T. R. Schiemann - Am Ende fügt sich alles

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Südspanien, 2009: Federico Henschel ist 50 und lebt mit Freundin Adriana zusammen. Er beginnt mit dem Aufschreiben von Episoden aus seinem bisherigen Leben. Zunächst in ungeordneten, scheinbar zusammenhanglosen Szenen setzt er seine eigene Geschichte Stück für Stück zusammen: Kindheit und Jugend, die Eltern, Ein- und Auswandererleben zwischen Mexiko und Deutschland, schließlich – immer wieder präsent, doch er schreckt lange vor der Konfrontation mit dieser einen, alles prägenden Erfahrung zurück – seine große Liebe zu Claudia und ihr Tod vor vielen Jahren.
Die ersten Episoden handeln von Federicos Familie, seinem Schulfreund Walter und seinem aktuellen Leben in Spanien. 1983 lernt er Claudia kennen, die ihm bald eine Geschichte über die vermeintliche gemeinsame Nazi-Vergangenheit ihrer beider Väter auftischt. Ihre Recherchen hierzu schweißen die beiden zusammen, sie berauschen sich am Gefühl, allein gegen alle zu stehen, brechen schließlich sogar mit ihren Familien und fangen ein neues Leben an.
Durch die Reise in die Vergangenheit findet Federico heraus, dass seine stürmische, geheimnisbefrachtete und rebellische Liebe zu Claudia auf einem Missverständnis beruhte. Wird dadurch auch sein folgendes Leben zur Lüge oder zur Farce? Hätte er etwas ändern können, wenn er nicht alles hätte mit sich geschehen lassen? Vermutungen und Annahmen, auf denen für sein Leben wichtige Entscheidungen basieren, stellen sich im Nachhinein als falsch heraus.
Nach sechs glücklichen Jahren, in denen Claudia allgegenwärtig ihrer beider Dasein füllt, endet es plötzlich mit ihrem Tod. Danach steht für Federico alles still. Wieder lässt er von anderen bestimmen, wo es mit ihm hingeht, und lässt sich von seinem Freund Rodrigo überreden, an einem Waffenschmuggel von den USA nach Mexiko teilzunehmen.

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T. R. Schiemann

Am Ende fügt sich alles

Roman

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Inhaltsverzeichnis Titel T R Schiemann Am Ende fügt sich alles Roman Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel T. R. Schiemann Am Ende fügt sich alles Roman Dieses ebook wurde erstellt bei

