«Wenn ihr mir noch einen Gefallen tun wollt. Irgendwo auf dem Fußboden müssen auch die Papiere von meiner Lebensversicherung liegen. Die wird nämlich in zwei Wochen fällig, und davon wollen Anton und ich eine schöne lange Reise machen.»
Dann wollen wir mal das Beste hoffen, dachte Edel. «Und wohin soll die Reise gehen?»
«In den Schwarzwald. Davon träume ich schon seit zwanzig Jahren. Zum Fallerhof, wisst ihr, aus der Fernsehserie. Möchte doch mal sehen, ob’s den wirklich gibt. Oder ob das auch wieder nur son Schwindel is. Aber schön wär’s schon, auch ohne die Fallers. » Oma Schmitz lächelte.
«Oma Schmitz, jetzt haben wir jedes Papier in der Hand gehabt, es von hinten und vorne untersucht, aber Lebensversicherung?, Fehlanzeige.» Edel schüttelte bedauernd den Kopf.
«Niente, auf der ganzen Linie», ergänzte Finn.
«Wieso nie Ente oder stimmt wieder was mit diesem Ding hier nicht?» Unwillig griff sie sich ans Ohr.
«Nein, nein, ist schon in Ordnung. Nichts , absolut nichts , wollte ich sagen.»
«Dann is ja gut», sagte Oma Schmitz, «beziehungsweise, gar nicht gut. Der wird doch nicht» – Fälschen ging ihr durch den Kopf – «und wenn, warum? Dieser», sie holte tief Luft, - Looser wäre jetzt schön, dachte Finn – «dieser L… Lump.»
«Oder so. Aber warum klaut der Versicherungspapiere?», überlegte Finn laut.
Gleichzeitig erschien Klotz am Fenster, winkte Edel zu sich, und Edel konnte an Klotzens Gesicht, zu dem ihr nur Super oberammergau einfiel (ihre Tante kam aus der Gegend), unschwer ablesen, welche Nachricht auf sie wartete. «Du meinst Gift?», flüsterte Edel.
«Vielleicht, weiß nich», hauchte Klotz zurück.
Scheiße, dachte Edel. Und Oma Schmitz? Die ist doch sowieso schon fix und alle. Jetzt Tante Trudel, die ist einsame Spitze in so was. Expertin für Leichen und das ganze Drum und Dran: Beileid aussprechen, trösten und all so was. Da macht der keiner was vor. Nicht mal Papa.
Edel sah Finn an. Der zuckte mit den Schultern, schüttelte so heftig und unübersehbar seinen Kopf, als ob er jedem unmissverständlich klar machen wollte, dass er mit der anstehenden Nachrichtenübermittlung nichts zu tun haben wollte. Edel flüsterte: «Ist ja gut», und sagte, dass es wohl am besten sei, wenn Finn und sie sich jetzt erstmal an der Suche nach Anton beteiligen würden. «Oder, Oma Schmitz?»
Deren spontane Zustimmung hatte sie einkalkuliert. Dann können wir in Ruhe überlegen, wie’s weitergehen soll, dachte sie.
«Aber ihr kommt in jedem Fall noch vorbei, heute, ob mit oder ohne Anton», rief ihnen Oma Schmitz nach. Hoffentlich mit , dachte sie und suchte nach einem Taschentuch. Ob der Finn was am Kopf hat, dass der so wackelt?, dachte sie, während sie sich die Nase schnäuzte.
«Auf jeden Fall», rief Finn.
«Dann is ja gut», murmelte Oma Schmitz.
Und wenn der’s nun noch mal versucht, weil er das nicht gefunden hat, was er sucht. Vielleicht mit Anton unterm Arm und ’ner Pistole in der Hand?, dachte sie. Dass er mich erpressen will. Geld her oder Hund tot . Dass ich mich geirrt habe, und es war doch nicht mein Neffe? Und ich ganz allein in der Wohnung, und die drei kommen erst wieder, wenn alles vorbei ist?
So ängstlich heute, meine Liebe? War doch sonst nicht deine Art, wenn ich mich recht erinnere. ‚Nur ruhig Blut’, deine Worte übrigens, erinnerst du dich?
«Richtig, ruhig Blut . Haste dir aber gut gemerkt», antwortete sie der Stimme.
Mein Gott, sie fasste sich an die Stirn, jetzt hör ich auch schon Stimmen und antworte auch noch drauf. Und wenn mich nicht alles täuscht, auch noch von meinem Verflossenen. Als ob er sich in meinem Hörteil eingenistet hätte. Hoffentlich kommen die Drei bald wieder, und der Spuk hat ein Ende.
