Auszug 35 159 23 5, Blatt 39
Aktueller Kontostand: ein ßilberling, ein Ende
D.m.d.D.m.k.W. Macht hoch die Tür! Das Tor macht weit. Es kommt der Türk mit dem Scheck.
Nanu – oder ob es an meiner Gangart liegt? An meiner Schwarzfrisur gar, was allerdings kaum sein kann. Denn selten ich mehr türkisch gewesen! Und das so kurz vorm Urlaub machen. Ui, nicht, dass ich am Ende gar für einen Außerirdischen gehalten werde; der Türk vom Mars, als ob so etwas überhaupt schon mal vorgekommen wäre – nee, nee.
Oder soll ich diese Bank hier am besten gleich wieder verlassen? Ich meine, für einen zweiten Anlauf, um dann mit mehr Schmackes rein zu schneien. Durch die Tür, damit komme ich mit für einen Ausländer verhältnismäßig bescheidenen kriminellen Absichten. Was so sicher ist wie ein Amen in der Dingsbums, vielmehr beschränkt auf ein einziges Ansinnen, nämlich dem Abkassieren der Urlaubsknete. Dem Scheck sei Dank, meine Vereinskollegen dürfen allerdings von meinem Vorhaben in keinem Fall Wind bekommen. Nie und nimmer, nein, daran darf man wirklich nicht denken, ich meine, der erste Beisitzer im Kulturverein zur Bewahrung von Vorurteilen und Klischeehaftigkeiten löst ganz zivil einen zivilisierten Scheck ein. Was einen zivilen Schreck bei denen auslösen würde, zumindest zu befürchten wäre es, nee, nee. Hallo: hier ist ein ziviler Türk, der will zu euch, gebt ihm sein ziviles Urlaubsgeld, und schon ist er wieder weg.
Nein, nichts bewegt sich hier, aber auch rein gar nichts. Hier, wo die Bank meiner verflossenen Kindheitstage. Türkenweiche Butterknie, und es scheint sich ja auch nichts verändert zu haben: die kundenfreundlichen Beratungstische so kundenfreundlich ausgestattet wie immer, nur die Wände - waren die nicht früher Tannen grün? Ohne Frage, erinnern kann ich mich, ziemlich genau sogar, eingetauscht gegen marineblau jetzt. Na ja, was für das Auge ist, steht auf einem anderen Stern – Mars hin, türkisch her.
Trocken nach wie vor die Gummibäume in den friedvollen Ecken, die Wartesitzschalen an der Sitzschalenwartewand. Und als ob die Decken damals nicht himbeerrot waren; doch, doch, ich wundere mich nur, ob der Leere, selbst der Schalter verwaist. Dabei will ich doch wirklich nichts, bloß einen ganz harmlosen Scheck einlösen. Selbst die Münzenlade des Schalters einsam und verlassen, wo ein waschechter Türke wie die meinige Wenigkeit sich unmittelbar davor aufhält - mit einem sauggewöhnlichen Scheck in der Hand. Sogar das Überfallen einer wehrlosen Frau irgendwo mitten auf einem unbehelligten, westlich geprägten Parkplatz würde einem wie mir bedeutend schwerer fallen. Selbstverständlich mit Klappmesser, messerscharf natürlich, also, wo ihr seid alle - hallo! Doch nicht versunken in marienblauen Tagträumen? Beziehungsweise orangenen? Ach, wo nur ist das Himbeerrot abgeblieben? Das Tannengrün nicht zu vergessen, und als ob die Zigaretten unter der guten, alten Schulhoflinde gerade nicht wesentlich gemütlicher gewesen waren. Ist doch wahr - oder erspähe ich unter Umständen doch noch etwas? Am Ende, etwas, was mir bekannt vorkommt: ein Namensschild neben eine der Seitentüren, als ob es nicht schon vor über dreißig Jahren an genau der gleichen Stelle angebracht worden war: Herr Filialdirektor Ilja Indirekt.
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