In den 1980-er Jahren setzte eine Bewegung ein, die Hafengebiete umzuformen. Man habe ähnlich wie in Oslo einen visuellen und physischen Kontakt zwischen Hafen und Stadt schaffen wollen. Die Umstellung von Handel und Seefahrt auf Containerschiffe zwang die Stadt schon vor Jahren zu einem Containerhafen. Hinzu kam, dass man Platz für große Containerschiffe brauchte; der alte Hafen konnte dies aufgrund seiner geringen Größe nicht mehr leisten. Die zentrale Idee der Umgestaltung von Stadt und Hafen stellt Willacy verständlich dar. „Der Hafen wird hoffentlich das neue Gesicht der Stadt sein“, sagt er. „Wir versuchen, einen monofunktionalen Stadtteil zu vermeiden. Tausende von Studierenden werden hier das Gebiet beleben“, sagt Willacy. „Gut einen Kilometer davon entfernt befindet sich zudem der Campus 'Universitet parken' mit gut 4.000 Studierenden. Er ist einer der schönsten weltweit.“ Die 55.000 Studenten geben schon durch ihre Anzahl der nur 310.000 Einwohner zählenden Stadt ihr besonderes Flair. Daher ist die Universität wichtig bei den Planungen. „Fast ein Drittel der Bewohner ist jünger als 25 Jahre.“ Eine Herausforderung, denn zum einen muss man ihnen Wohnraum bieten, zum anderen auch zusehen, dass viele auch nach Abschluss ihres Studiums der Stadt erhalten bleiben. Dafür wandelt man zurzeit alte Gebäude wie Schlachthöfe, Werkstätten und Fabrikgebäude um, weil man hier „kreative Enklaven“ für spätere junge Unternehmer schaffen möchte. Zum Teil sei dies schon geschehen. Alte Ökonomie werde mit neuer gemischt, was herausfordere, damit nicht ein ökonomisches Problem wie zum Beispiel in Brooklyn entstehe. „Wenn jeder dorthin will, steigen die Mieten. Dann sind junge Unternehmer gezwungen, auszuweichen.“
Das gelte es zu vermeiden, denn die Zukunft für Aarhus liege darin, junge kreative Unternehmen zu fördern. „Der Hafen ist ein Schmelztiegel für neue Aktivitäten. Es ist aufregend, dort eine Gemeinschaft aus unterschiedlichen Unternehmen zu schaffen: Musiker, Ökologen, Designer, Architekten, Ingenieure und Ökonomen, die dort zusammen wohnen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen.“ Im Stadtteil Aarhus Ø will die Stadt also modernes Wohnen, Bildung, Arbeit und Naherholung miteinander in Einklang bringen. Das innovative Element, das Dänemark schon seit Jahrzehnten prägt, soll erhalten und verstärkt werden.
Für einen gemütlichen Abend bietet sich der Lystbadehavn an, da dort das gute Restaurant „Frøken Koch“ liegt. Von der Terrasse aus kann man den Sportboothafen anschauen, in dem auch alte Holzboote liegen. Dass sie heute noch benutzt werden, ist nicht selbstverständlich. Doch dann bringt der Kellner köstlichen Dorsch, nach dänischer Art gebraten, mit Kartoffeln gereicht.
In der Nähe erhebt sich ein Leuchtturm auf einer Mole. Angler werfen hier ihre Köder aus. Am Horizont zeichnen sich Silhouetten von Containerschiffen und Ladekränen ab. Neu ist eine Strandbar am Havne Bassin, ebenso ein Volleyballfeld, auf dem fröhliche junge Leute spielen. Jeder kann hier flanieren, spielen und angeln. Hier mischen sich die verschiedensten Interessen. Doch der Clou ist ein aus sicher über 100 Pflanzkübeln errichteter Garten. Zwei davon gehören Maria. Sie schiebt ihr Rad in den urbanen Garten, füllt eine Gießkanne mit Wasser, um Karotten und Bohnen zu gießen. Sie hat ihr Multimedia-Studium beendet und gleich eine Stelle als Webdesignerin erhalten.
„Ich wohne in einem der neuen, sich im Hintergrund erhebenden, Blöcke“, erzählt Maria. „Vor kurzem fand ich im Briefkasten einen Zettel, auf dem ich gefragt wurde, ob ich daran interessiert wäre, hier Pflanzen zu ziehen.“ Sie habe sofort zugesagt. Zwar biete ihr die 27 Quadratmeter große Wohnung im Wohnblock, obwohl nur klein, alles Notwendige. „Sie ist aber dunkel. Und einen Balkon vermisse ich sehr.“ Zuvor habe sie in einem größeren Appartement gewohnt und ihren Balkon bepflanzt. Typisch dänisch ist, dass es keines Aufsehers bedarf. Nichts ist hier zerstört oder zugemüllt, obwohl täglich hunderte von Menschen vorbeikommen. Offenbar ist in Dänemark jeder sein eigener Gesetzgeber.
