Magda Trott
Goldköpfchen als Mutter
Inhaltsverzeichnis
1. In froher Erwartung
2. Goldköpfchens Pol
3. Feitakin
4. Elternfreuden aller Art
5. Ein unbedachtes Wort und seine Folgen
6. Selige, goldene Backfischzeit
7. Vom Freudenspenden
8. Bärbel will Glück stiften
9. Gute Saat
Impressum
Barbara Wendelin lag im Schaukelstuhl, hatte die Hände lässig im Schoß verschlungen und ließ die großen blauen Augen im Zimmer umherschweifen. Sie blieben auf einem Bilde haften, das über dem zierlichen Damenschreibtische hing.
»Mein Harald, mein Häschen, – mein Ehemann! Oh, mein Ehemann! Zehn Monate verheiratet. Schulmädel, – Backfisch, – junge Dame, – dann Lehrling im Atelier Brausewetter, – dann ausgebildete Photographin, Braut, Ehefrau und – und –«
Ein feines Rot huschte über ihr liebliches Gesicht. Die Augen leuchteten verklärt auf. Dann sprang Bärbel hastig auf, ging an ein kleines Tischchen, auf dem mehrere Bücher lagen, griff nach einem und setzte sich wieder in den Schaukelstuhl.
»Komisch ist das im menschlichen Dasein, – immer muß man lernen. In der Schule, während der Ausbildung, als Braut, und nun muß man wieder allerlei neue Weisheiten in sich hineinpfropfen, damit man nichts verkehrt macht, wenn es – endlich so weit ist! Oh, was habe ich schon alles herumstudiert, bin schon ganz dumm geworden.«
Sie hatte kaum einige Seiten in dem Buche gelesen, als das Hausmädchen eintrat und der jungen Hausfrau meldete, daß draußen Frau Rindermark sei, die gern ein Stündchen mit Bärbel verplaudert hätte.
»Au fein!« stieß Bärbel hervor, dann besann sie sich wieder auf ihre Hausfrauenwürde und sagte ruhig: »Bitte, führen Sie Frau Rindermark herein!«
Wieder gingen Barbaras Gedanken in die Vergangenheit zurück. Mit Edith Scheffel war sie in Dresden zur Schule gegangen. Edith war ihr stets eine liebe Freundin gewesen. Auch später, als sich Bärbel zur Photographin ausbildete, war sie mit Edith hin und wieder zusammengekommen, und fast zur gleichen Zeit hatten sich die beiden Freundinnen verlobt. Bärbel erinnerte sich noch genau, daß man über den Namen des jungen Prokuristen herzlich gelacht hatte. Wieviel Scherze waren an jenem Silvesterabend, an dem Bärbel den Ring erhielt, hin und her geflogen, und die gute Großmama, bei der Bärbel während ihrer Ausbildungszeit in Dresden gewohnt hatte, mußte häufig beschwichtigend eingreifen, damit die Späße von seiten der Zwillingsbrüder Bärbels nicht zu sehr ausarteten.
Die Zwillingsbrüder! Bärbel schmunzelte. Wieviel Erinnerungen hatte sie an die um vier Jahre jüngeren Brüder Martin und Kuno. Wie oft war sie, die Heranwachsende, von den übermütigen Knaben geärgert worden, wie manche Schlägerei hatte zwischen den Geschwistern stattgefunden, und doch hing man mit inniger Liebe aneinander, und für alle war es ein Freudenfest, wenn sich eine Gelegenheit bot, wieder zusammen zu sein. Seit Bärbel verheiratet war, fühlte sie sich berechtigt, den Herren Primanern ernstliche Vorhaltungen über Ordnung und Fleiß zu machen; aber da gab es doch wieder harte Zusammenstöße, die meistens dann Harald, ihr Gatte, schlichten mußte.
Ja, ihr Harald! Was hatte sie für ein Glück! Solch einen Mann gab es nur einmal auf der Erde. Als Oberingenieur hatte er eine hochgeachtete Stellung, überall war er beliebt, man schätzte seine Tüchtigkeit, sein großes Können, sein reiches Wissen. Bärbel wunderte sich bis auf den heutigen Tag, daß dieser Mann, von dem alle begeistert sprachen, das übermütige, vorlaute Bärbel Wagner erwählt hatte, dem auch heute noch der Mund oft durchging und manchen Schnitzer machte.
Die Tür des Zimmers wurde stürmisch aufgerissen, eine junge, sehr elegant gekleidete Dame eilte auf Bärbel zu.
