Dass ich mich nicht getäuscht habe, sehe ich, als ich die Weinstube betrete. Meinen dezenten Hinweis, dass ich noch kein Abendessen hatte, hat er sehr wohl registriert und eine Vorspeisenplatte bestellt. Außerdem stehen ein frisches Weinglas sowie eine große Flasche Wasser bereit. Er will mich also nicht abfüllen. Bonuspunkte. Dass sein Profilbild entstanden sein muss, als er zehn Jahre jünger war, fällt da kaum ins Gewicht. Wer macht das nicht?
»Norbert?«
»Mayra?«
Wir sind beide entzückt. Setzen uns einander gegenüber, erzählen uns von unseren Jobs, reden über München und den Wein. Er trägt einen Ehering, aber er kennt die Regeln: Von seiner Frau und den süßen Kindern will ich ebenso wenig wissen wie er von meinen verflossenen Liebhabern. Ich habe kein schlechtes Gewissen – warum sollte ich auch? Oder vielleicht führt er ja eine offene Ehe? Wer weiß? Nicht meine Sache. Nach jedem Schluck aus seinem Glas landet seine Hand wie zufällig näher bei meiner, bis er sanft meine Finger streichelt.
»Ich habe heute wirklich zu lang am Schreibtisch gesessen, meine Schultern schmerzen wie die Hölle«, sage ich schließlich.
Er versteht den Wink mit dem Zaunpfahl sofort. »Ich würde dir ja gerne den Nacken massieren, aber hier sähe das wohl ein wenig komisch aus. Willst du mit auf mein Zimmer kommen?«
»Das wäre schön.«
Eine goldene Kreditkarte verschwindet dezent unter der Handserviette des Kellners und wenige Minuten später sind wir auf dem Weg zu seinem Hotel.
Im Aufzug küsst er mich behutsam auf den Mund. Seine Zunge tastet sich ganz vorsichtig vor. Ich schließe die Augen und gebe mich dieser sanften Zärtlichkeit hin. Fast bin ich enttäuscht, dass wir sein Stockwerk so schnell erreicht haben.
In seiner kleinen Suite angekommen will er sich tatsächlich erst um meinen schmerzenden Nacken kümmern. Ich setze mich auf einen Hocker, öffne die obersten Knöpfe meiner Bluse und lasse sie die Schultern hinabgleiten, da kommt er mit einer dieser kleinen Cremetuben an, die Hotels gerne in den Badezimmern platzieren. Er wärmt die Creme erst mit seinen Händen an, bevor er sie mir behutsam auf die Schultern streicht.
Wow, der Mann ist echt ein Treffer!
Seine Hände sind sanft und weich, wie es sich für einen Computerexperten gehört. Ich fange an zu schnurren, während sich meine Verspannungen langsam lösen, und höre auch nicht damit auf, als seine Hände hinunter zu meinen Brüsten wandern. Stattdessen greife ich hinter mich und öffne den Verschluss meines BHs. Norbert atmet schneller, lehnt sich an mich, und ich kann seine Erektion im Rücken spüren. Er liebkost meine Brüste, streicht zart über die Nippel und küsst mich dabei sanft auf den Hals.
Ich rutsche auf dem Hocker herum. Meine Erregung wächst. »Ich will dich auch anfassen«, seufze ich sehnsüchtig, und er zieht mich hoch in seine Arme. Meine Brüste reiben sich an seinem gestärkten Hemd, während meine Hände seinen Rücken erforschen. Unsere Lippen treffen wieder aufeinander, wir tauschen ungeschickte Küsse aus, als wir gleichzeitig versuchen, uns von den störenden Kleidungsstücken zu befreien. Dabei geraten wir ins Taumeln und plumpsen auf das Bett.
Ich lache ein wenig atemlos, während er mir tief in die Augen sieht.
»Willst du?« Ein echter Gentleman!
»Ja«, hauche ich. Das wird gut!
Noch ist hier und da ein Stück Stoff im Weg. Ohne große Umstände entledigen wir uns der restlichen Klamotten, werfen die Teile achtlos auf den Boden. Norbert trägt eine dünne Halskette mit einem goldenen Kompass daran um den Hals. Süß. Aber den braucht er gar nicht, um meine erogenen Zonen zielsicher zu finden. Er küsst mich wieder, auf den Hals, auf das Schlüsselbein, die Brüste. Mit den Fingerspitzen erkunde ich seinen Bauch, der ein ganz kleines bisschen rundlich ist. Meine Hand wandert nach unten und liebkost seine Eier, was ihm ein erregtes Stöhnen entlockt, während sein Mund sich ausgiebig mit meinen Nippeln beschäftigt. Dann taste ich nach seinem Schwanz. Wie seine Hände fühlt er sich weich, fast samtig an. Ich umschließe seinen Schaft, bewege die Hand langsam auf und ab. Er keucht. Seine Finger finden meine Pussy, streicheln darüber.