Kapitel 1: Südspanien, 2009

Kapitel 2: Rovaniemi, Finnland, 1976

Kapitel 3: Südspanien, 2009

Kapitel 4: Mexico City, 1972

Kapitel 5: Südspanien, 2009

Kapitel 6: Hamburg, 1983

Kapitel 7: Südspanien, 2009

Kapitel 8: Nordmexiko, 23. Juli 1994

Kapitel 9: Südspanien, 2009

Kapitel 10: Texas und Mexiko, 1988

Kapitel 11: Südspanien, 2009

Kapitel 12: Claudia, 1983

Kapitel 13: Südspanien, 2009

Kapitel 14: Hamburg, 1983

Kapitel 15: Südspanien, 2009

Kapitel 16: Hamburg, 1983

Kapitel 17: Südspanien, 2009

Kapitel 18: Hamburg, 1983

Kapitel 19: Südspanien, 2009

Kapitel 20: Hamburg, 1983

Kapitel 21: Padre Island, Texas, 1987

Kapitel 22: Südspanien, 2009

Kapitel 23: Sobbs

Kapitel 24: Südspanien, 2010

Kapitel 25: Hamburg, 1984

Kapitel 26: Südspanien, 2010

Kapitel 27: Nordmexiko, 21. Februar 2003

Kapitel 28: Hamburg, 1984

Kapitel 29: Arizona, 1987

Kapitel 30: Südspanien, 19. März 2010

Kapitel 31: Hamburg, 1984

Kapitel 32: Mexiko, Nordosten, ab 1989

Kapitel 33: Südspanien, 2010

Kapitel 34: Hamburg, 17. September 1984

Kapitel 35: Südspanien, 2010

Kapitel 36: Mexico City, Frühjahr 1985

Kapitel 37: Südspanien, 2010

Kapitel 38: Hamburg, 25. Juli 1994

Kapitel 39: Mexico City, Sommer 1985

Kapitel 40: Mexiko, Nordosten, 18. Januar 2004

Kapitel 41: Südspanien, 2010

Kapitel 42: Diego

Kapitel 43: McAllen, 28. Mai 1988

Kapitel 44: Südspanien, Herbst 2010

Kapitel 45: Hamburg, Winter 2010

Kapitel 46: Südspanien, Sommer 2011

Kapitel 47: 16. Juli 2011

Impressum neobooks

Kapitel 1: Südspanien, 2009

Mein Onkel Erik kam auf seltsame Weise ums Leben. Er rutschte in der Dusche aus, als niemand zu Hause war. Im Fallen riss er wohl noch den Hebel der Mischbatterie herum, sodass stundenlang kochend heißes Wasser auf seinen nackten Körper platschte. Meine Familie reagierte entsetzt, denn eigentlich war Erik immer ein Glückspilz gewesen, es passte nicht zu ihm, so schrecklich und unter fürchterlichen Qualen zu sterben. Als meine Tante Bertha ihn fand, lag er knallrot und durchgekocht wie eine Garnele in der Duschwanne. Wir mochten uns gar nicht vorstellen, wie lange es gedauert haben musste, bis er endlich tot war.

Erst im Nachhinein fand man heraus, dass ihn wahrscheinlich sofort ein Herzinfarkt dahingerafft und er bestimmt nicht gelitten hatte.

Meine Mutter sprach bei seinem Begräbnis erleichtert aus, was alle dachten:

Das Glück hatte Onkel Erik bis zum Schluss nicht verlassen.

Natürlich war es meinem Onkel im Lauf seines Lebens alles andere als gut gegangen. Beruflich hatte er nie Erfolg gehabt und auch später, als er sich selbständig machte, verliefen seine Geschäftsideen meist im Sand, und doch hielt sich hartnäckig das Gerücht, der Mann sei ein Lebenskünstler, ein Bonvivant. Sein ständiges Betteln um Geld wurde ihm als Pfiffigkeit ausgelegt, seine besoffenen Eskapaden lieferten den Stoff für lustige Anekdoten.

Dies ist vielleicht die auffälligste Eigenschaft meiner Familie: die Fähigkeit, die Realität stets so zu verbiegen, dass man einfach durch sie hindurch gleiten kann.

Mein Onkel hatte als er selbst keine Chance.

Jetzt, da ich beschlossen habe, mir ein paar Notizen zu machen, vielleicht auch ein wenig ausführlicher über einige Ereignisse aus meinem Leben zu berichten, frage ich mich, ob auch auf mir dieser Fluch der Selbsttäuschung und Verzerrung lastet. Ob ich vielleicht deswegen nie wirklich irgendwo angekommen bin.

Bin ich es jetzt? Ich will es vermuten. Tatsache ist nur, dass mein Weg mich hierher geführt hat, dass ich in diesem Zimmer an diesem Tisch sitze und die heiße Luft spüre, die durch die Balkontür herein weht.

