Es ist eine Spur wärmer geworden. Das Thermometer an der Außenwand zeigt zwei Grad plus. Stellenweise ist der Schnee dahin geschmolzen. Schwarze Saatkrähen machen sich auf den Äckern zu schaffen. Die Maler bedanken sich für die Verköstigung und treten den Heimweg an.
***
Einige muntere Dorfkinder spielen Verstecken, an diesem sonnigen Morgen. Kichern und Trappeln kleiner Schuhe, wenn sie sich finden. Das Zunftzeichen mit dem Hammer, gekreuzt von einer Zange, darunter ein Hufeisen, ragt prächtig heraus, links ober dem Eingang. Die Flügel-Tore zur Schmiede sind weit offen, geben den Blick auf den lodernden Kamin frei. Josi Geppert schlägt den Hammer auf ein glühendes Stück Metall, das auf dem Amboss liegt. Grüßend und abwartend stehen Toni und Otto in der Tür.
„Was gibt’s Neues?“ Josi legt das Werkstück zur Seite. Breit aufgelegt auf einem Holzblock, Zangen und Hämmer, seine stummen Handlanger im Umgang mit Metall und Feuer. Josi trägt schwarzes, gewelltes Haar, das auf seine breiten Schultern fällt. Es braucht Mut dazu, Eisen zu formen in der Glut, wie Schmiede es tun. Es gibt jedoch eine andere Seite an diesem groß gewachsenen und respekteinflößenden Mann, in der Mitte der Dreißiger. Man munkelt, dass er heimlich Romanheftchen liest, die er, wenn Kunden kommen, oder gar seine schöne Frau, schnell hinter den Gerätschaften versteckt. Liebesromane mit Fortsetzungen. Sie kommen einmal in der Woche mit der Post an.
„Wir hätten einen Auftrag für dich.“
„Es ist allerdings was Ungewöhnliches“, fängt Toni an mit seiner Beschreibung.
„Raus damit! Is es ein Keuschheitsgürtel, eine Schandmaske für ein Schandmaul, was Verwegenes?“
„Ein Reck und ein Hochreck bräuchten wir.“
„Wollt ihr eine Schule aufmachen?“ Josi wird immer neugieriger.
Die beiden erzählen von ihrem ehrgeizigen Plan. Wie sie in Form kommen wollen, ein Training nach Art der Zirkusleute. Josi geht unverzüglich zur Umsetzung über.
„Die Wand zu Wand-Variante passt eher nicht. Ich bau euch ein verschiebbares Reck.“ Der Schmied geht ins Detail. Zwei Trägerstangen, eine verstellbare Querverbindung sollen es sein.
„Da wär'n noch die Sockel, die müssen stabil sein.“ Die Turngeräte sollen ein Vielfaches von einem Sportler aushalten, ihr Gewicht und die Wucht des Schwungs. Nach einigen Vorschlägen entscheiden sie sich für tellerförmige Metallhalterungen, in die Mörtel gegossen werden soll.
Josi ist begierig, mehr davon zu hören. Sie erzählen von Ottos Dreschboden und den sonstigen Zutaten, die sie zum Turnen vorbereiten wollen. Für die Ringe brauchen sie Ketten und eine Winde, um die Höhe zu verstellen.
„Brr!“ Vor der Tür kommt der Wagen zum Stillstand. Der Geselle ist angekommen mit einer Lieferung Rohlinge, die er im Schuppen nebenan ablädt. Er spannt das sandfarbene Pferd mit der hellen Mähne aus und führt es in den Stall hinterm Haus. Es ist ein Haflinger, mit dichtem Fell, das sich über die Hufe legt. Selten in dieser Gegend.
„Da wär ich gern dabei!“ Josi schnippt mit den Fingern. Mit einem Fuß ist er schon in der Turnhalle. „Ich fertige euch das Reck umsonst.“
„Naja, wie kann man da nein sagen“, stimmt Otto ein. Ein fröhliches Lachen hebt an und erfüllt die Gesichter, die am Kaminfeuer beisammen stehen. Sie wissen, es geht eigentlich nicht ums Geld.
***
Toni sieht ein wenig älter aus, mit seinem noblen Schnurrbart, der an den Enden aufgedreht ist. Im Freien läuten Schneeglöckchen das wetteifernde Sprießen ein. Otto montiert mit einem Knecht die Winde am Querbalken und die Ketten. Die letzten Vorbereitungen, im Stadel am Annahof. Mit breiten Ledergürteln werden die Ringe angeschnallt. Josi rollt die neuen Sockel mit den Halterungen in Position und legt die Turnstange auf Brusthöhe. Zur hinteren Wand zu sind gefüllte Matten aufgelegt. Es ist ein später Nachmittag Anfang März, als sie beginnen. Toni streckt die Hände zur Decke, springt einen Salto vorwärts. Kommt zwischen den Strohmatten auf die Füße. Dreht einen Halbkreis im Stand. Salto rückwärts. Fast ein Flic Flac. Er landet kurz. Dann fällt er rücklings auf die flachen Säcke.
„Probe bestanden. Die könnten noch flacher sein.“ Sie legen Bretter auf und waten eine Weile darauf herum, bis die Füllung aufgehört hat, zu knistern.
Josi stemmt sich auf dem Reck in den Stand. Holt mit den gestreckten Füßen nach hinten aus. Dann zieht er sie, in der Beuge nahe an der Stange, nach vorne zum Umschwung über das Reck.
„Ich kann‘s noch. Meine Herren, das hätt ich nicht dacht.“
Otto reibt sich die Hände. „Alsdann.“ Auf beiden Armen schwingt er sich, an den Ringen, vor und zurück. Dann probiert er, sich mit den Füßen einzuhängen. Biegsam im Rücken, dreht er einen Purzelbaum nach dem anderen in der Luft. Sie stehen noch an Anfang. Etwas linkisch, hie und da eingerostet, in Gelenken und Muskeln. Doch sind sie sich sicher, dass daraus mehr werden könnte. So erkunden sie die Geräte, mit bekannten und erfundenen Übungen, bis die Dunkelheit hereinbricht.
In der rechten, hinteren Ecke der zu ihrer Turnhalle umfunktionierten Tenne, führt eine Leiter auf einen kurzen Heuboden. Sie haben große Becher mit Henkeln aufgetrieben. Josi und Toni schenken sich einen roten G'spritzten ein. Inzwischen hat sich Otto ein Bier aus dem Haupthaus geholt. Auf Strohballen sitzend, lassen sie sich ihre Schmalzbrote schmecken. Müde und geschafft, doch wie neu geboren. Jovial verabreden sie sich für die kommenden Dienstag-, Donnerstag- und Samstagnachmittage.
„Auf ein Neues.“
***
„Ihr seid im Gerede.“ Der Nachtwächter macht seine Laterne aus, in der Früh. „Bei uns am Dorf kannst du nichts geheim halten.“
Täglich, an Josi Gepperts Schmiede, endet seine nächtliche Tour. Da können sie noch eine Weile miteinander reden. Und wer wäre besser geeignet, um Klatsch auszutauschen, als sie beide. Er schiebt Josi ein Heftchen zu, das dieser unter seinem Lederschurz verschwinden lässt. Die neugierigen Nachbarn würden rätseln, was sie mit der Turnerei bezwecken, sagt er. Bei seinen Runden kann er allerhand aufschnappen.
„Besonders der Nekham-Wirt und der Lehrer Tauber haben so richtig die Lauscher aufgespannt.“ Das ist Wasser auf Josis Mühlen.
„Gut so. Dann kommen Neue dazu.“
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