St. Clemens-Dom zu Aarhus
Store Torv
geöffnet: 1. Mai - 30. September:
Mo-Sa: 9.30 - 16.00 Uhr
Di: 10.30 - 16.00 Uhr
geöffnet: 1. Oktober - 30. April
Mo-Sa: 10.00 - 15.00 Uhr
www.aarhus-domkirke.dk
Frue Kirke
Vestergade 21
geöffnet: Mo-Fr, 10.00-16.00 Uhr
Sa: 10.00-14.00 Uhr
www.aarhusvorfrue.dk
Kletterfelsen
Carl Blochs Gade
Park Ridehuset, ARoS, Musikhuset
Thomas Jensens Allé
Frøken Koch
Kystpromenaden 5
8000 Aarhus C
E-Mail: kontakt@kocherier.dk
Tel: +45 87480123
www.brodrenekoch.dk/Frøken-Koch
Strandbar nahe „Isbjerget“
Havnebassin 7, pier 4
Tel: +45 28 11 97 07
8000 Aarhus C
Insel des Schmelztiegels
Stephen David Willacy ist Chefarchitekt der Stadt Aarhus. Die zweitgrößte Stadt Dänemarks wird im Jahre 2017 in den Rang einer europäischen Kulturhauptstadt erhoben. Im alten Industriehafen entsteht zurzeit der neue Stadtteil Aarhus Ø. Willacy verbindet dort modernes Wohnen mit Arbeiten, Freizeit und Studieren.
Kristen Benning: Wenn die Touristen 2017 den ehemaligen Industriehafen von Aarhus betreten, sehen sie ein Stadtviertel mit völlig neuem Gesicht. Warum haben Sie den alten Hafen umgestaltet?
Stephen David Willacy: Aarhus ist eine Hafenstadt an einer schönen Bucht. Viele Jahre war sie auf Hafen und Bucht ausgerichtet. Aber es gab keine Verbindung mit der Altstadt. Die Hafenindustrie hatte viele Warenhäuser, Werkstätten und Getreidesilos entlang der Hafenkante errichtet, da Aarhus schon seit langem eine Stadt des Im- und Exports ist. Diese Gebäude verstellten den Blick von der Altstadt auf die Bucht und den Hafen.
In den 1980er Jahren begann man, Hafenstädte umzugestalten. In der Stadt diskutierte man darüber, ob es nicht angebracht sei, die Gebäude an der Hafenkante abzureißen. Dies ergäbe einen visuellen und physischen Kontakt zum Wasser. Nach vielen Diskussionen besprachen sie die Idee, einen internationalen Wettbewerb auszuschreiben. Darin ging um die Gestaltung des Hafens vom Norden bis zum Süden. Als die modernen Mega-Containerschiffe tieferes Wasser zum Einlaufen benötigten, wurde ein neuer Containerhafen weiter draußen in der Bucht gebaut. Dadurch eröffneten sich im alten Hafen neue Gestaltungsmöglichkeiten. Dieser Plan wurde Basis dessen, was wir heute hier vorfinden. Wir wollten das ganze Gebiet öffnen und wieder an die Stadt anschließen.
KB: Der einbetonierte Fluss Aarhus Å wurde geöffnet.
SDW: Sowohl der Hafen als auch das Stadtgebiet standen in Kontakt zur Aarhus Å. Der Fluss war aus gesundheitlichen Gründen bis vor einigen Jahren unterirdisch geführt worden. So wurde er mehr oder weniger eine Hauptstraße, die das Hinterland mit dem Hafen verband. Jetzt ist alles verändert: Es ist wirklich ein Erlebnis, am Flussufer durch die Stadt zu gehen. Der Fluss bietet heute Unterhaltung, Erholung und kulinarischen Genuss.
KB: Der heutige Hafen sieht völlig verändert aus, verglichen mit dem alten.
SDW: Was werde ich mit dieser Industrie-Archäologie tun? Ich nenne es Industrie-Archäologie, weil wir nicht nur eine romantische Sicht haben dürfen. Aber ich denke, es ist bedeutend herauszufinden, welche Identität ein Gebiet hat. Ich nenne zum Beispiel den Containerhafen: Dort gab es Kräne und Eisenbahnschienen. Wir versuchen, einiges aus dieser Zeit zu erhalten. Wir müssen aufpassen, nicht zu viel zu verändern. Wir wollen Alt und Neu mischen als Koexistenz. Alt und Neu formen sich gegenseitig. So schaffen wir eine neue Identität, indem wir das Alte abbauen und einen neuen Platz für Menschen aufbauen.
KB: Welche Plätze wollen Sie aufbauen?
SDW: Im südlichen Hafengebiet gibt es vor allem alte Schlachthäuser und Werkstätten. Dort wollen wir andere Gruppen von Menschen ansprechen. Wir sind uns sehr der Tatsache bewusst, Universitätsstadt zu sein und möchten die Studenten ermutigen, nach dem Studium hierzubleiben. Und wir sind uns auch der Tatsache bewusst, dass Studenten weggehen, sobald sie ihre Ausbildung beendet haben. Wir wollen eine Art Startup-Stadt formen. Heute sind dort Jungunternehmer mit Kunststudios, Design- und Architekturbüros, angezogen von niedrigen Mieten in alten Industriegebäuden, Seite an Seite mit den immer noch betriebenen Schlachthäusern. Dies könnte einen phantastischen Schmelzpunkt für auch abends und am Wochenende stattfindende Aktivitäten erzeugen.
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