Seine feindliche Absicht gegen die Hanse hatte der König schon bewiesen, indem er verschiedene Nationen durch Verleihung von Handelsvorrechten heranzuziehen versucht hatte; der Konflikt musste jetzt oder später zum Ausbruch kommen. Wohl mag man auch annehmen, dass die Persönlichkeit des jungen schwedischen Edelmanns als eine Bürgschaft des Glücks auf die Ratsherren wirkte, die behutsam abwogen und rechneten, aber denn doch Gefühl für das Große hatten. Als nach dem Tod des schwedischen Reichsvorstehers Sten Sture der Adel dem Dänenkönig die Hauptstadt ausgeliefert hatte, erregte das Stockholmer Blutbad Abscheu gegen Christian II. und Rachedurst.
Gustav I. Wasa (oder – damals eigentlich „Gustav Eriksson“; * 12. Mai 1496; † 29. September 1560 in Stockholm) war von 1521 bis 1523 Reichsverweser und vom 6. Juni 1523 bis 29. September 1560 König von Schweden.
An der Spitze schwedischer Bauern siegte Gustav Wasa, der die Rückkehr in seine Heimat gewagt hatte, über das dänische Heer, legte sich vor Stockholm und bat die lübischen Freunde um Hilfe. Sie waren darauf vorbereitet und dazu gewillt. Inzwischen hatte sich Christian II. zu seinem Schwager Karl V. begeben, um die für ihn gefährliche Hilfeleistung abzuwenden. Er soll damals den Kaiser gebeten haben, ihm das Städtlein Lübeck abzutreten, damit er einen Absteigeplatz an der Küste habe, und der Kaiser soll gleich dazu bereit gewesen sein; da habe ein Bürgermeister von Köln den Kaiser darüber aufgeklärt, dass Lübeck eine mächtige Stadt des Reichs und das Haupt der Hanse wäre. Der spanische Kaiser, seinem Großvater Maximilian unähnlich, ließ sich durch seinen Schwager bereden und verbot den Lübeckern das Bündnis mit seinen alten Freunden, den Dithmarschen, die Beziehungen zu Schweden, die Feindseligkeiten gegen Dänemark. Es gelang jedoch dem Bürgermeister Nikolaus Brömser und dem Ratsherrn Lambert Wittinghof, die der Rat alsbald nach Brüssel absandte, den jungen Monarchen zu belehren, so dass er das unbedachte Verbot zurücknahm. Dem Reichsregiment in Nürnberg, das dringend zum Frieden mahnte und mit der Acht drohte, gab Lübeck eine stolze Antwort, in der es zu bedenken gab, wie Basel und andere Städte vom Reich abgekommen wären.
Es waren im ganzen 34 Schiffe, zu denen später noch 11 von Danzig gestellte hinzukamen, die, geführt von den Lübecker Ratsherren Joachim Gercke und Hermann Falcke, Schweden zu Hilfe heranrückten. Außerdem leistete Lübeck den Schweden dadurch einen großen Dienst, dass es den Beitritt Herzog Friedrichs von Schleswig-Holstein in das Kriegsbündnis vermittelte. Am guten Ausgang seiner Sache verzweifelnd, verließ Christian II., wie einst Waldemar II., sein Reich, und Gustav Wasa, vorher zum Reichsvorsteher, nun zum König gewählt, zog in Stockholm ein. Die abziehende dänische Besatzung übergab die Stadtschlüssel den lübischen Ratsherren, Bernd Bomhower und Hermann Ploennies, den Anführern der Schiffe, die bei der Belagerung mitgewirkt und den dänischen Entsatzversuch abgeschlagen hatten. Sie überreichten die Schlüssel dem einst in Lübeck geschützten Flüchtling Gustav Wasa, in Wahrheit ihrem König. Ein großer, ergreifender Augenblick; die Sonne des Ruhms, die der hochgemuten Stadt oft leuchtete, stand über ihrem Scheitel.
Schon aber verfärbte sich der Himmel und verkündete unterirdisches Grollen das Erdbeben, das das Römische Reich zerreißen sollte. In Lübeck forderte die Bürgerschaft die Einführung der neuen Lehre, das Patriziat wollte, treu der alten Politik, vor allem das gute Einvernehmen mit dem Kaiser erhalten. Endlich musste doch der Rat der Bürgerschaft, an deren Spitze Jürgen Wullenwever, ein geborener Hamburger, trat, Zugeständnisse machen, und die beiden Bürgermeister, Nikolaus Brömser und Hermann Ploennies, aus dem letzten Krieg bekannte Namen, verließen die Stadt, deren neue Richtung nach innen und nach außen sie missbilligten.