»Guten Tag, Bärbel, ich muß wieder einmal zu dir kommen. Ach, es ist schrecklich! Dir geht es wohl wieder sehr gut?«
»Guten Tag, liebe Edith, – warum sollte es mir schlecht gehen?«
»Ja ja. – du hast es eben herrlich getroffen. – Ach, was hat man doch den ganzen Tag über für Ärger! – Ich darf doch ein wenig bei dir bleiben?«
»Aber natürlich, liebe Edith, das darfst du immer. Bitte, setze dich in den Schaukelstuhl, dann plaudern wir gemütlich zusammen.«
»Ich muß mir wieder einmal etwas Lebensmut bei dir holen, Bärbel. Mitunter bin ich furchtbar verzagt. Es ist eigentlich töricht, wenn man sich so zeitig verheiratet. Mein Mann ist den ganzen Tag über im Geschäft; kommt er abends heim, hat er keine Lust auszugehen, er schützt Müdigkeit vor, hat keine Interessen für das, was ich ihm sage, – ich hätte Just lieber nicht heiraten sollen.«
Barbara flocht aus den Fransen der Tischdecke ein paar Zöpfe.
»Hm,« sagte sie langsam, »wenn er abends doch so müde ist!«
»Er wird sich im Geschäft gewiß nicht überarbeiten. – Aber natürlich, dein Harald ist ja ganz anders. Außerdem ist er schon um fünf Uhr frei, mein Mann hat bis sieben Uhr zu tun. – Du bist wohl sehr glücklich. Bärbel?«
»Das ist solch ein abgedroschenes Wort, Edith. Mir ist zu jeder Stunde so, als müßte ich die ganze Welt umarmen. Und jetzt, – na, du weißt ja, – nun bin ich so voller Erwartung; ich denke es mir wunderschön, solch ein kleines Würmchen zu haben, das ich betreuen darf. Nur macht das gar viele Sorgen. Ich habe schon sieben Bücher durchgelesen, ich will doch nichts verderben. Man muß vom ersten Tage schon mit der Erziehung anfangen, und von Erziehen habe ich immer recht wenig verstanden. Mit dem Säuglingskursus bin ich fertig. Oh, es hat Spaß gemacht!«
Edith ließ ein spöttisches Auflachen hören.
»Du bist noch immer die alte, Bärbel, – du stürzest dich auf jedes Ding. Ich weiß noch genau, wie du während deiner Ausbildung büffeltest. In der Schule warst du doch gar nicht so fleißig. Dein Kleines bekommt eben eine Erzieherin. – Ihr könnt euch das ja leisten, dann hast du doch nichts mit solchen Sachen zu tun. Mache dich nur nicht zum Sklaven deines Kindes.«
»Seine Mutter will ich sein, aber nicht seine Sklavin, Edith!« sagte Bärbel mit Betonung.
»Das viele Bücherlesen nützt dir auch nichts, gehe lieber hinaus ins Freie, das ist gesünder.«
Barbara schüttelte den Kopf. »Du weißt vielleicht mehr als ich von Kindererziehung, wie man solch junges, zartes Pflänzlein hüten soll. Ich muß erst noch tüchtig lernen. Aber halt 'mal, Edith, – du bist doch immer sehr gescheit gewesen; weißt du nicht ein paar recht hübsche Namen?«
»Männlich oder weiblich?«
Bärbel lachte herzlich. »Wenn ich das wüßte! – Wir müssen eben für beide Geschlechter etwas sehr Schönes ausdenken. Du kannst mir sicher dabei helfen.«
»Willst du etwas Modernes, Klassisches, Altdeutsches?«
»Ach, das weiß ich nicht. Ich will etwas, was sehr schön klingt. Harald sagte mir, ich solle ganz nach eigenem Ermessen handeln, ihm wäre alles recht.«
»Ingeborg, – Heloise, – Gitta, – Dagmar, – Elfrun, – Roderich, – Armin. –«
»Armin – Armin Rabes. – Edith, erinnerst du dich noch an unsere Schwärmerei? An den Schauspieler, der uns in der Konditorei sitzenließ?«
»Wir wollen uns einen Kalender holen.«
»Ach, laß nur, den Kalender habe ich vom 1. Januar bis zum 31. Dezember schon durchstudiert. Da gefällt mir gar nichts. Ich möchte etwas ganz Besonderes haben. Ich habe sogar schon einen Namen komponiert.«
»Da bin ich aber neugierig.«
»Für Doppelnamen bin ich nicht, Edith, ich wollte den Namen von Vati und Mutti in einen verarbeiten. Erich und Erna. Wie gefällt dir Ernerich oder, falls es ein Mädchen ist – Erina?«
»Das ist doch Unsinn. Bärbel!«
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