»Kondom«, krächze ich.
Worauf sollen wir warten? Wir sind beide bereit.
Er holt einen Gummi aus dem Nachttisch, streift ihn über. Eifrig spreize ich die Beine, und er legt sich auf mich. Ich dränge die Hüften gegen seine, ich spüre die Erektion schon an meiner empfindlichsten Stelle, dann gleitet er sanft in mich hinein.
Gut. Er ist gut. Ich wusste das. Er verwöhnt meine Brüste mit seinem Mund, während er langsam das Tempo steigert. Ein guter Liebhaber, erfahren und rücksichtsvoll.
Dennoch weiß ich in dem Moment, als er in mich eindringt, dass ich nicht kommen werde.
Wieder einmal.
Er wird langsamer, will mich mitnehmen. Natürlich will er das. Es ist nicht seine Schuld. Aber auch ich habe Erfahrung. Weil er ein lieber Kerl ist, tue ich ihm den Gefallen. Beschleunige meinen Atem. Stöhne unter seinen wieder schneller werdenden Bewegungen. »Oh ja, das ist gut!«
Ist es auch. Aber es wird mich nicht über die Klippe stoßen. Nicht heute. Ich klammere mich an seine Schultern, keuche und wimmere gespielt aufgeregt. Es wird nicht mehr lange dauern.
Als er kommt, schreie ich ebenfalls auf, nicht zu laut, um seine Zimmernachbarn nicht aufzuwecken, aber laut genug, damit er sich als ganzer Mann fühlen kann.
»Oh Mayra«, stöhnt er, fällt neben mir auf das Bett und entsorgt das Kondom. »Das war großartig!«
»Ja«, sage ich.
Wir liegen wie ein Ehepaar nebeneinander, und die Minuten, bis er endlich einschläft, ziehen sich endlos hin. Dann stehe ich leise auf, sammle meine Sachen ein. Ich fühle mich schmutzig und würde gerne duschen, fürchte aber, dass Norbert dann aufwachen und Lust auf eine zweite Runde kriegen könnte. Dafür fehlt mir aber der Nerv. Na ja, wenigstens habe ich eine tolle Massage bekommen, besser als nichts.
Also schleiche ich mich raus, als ich wieder angezogen bin. Wann werde ich es endlich lernen und mich für die Salamipizza entscheiden?
München-Nymphenburg, 23. Mai 2019, abends
Gelassen steuert Marco den SUV durch die einsetzende Dunkelheit nach Nymphenburg zum Restaurant La Viala , in dem das Treffen mit dem Boss stattfinden soll, während ich immer noch mit Hugo telefoniere.
»Kannst du mir das erklären?«
Hugo räuspert sich mehrmals, ehe er damit rausrückt, dass er Herrn Hinrich, den Anwalt, zwar erreicht hätte, aber als er ihn dann abholen wollte, musste der noch ewig telefonieren, und als sie endlich am Revier angekommen seien, war Minnie weg.
Was ist denn das schon wieder für eine idiotische Nummer? Hugo wird doch in der Lage sein, diesem schmierigen Anwalt das Telefon aus der Hand zu nehmen, wenn der nicht zu Potte kommt.
»Ihre Anwältin sei schon dagewesen, haben die Beamten gesagt«, gesteht Hugo.
»Was für eine beschissene Anwältin? Seit wann hat Minnie eine Anwältin?«
»Ich … ich weiß ihren Namen.«
»Ja dann spuck ihn schon aus!« Muss ich Hugo heute eigentlich alles aus der Nase ziehen?
»Mayra … Jennings«, stammelt er.
Wer? Sagt mir gar nix.
»Georg wird sich darum kümmern. Dich erwarte ich in meinem Büro«, antworte ich gefährlich ruhig, lege auf und wähle Georgs Nummer.
Mobilbox? Gehts noch?
Ach ja, ich habe ihm ja gesagt, er soll es sich von dieser Anna besorgen lassen. Das kann doch nicht wahr sein, ausgerechnet jetzt ist er tatsächlich mal am Vögeln.
»Georg, zieh deinen Schwanz aus ihrer Muschi. Ich brauch ein paar Infos. Sag ihr, es kann nachher weitergehen.«
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