Die Mädchen erheben sich von ihren Plätzen, als die Oberstudiendirektorin die Klasse betritt und Frau Bardenbrecht als die neue Französisch-Lehrerin vorstellt. Da Frau Weißwasser die Grundkenntnisse dieser romanischen Sprache besitzt, ist abgesprochen, dass Adele die Primanerinnen in französisch begrüßt. Als sie im zweiten Satz sagt, dass alle ihre Plätze einnehmen sollen, aber alle weiter stehen bleiben, wiederholt sie den Satz und macht die entsprechende Handbewegung dazu. So kommt es wegen der verspäteten ‘Zündung’ zum allgemeinen Gelächter, und die Mädchen setzen sich auf die Stühle. Adele setzt ihre Französisch-Einführung in französisch fort, in der sie auf die Bedeutung dieser großen und großartigen Sprache verweist und die lange Berührungslinie der beiden Nachbarn in den unterschiedlichen Sparten des täglichen Lebens hervorhebt. Sie sagt, dass die Berührungslinie früher auch die Grenzlinie mit dem Rhein dazwischen war. Doch die Grenze hat im freien Reisen durch Europa die Bedeutung der Abgrenzung oder Begrenzung verloren. Die Menschen reisen ohne Visa von Deutschland nach Frankreich und weiter bis nach Portugal. Es kommt zum regen Sprach- und Kulturaustausch, den die Völkergemeinschaft innerhalb der Europäischen Union möglich gemacht hat. Das nationalstaatliche Denken ist durch das europäische Denken abgelöst worden, was ein großer Fortschritt zur gegenseitigen Verständigung und Vertrauensbildung für die gemeinsame Forschung und Wirtschaftsführung als auch für die Geschichtsbewältigung mit den Krisen und Kriegen der Vergangenheit ist.
Deutschland, Frankreich und Italien sind die Motoren, die zu den Römischen Verträgen führten, die die politische Grundlage zur Gründung der Europäischen Union sind. Es ist die Lehre aus zwei Weltkriegen, dass ein neues Denken in Europa einsetzen musste, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Adele beschreibt die kulturellen Verflechtungen der drei Völker, die geschichtlich bis in das große Reich von Karl dem Großen [Charlemagne] zurückreichen.
Nancy wird zum Erlebnis. Die Begegnungen mit den dortigen Primanerinnen sind lebendig und informativ, so auch die Begegnung von Adele Bardenbrecht mit den Lehrern des ‘Henriette-Lycée’. Die Franzosen staunen über das gute Französisch der Deutschen, das in der Höhe des Standards das Deutsch der französischen Schülerinnen übertrifft. Die deutschen Primanerinnen werden auf mehrere Klassen der Oberstufe verteilt und nehmen am Unterricht mit den französischen Primanerinnen und Obersekundanerinnen teil. Es gibt einen offenen und praxisbezogenen Austausch an Erfahrung und Wissen. Am Abend des dritten Tages gibt es die erste Theateraufführung in der Aula: Mädchen der Oberstufe führen Molière’s Komödie “Le malade imaginaire” auf. Am folgenden Abend bringen die deutschen Primanerinnen Kästners “Das fliegende Klassenzimmer”. Beide Abende werden für alle zu köstlichen Erlebnissen, denen sich auf dem von bunten Lampions erleuchteten Schulhof mit kühlen Getränken die Diskussionen bis in die Nachtsstunden hinziehen. Der Sprach- und Kulturaustausch wird von allen als Gewinn der gegenseitigen Verständigung verstanden, dass vereinbart wird, den Schulbesuch im kommenden Jahr auf deutscher Seite zu erwidern und den Austausch der Kulturen mit den Anliegen der jungen Menschen weiter zu vertiefen.