Jürgen Wullenwever (* vor 1488 in Hamburg; † 24. September 1537)
Jürgen Wullenwever wurde Bürgermeister und beherrschte das Gemeinwesen. Der leitende Gedanke seiner Politik, Holland zu bekämpfen, das mit Glück die Hanse zu verdrängen begann, die überraschende Wendung, dass er den gefangenen Christian II. befreite, um ihn im Kampf auszuspielen, das alles war groß und kühn, um eine Note verwegener, als die Lübecker vorzugehen pflegten, wie auch seine Vorliebe für eindrucksvoll prächtiges Auftreten von ihrem zurückhaltenden Wesen abwich. Dass das großangelegte Unternehmen missglückte, lag, abgesehen von der Allgemeinen Lage, an der mangelnden Unterstützung, vielleicht auch an der Schwächung Lübecks durch den inneren Zwiespalt und das Fehlen des altgewohnten Regiments. Hermann Ploennies starb in seiner Vaterstadt Münster, während Nikolaus Brömser, inzwischen vom Kaiser in Brüssel zum Ritter geschlagen, von Wismar ehrenvoll zurückgeholt wurde. Wullenwever trat freiwillig von seinem Amt e zurück und wurde nicht angegriffen; aber auf den Lübecker Patriziern ist der Verdacht haften geblieben, dass sie bei seiner Gefangennahme durch den Erzbischof von Bremen, dessen Gebiet er unvorsichtigerweise betrat, die Hand im Spiel hatten. Der Bruder des Erzbischofs, der vor keiner Gewalttat zurückschreckende Heinrich von Braunschweig, bemächtigte sich der Person des verhassten Protestanten und Demokraten, machte ihm den Prozess und ließ ihn grausam hinrichten, wobei die Lübecker mitwirkten, anstatt gegen die grobe Rechtsverletzung zu protestieren. Dass man dem Mann, der Lübecks Größe gewollt hatte, Diebstahl, Verrat, Begünstigung der Wiedertäufer vorwarf, bleibt ein Flecken auf der Ehre der herrschenden Geschlechter.
Unedel nicht nur, sondern auch unklug, also nicht mehr auf der Höhe ihrer früheren Politik, verhielten sich die Lübecker auch Gustav Wasa gegenüber, indem sie die Dankbarkeit, die er ihnen schuldete und auch nicht verleugnete, ungebührlich ausnutzten. Die Handelsprivilegien, die sie ihn zugunsten der Hanse unterzeichnen ließen, konnte er nicht aufrechterhalten, ohne sein eigenes Volk zu benachteiligen, und so zerfiel die Verbindung durch ein System der Erpressung, das wie ein fremdartiges Zeichen des Verfalls an der sonst so gemessenen Stadt berührt. Die alten Bundesgenossen, die Dithmarschen, preisgebend, verbündete man sich nun mit dem Erbfeind Dänemark. Der letzte Seekrieg, den Lübeck in den Jahren 1563-70 geführt hat, ging an der Seite Dänemarks gegen Schweden.
Welche Fehler aber auch begangen sein mögen, die hochherzige Kraft der Patrizier wie der Bürger offenbarte sich in diesem Krieg nicht weniger als früher. Die Bürger taten sich nach Straßen zusammen, um Geschütze gießen zu lassen. Auf einem standen die Verse: „Lübeck, du eerenrike stad – Dine börger der breden strat – Kobarg end klene borchstraten – Hebben di dit geten laten – Tho weren dines viendes overmod – Bi di seten wi god unde blot.“ Bedeutende Erfolge entsprachen der Kampfbereitschaft. Das lübische Admiralsschiff, der ENGEL, eroberte das schwedische Admiralsschiff MAGELOES, das danach verbrannte; die hundert Geretteten, unter denen der schwedische Admiral Jakob Bagge war, wurden gefangen nach Lübeck gebracht. Als durch ein Ungeschick beim Verladen des Pulvers auch der ENGEL verbrannte, wurde sogleich ein neues Admiralsschiff gebaut und MORIAN genannt. Nach einem heftigen, unentschiedenen Gefecht bei Gotland begruben die Dänen ihren im Gefecht durch eine Kugel getöteten Vize-Admiral in Wisby. Ein Sturm, der sich unterdessen erhob, zerstörte mehrere im Hafen liegende Schiffe; unter den lübischen war der MORIAN, der mit dem Anführer der Flotte, dem Bürgermeister Bartholomäus Tinnappel, unterging. In der Marienkirche zu Wisby, S. Maria Teutonicorum, der einzigen von den achtzehn mittelalterlichen Kirchen Wisbys, die noch heute erhalten und im Gebrauch ist, wurde er feierlich begraben. Den vorteilhaften Handelsvertrag, den der Frieden brachte, konnte Lübeck nicht behaupten; aber es hatte das rauschende Schlachtfeld, das seine Flotte oft zu Kampf und Sieg getragen, nicht ohne Opfer und ruhmvoll verlassen.
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