RLG Was – die Anne auch noch ausspionieren? Und was soll uns das außerdem bringen?
ßilberling Schau doch nur. Und ganz allein.
RLG Vor dem Kino?
ßilberling Allein, einsam und verlassen!
RLG Gewiss kratzt der Fritzi daheim noch sein Sparschwein aus.
ßilberling Oder doch nicht allein?
RLG Ist doch auch keine Schande für einen kleinen Jungen.
ßilberling Also, ich weiß ja nicht. Aber ob man sich unter einem kleinen Jungen nicht was Anderes vorzustellen hat?
RLG Aah!
ßilberling Von Niedlichkeit möchte ich erst gar nicht anfangen zu sprechen.
RLG Die, die – die Anne.
ßilberling Doch nicht allein. Würd ich sagen.
RLG Vor dem Kino, und niedlich wahrlich was Anderes. Wahrlich, wahrlich.
ßilberling Bei dem Mädchen wäre ich nicht abgeneigt, es zu behaupten.
RLG Die Anne doch nicht, der, der – der Lembel! Ja, der Lembel ist das.
ßilberling Oh je - und wie der zugerichtet ist!
RLG Oh mein Gott, wie recht du hast. Aber wie ist das denn passiert?
ßilberling Das Veilchen am Auge tut mir ja selber weh! Allein beim Betrachten.
RLG Das Gesicht mit Heftpflastern versehen, Schrammen und Kratzer.
ßilberling Schürfwunden, Platzwunden, blaue Flecken – alles was das Herz begehrt.
RLG Das Haar – hoffnungslos zerzaust!
ßilberling Gut geht es ihm nicht, ich zumindest stell mir hierfür was Anderes vor.
RLG Durchaus, durchaus, da muss ich dir Recht geben. Sogar die Stirn verbeult.
ßilberling Ich denke, hierbei sollten wir uns auf jeden Fall näher heranwagen.
RLG Ich habe kein gutes Gefühl.
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Blatt 37: Ein Mädchen vor dem Kino
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Auszug 35 159 23 5, Blatt 37
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Anne Hoch Ein Mädchen vor dem Kino, das hat die Schnauze voll. Es tun ihm vor lauter Warten die Beine weh. Nein das kann doch gar nicht sein, wieder lässt mich der Fritzi allein. Und es ist nicht zum ersten Mal, dass er mich versetzt.
Hm, doch wie mir scheint, bin ich gar nicht mehr allein. Ob ich nun will oder nicht.
Meinard Lembel Guten Tag, du kleines Mädchen.
Anne Hoch Ich erwarte zwar jemand. Aber doch nicht Sie!
Meinard Lembel Verzeihung, und ich möchte auch keinesfalls aufdringlich sein.
Anne Hoch Und wie Ihr scheußliches Gesicht aussieht– ih!
Meinard Lembel Mach dir nichts draus.
Anne Hoch Ih!
Meinard Lembel Alles halb so schlimm.
Anne Hoch Wie ist denn das überhaupt passiert.
Meinard Lembel Nichts für ungut.
Anne Hoch Sind Sie gestürzt?
Meinard Lembel Gestürzt – wie bitte, ach so. Na ja, so kann man es natürlich auch bezeichnen.
Anne Hoch Oder vermöbelt worden?
Meinard Lembel Eigentlich wollte ich mit dir ja auch was ganz Anderes besprechen.
Anne Hoch Warum wollen Sie mit mir was besprechen – um Himmelswillen.
Meinard Lembel Selbstverständlich nur, wenn du dich nicht belästigt fühlst.
Anne Hoch Manche Leute tun sich einfach keinen Zwang an.
Meinard Lembel Aber du kannst dich doch ganz bestimmt an mich erinnern.
Anne Hoch Das sagt meine Mutter auch immer.
Meinard Lembel In eurem schmucken Gasthaus.
Anne Hoch Ach, Sie waren ja auch erst vorgestern bei uns.
Meinard Lembel Richtig, und in diesem Zusammenhang möchte ich noch mal betonen, dass es für mich ein außerordentliches Vergnügen gewesen ist, dich kennengelernt zu haben.
Anne Hoch Aber das ist doch bestimmt nicht das, was Sie mit mir besprechen wollen.
Meinard Lembel Nein. Ja. Ach, was für ein nettes, kleines Mädchen du bist. Das zudem über besondere Talente verfügt. Wenn ich nur an dein Gedicht denke.
Anne Hoch Sagen Sie bloß, Sie wollen es schon wiederhaben– um Himmelswillen!
Meinard Lembel Nein, nein, zu sehr es zu bedauern ist; und befindet es sich nicht im Übrigen nicht sowieso in den Händen deines Bekannten?