Ein völlig unerwarteter Vorfall tritt am vierten Tag ein. Eine Primanerin wird wegen starker vaginaler Blutungen ins Krankenhaus eingewiesen, wo sie von einer Fehlgeburt entbunden wird. Die Mitklässler sind von dem Ereignis völlig überrascht, weil ihr keiner die Schwangerschaft angesehen und zugetraut hatte. Adele dachte an ihre erste vorzeitige Entbindung der unreifen Frühgeburt, die das Ergebnis ihrer abgebrochenen ersten Beziehung zum Philosophiestudenten und Kommilitonen Klaus Korn gewesen war. Adelheid M. ist der Name dieser fortgeschrittenen Schülerin, die aus einem Elternhaus kommt, deren Vater als Direktor an einer Großbank eine gehobene Stellung bekleidet. Die Klassenkameraden haben unter sich abgesprochen, dass der Vorfall nicht nach außen dringen soll, um zu vermeiden, dass das ‘prämature’ Ereignis in der Schule und von dort in der Stadt die Runde mit den unnötigen, ‘witzigen’, besserwisserischen und anders spöttischen Bemerkungen macht. Jedenfalls kehrt die Klasse mit einem Tag Verspätung mit dem Bus in die Pfalz zurück. Die Schülerinnen werden von Eltern und Freunden vor dem Gebäude des Gymnasiums in Empfang genommen, wo sich gleich um den Bus lebhafte Gespräche entfalten über die jüngsten Erlebnisse jenseits des Rheins westlich der Vogesen.
Ein Herr in den mittleren Jahren von hoher, hagerer Gestalt mit einem sympathischen, ovalen Gesicht begrüßt Adele Bardenbrecht. Er hält seine Tochter Ünett, die eine gute Schülerin ist, an der Hand und stellt sich als Dr. Tisseau vor. Es kommt zu einem kurzen Gespräch, in dem sich der Vater nach dem Wert der Fahrt in die Vogesen erkundigt. Adele gibt einen kurzen Abriss von der Fahrt und dem Ergebnis und spricht von der Wichtigkeit des Kulturaustausches über die Grenzen hinweg, der die jungen Menschen zusammenführt, die ihre Erwartungen und Erfahrungen austauschen und durch das gegenseitige Zuhören und Miteinander-Reden eine ‘Communauté sans frontières’ bilden. “Damit festigen junge Menschen die europäische Völkerfamilie, was Europa friedlich, größer und stärker macht”, erwidert Dr. Tisseau. Dem stimmt Adele aus ganzem Herzen zu. Sie sagt, dass Europa ein neues Gesicht nach den abgelaufenen Tragödien der Vergangenheit braucht, die so lange noch nicht zurückliegen. “Das Gesicht Europas soll wieder lachen; es soll ein lachendes Gesicht sein”, sagt sie und gibt Dr. Tisseau und seiner Tocher die Hand. Ünett umarmt die junge Französisch-Lehrerin mit den Worten: “Es war eine wunderbare Reise, eine Bildungsreise im weitesten Sinne des Wortes.” Sie bedankt sich für Adeles Einsatz und geht mit ihrem Vater davon.
Die Schlafgestalten, sie sind gesteint verewigt in den Schatten, die das Sein durch deine Zeit begleiten.
Ecksteine halten die Tore mit den Brüchen und dem Rost, an die wir uns erinnern, dass einmal was gewesen war, von dem wir gestern sprachen.
Das mit dem Blut ist dann anders, das dem mit der Zukunft gehört, wo durchgängig die Adern sind, die sich weiter bilden, um den Strom des Kommens und Gehens im Fließen zu halten, ihn in jene Kanäle zu leiten, wo Herzen zum Schlagen angestoßen und miteinander verbunden werden, wo mit dem Herzschlag die Weisheit pulsiert.
So wird das Gebäude der Menschheit nicht fertig, jede Generation baut an ihrem Stockwerk, und ein Hochhaus ragt in die Höhe, dessen jüngster Stock hoch über den Wolken liegt, wo er sich verliert.
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