Unten auf der Straße knattert ab und zu ein Moped vorbei, ansonsten ist es still. Es riecht nach Sonne, nach glühendem Asphalt und Meer. Ich schaue auf das Gebäude gegenüber, auf die grelle, weiße Wand, und dann wieder auf den Bildschirm meines Computers. Meine Freunde haben mich immer wieder gedrängt, doch einmal aufzuschreiben, was ich ihnen manchmal bierselig erzähle. Aber das ist letztendlich egal und auch nur ein kleiner Anstoß. Vielmehr möchte ich mir über die Vergangenheit noch einmal Gedanken machen können. Besser gesagt, ich glaube, ich möchte sie noch einmal erfühlen, zu mir holen. Dieses Bedürfnis drängt sich immer deutlicher auf. Es ist ein unterschwelliges unangenehmes Summen. Ich fing also an, Stichworte auf allerlei Zettel zu kritzeln. Und die liegen nun vor mir. Einige kann ich nicht mehr entziffern. Auf anderen wiederum stehen kryptische Sätze. Auf vielen jedoch fing ich mir wichtig Gewesenes wieder ein. Daran werde ich mich erst einmal halten. Es ist schon merkwürdig, was mir da alles eingefallen ist, was für Erinnerungsfetzen plötzlich auftauchten. Erinnerungen, die jetzt immer wiederkehren und die gleichsam an Bedeutung gewinnen. Wie die Sache mit Onkel Erik. Da war ich acht.

Ich will das alles erstmal nicht streng chronologisch ordnen, sondern eher grob in Richtung Gegenwart schreiben und sehen, was dabei entsteht.

Ich weiß nicht wo mich das hinführt. Es wird wohl das Beste sein, wenn ich mich herantaste, assoziativ vorgehe.

Heute aber werde ich warten, bis die Hitze nachlässt, später noch einmal in der „Botica“ etwas trinken, meine Freunde treffen, Zeit verbringen, bis Adriana von der Arbeit kommt.

Morgen geht es dann richtig los. Höchstwahrscheinlich.

Kapitel 2: Rovaniemi, Finnland, 1976

Also, es ist soweit, ich schreibe:

Hinter dem Hotel fing gleich der Wald an. Ein enger Pfad zwängte sich zwischen Erlen und Birken hindurch, und es war dann auch gleich dämmerig und kühler. Da es sich an diesem heißen Tag angenehm anfühlte, ging ich weiter. Hinein in flirrendes, grünliches Licht, in den Geruch nach feuchter Erde. Hörte meine Schritte im Unterholz. Atmete tief durch. Ziemlich bald stieß ich auf eine Lichtung. Mittendrin stand, in warmes Sonnenlicht getaucht, eine kleine, roh gezimmerte Holzkapelle. Beim Näherkommen fiel mir auf, dass der Bau unfertig wirkte, eher wie eine dreidimensionale Skizze. Statt einer Tür gab es nur ein rechteckiges Loch in der Vorderseite. Ich ging näher heran und vernahm ein unterschwelliges Grollen, gefolgt von leisem metallischen Klirren. Fast im gleichen Augenblick sah ich ein großes gelbes Etwas auf mich zu rasen. Ohne nachzudenken drehte ich mich um und floh. Erst im Schutz der Bäume schaute ich zurück. Ein Untier bäumte sich dort auf. Die mächtigen Hinterläufe in den Boden gestemmt. Ich dachte sofort: ein Bär, und mir wurde übel. Ich wollte gerade weiterlaufen, als ich erkannte, dass ich gar nicht mehr verfolgt wurde. Vorsichtig, halb verdeckt von einem Baumstamm, wagte ich einen erneuten Blick. Kein Bär. Es war ein furchteinflößender, kraftstrotzender Hund. Soweit ich es aus dieser Entfernung beurteilen konnte, hing er an einer langen Kette, die sich um seinen Hals zuzog. Er fiel nach hinten, zerrte, jaulte und versuchte, sich zu befreien, vermutlich, um mich zu töten. Er drehte sich rasend vor Mordlust im Kreis, und ich konnte im Gegenlicht den Sabber erkennen, der ihm aus den Lefzen flog. Die Zunge hing ihm wie ein nasser roter Lappen aus dem Maul. Sein rasselndes Keuchen klang zu mir herüber. Mein Atem hingegen ging jetzt etwas ruhiger; ich empfand sogar eine kleine, fast grausame Genugtuung, weil sich das Tier so ergebnislos abstrampelte. Irgendwie siegreich trat ich den Rückzug an.

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