So, und wie soll’s nun weitergehen?, stand auf den drei Gesichtern geschrieben, während sie auf das Tier sahen, das höchstwahrscheinlich Anton war.
Hoffentlich nich, dachte Finn. Ob Papa jetzt beten empfehlen würde, wie er das immer macht, wenn er nicht weiter weiß?
«Ich sag’s ihr nicht, auf keinen Fall, das bringe ich nicht.»
Klotz fuhr mit seinem rechten Arm so heftig durch die Luft, als ob er jeden Widerspruch schon im Voraus abwehren wollte. «Mir wird schon übel, wenn ich den da nur liegen sehe.»
Finn legte, so gut es ging, seine Stirn in Falten. «Aber genau, mit Schaum vor dem Mund und Augen …, zum Fürchten!» Nicht, dass die Trauerbotschaft an mir hängen bleibt, bloß das nicht, dachte er. Dann doch lieber beten oder die ganz radikale Lösung …, obwohl einbuddeln ...? Alles irgendwie Scheiße. Die Augen, echt zum Fürchten. Dann hörte er sich « verschone mich oh Herr» murmeln.
Was ist denn mit dem?, dachte Edel, jetzt fehlt nur noch, dass er mich fragt, ob ich …
«Hör mal, Edel», fuhr Finn fort, «du kennst Oma Schmitz doch am besten. Und mal angenommen, das ist ihr Hund. Könntest du nicht …?»
Hab ich’s doch geahnt, dachte Edel.
«Ich bin für Streichhölzer», sagte sie. «Machen wir doch sonst auch, wenn wir uns nicht einigen …»
«Edel», fuhr Klotz dazwischen, der das Verhängnis schon auf sich zukommen sah, «du hast ja recht. Aber wer spricht denn hier von nicht einigen . Speziell in diesem Fall… Ich meine, mal ganz sachlich, wie soll ich sagen, keiner kann so was so gut wie du, ehrlich. Das ist nun mal Fakt.»
«Genau», bekräftigte Finn, «da hat er recht. Das ist nun mal so. Du hast eindeutig das richtige …», er überlegte, «das absolut richtige Feeling für so was, verstehste?»
«Ich versteh nur, dass ihr Schiss habt. Aber was soll’s, einer muss es ja machen.» Wenn’s wirklich ernst wird, müssen eben wir Mädchen ran, wie immer, dachte sie und grinste.
Man, ist die cool, dachte Finn.
« Jeder für fast jeden », rief Klotz und machte zur Sicherheit auch noch das Victory-Zeichen , mit dem sie wichtige Abschlüsse besiegelten.
« Jeder für fast jeden », rief auch Finn, wenn auch nicht ganz so laut wie Klotz, und auch er machte das Finger-Vau. Ehe sie es sich noch anders überlegt, dachte er.
«Ja, ja, und ich für euch . Ist ja nicht das erste Mal.»
«Voll …», begann Klotz.
«Sag jetzt nicht krass Klotz. Ich kann’s nicht mehr hören, definitiv.»
Bei definitiv wird’s ernst, dachte Klotz und sagte mit Hochachtung in der Stimme und mit steinerweichendem Lächeln: «Voll …» – der wird doch nicht, dachte Finn – «voll cool, Edel. Das nächste Mal sind wir wieder dran. Kannste auf deine Festplatte …, du weißt schon. Also, du gehst jetzt zu Oma …»
«Das nächste Mal wäre dann jetzt», warf Edel, wie nebenbei , in den Raum, so, wie man einen Ball mit nun fangt mal schön, in die Luft wirft.
«Was soll das denn?» Finn sah man an, dass er Unheil witterte. Das ging auch alles viel zu glatt, dachte er. Sonst lässt die einen doch viel länger zappeln.
Auch Klotz spürte eine gewisse Unruhe. Sollten die Dinge sich etwa doch noch unangenehm entwickeln? Bei Edel weiß man nie, dachte er.
«Also, ich geh zur Oma.»
Bingo! Klotz sah man an, was er dachte: doppelbingo!
Gott sei Dank, Entwarnung, dachte Finn und schämte sich fast, dass er Edel irgendwelche hinterhältigen Tricks zugetraut hatte. Ausgerechnet Edel mit ihren …, ihren, und da fielen ihm nur ihre blauen Augen ein, die ja nun mit der Sache überhaupt nichts zu tun haben, wunderte er sich.
«Ich überbringe also die Message, abgemacht ist abgemacht», - so ist sie, meine, er schluckte, unsere, unsere Edel natürlich, ging es Finn durch den Kopf – «und ihr bringt den Hund in einen ansehnlichen Zustand», fuhr sie fort.
Читать дальше