Anne Hoch Wie - das können Sie doch gar nicht wissen.
Meinard Lembel Ich sage nur einen Namen: Lehr.
Anne Hoch Um Himmelswillen!
Meinard Lembel Ach, du kleines Mädchen, eine glatte Vergeudung. Der hat es ja nicht einmal gelesen.
Anne Hoch Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?
Meinard Lembel Keineswegs. Er war sogar bei mir im Büro.
Anne Hoch Was? Radius bei Ihnen? Das glaub ich nicht.
Meinard Lembel Doch, war er. Mitten in meiner Chefetage.
Anne Hoch Einfach nicht. Nie und nimmer.
Meinard Lembel Mir scheint, dass du ihn wirklich gut kennst. Sogar ziemlich gut, nicht wahr?
Anne Hoch Eben drum kann ich mir so etwas einfach nicht vorstellen.
Meinard Lembel Aber, aber - wer kommt denn da gar nicht mehr aus dem Staunen raus?
Anne Hoch Was hat denn einer wie Radius ausgerechnet bei Ihnen verloren?
Meinard Lembel Du darfst dir aber daraus jetzt auch nicht allzu viel machen.
Anne Hoch Um Himmelswillen!
Meinard Lembel Kommt doch alles schon mal vor – oder etwa nicht?
Anne Hoch Und ich habe gedacht, man kommt zu einem wie Ihnen eigentlich nur, wenn man was geschrieben hat.
Meinard Lembel Also, dumm bist du beileibe nicht. Für ein kleines Mädchen, alle Achtung!
Anne Hoch Aber doch nicht Radius.
Meinard Lembel Ach, meine Kleine, eigentlich hast du ja Recht. Und ich wünschte, wenn es dabeigeblieben wäre.
Anne Hoch Ich kapier gerade überhaupt nichts mehr, aber eines weiß ich ziemlich sicher, nämlich dass Radius noch nie was geschrieben hat. Noch nie in seinem ganzen Leben, da bin ich mir ziemlich sicher. So sicher wie ein Amen in der Kirche.
Meinard Lembel Ach so – nichts geschrieben? Na ja, so könnte man es selbstverständlich auch bezeichnen.
Anne Hoch Dazu ist er gar nicht in der Lage.
Meinard Lembel Was du nicht sagst, du Kleines.
Anne Hoch Natürlich – und ich werde ja noch wohl wissen, wovon ich spreche.
Meinard Lembel Apropos Lehr - ich bin auf der Suche nach ihm.
Anne Hoch So - und was wollen Sie von ihm?
Meinard Lembel Das würde ich ihm schon gerne selbst mitteilen. Es ist nämlich etwas durch und durch Persönliches. Du bräuchtest mir nur zu sagen, wo er wohnt.
Anne Hoch Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihnen das verrate.
Meinard Lembel Ach, du kleines Mädchen, du bräuchtest dir doch nur einen kleinen Ruck geben. Wo du es doch ganz sicherlich weißt.
Anne Hoch Vergessen Sie‘ s, ich sage nichts.
Meinard Lembel Nur sein Adressat, mehr will ich ja nicht.
Anne Hoch Außerdem hätten Sie ihn ja selber fragen können. Als er in Ihrem Büro war.
Meinard Lembel Prinzipiell hast du ja gar nicht mal so Unrecht, du kleines Mädchen, doch ausgerechnet das Austauschen unserer Eckdaten haben wir versäumt. Schlichtweg. In aller Eile.
Anne Hoch Deswegen müssen Sie doch nicht mir auf den Keks gehen. Mit ihrer doofen Fragerei.
Meinard Lembel Ein kleiner Hinweis würde doch schon genügen. Mehr will ich doch gar nicht.
Anne Hoch Nein, und dabei bleibt es!
Meinard Lembel Deine Loyalität zu einem Freund ehrt dich. Auf der anderen Seite.
Anne Hoch Ehre – darauf kann ich verzichten.
Meinard Lembel Auch noch bescheiden – ach, was für eine Zierde, ich bin richtig stolz auf dich.
Anne Hoch Warum lassen Sie mich nicht einfach in Ruhe!
Meinard Lembel Bei einem so kleinen Mädchen auf Granit beißen. Nein, das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Anne Hoch Also, es reicht mir langsam, und ob Sie mich nun endlich wieder in Ruhe lassen oder nicht, aber ich werde Ihnen nicht sagen, dass Radius in der Pension gegenüber der Schule wohnt. Nein, nicht in hundert Jahren werde ich das tun.
Meinard Lembel Na also, es geht doch, wenn man will!
Anne Hoch Verflixt - verdammter Scheibenkleister!
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