„Ich bin zwischendurch zu einigen ausländischen Restaurantes gegangen und habe mir überall deren einheimisches Brot gekauft“.
„Und jetzt pass auf!“
„Einer der Bediensteten hat gesagt, dass die meisten Ausländer ihr Heimweh nur deshalb haben, weil ihnen das richtige Brot fehlt“.
„Und dann hab ich diesen jungen Mann, der in der halben Welt umher reist, getroffen. - und jetzt halte dich fest“ - Fadi machte es mal wieder richtig spannend. „Der hat mir erzählt, dass viele Italiener in andere Länder gehen um dort zu arbeiten. Ja sogar nach Amerika. Und jetzt pass auf. Überall eröffen sie dann sogenannte „Pizzerien“. Und nicht nur die Italiener gehen dorthin, sondern auch die Einheimischen“.
Halim dachte kurz nach.
„Du meinst PIZZA-Brot kennt man überall und es ist ein quasi Ersatz für das eigene Brot?“
„Genau- du hast es erkannt“ - schoß es aus Fadi heraus.
„Was machen wir jetzt?“ – fragte Halim. Und ergänzend fügte er hinzu- „sicherlich hast du schon eine Idee“.
Er schaute Fadi an und erwartete dieses breite Grinsen in seinem Gesicht. Doch Fadi blieb erstaunlich ruhig und gelas-sen. Fast emotionslos erwiderte er
„ PRONTO-PIZZA -heißt unser neues Geschäft“.
Halim runzelte die Stirn
„Wie heißt unser Geschäft?“ – fragte er. „Und was heißt Pronto?“
An Halims Augenzucken merkte Fadi wie nervös Halim war.
„Setzt dich mal hin. Ich erklär es dir“.
„Also“ - Fadi holte tief Luft und sprudelte förmlich ohne Unterbrechung los.
„Vor ein paar Tagen habe ich einen Italiener auf dem Markt getroffen. Er stand bei Halib – dem Ölhändler und wollte unbedingt frisch gepresstes Olivenöl. Halib schien ihn nicht zu verstehen und so wurde der Italiener „Luigi“ heißt er, immer lauter. Wild gestikulierend fuhr er Halib an „Capisci che ho bisogno di olio d'oliva per la mia pizza”, was wohl soviel hieß wie; Ich brauche richtiges Olivenöl - und nicht so einen Saft. -oder so ähnlich. Es sah so aus, als sei Halib mit der Situation völlig überfordert. Deshalb habe ich den Italiener gefragt, ob er englisch spricht. Er hat mir dann erzählt, dass er es leid sei, immer nur das fade Brot zu essen. Er nannte unser Brot fad” - räusperte sich Halim. Und – und er wolle sich nun sein Pizzabrot selbst backen - sagte er. Und dazu bräuchte er auch unbedingt gutes Olivenöl.”
“Und noch etwas hat er gesagt. Dass, wenn er hier nicht so eingebunden wäre, er seine eigene Pizzeria in Beirut eröffnen würde”.
“Und weiter” - bohrte Halim.
“Da gibt es kein Weiter. Ich habe ihm dann gesagt, wo er mich finden könnte und das ich ihm möglicherweise seinen Traum erfüllen könnte”.
“Und - meinst du er kommt?”
“Bestimmt” - erwiderte Fadi und fügte ergänzend hinzu; “Wenn wir ihn einbinden können, ich meine als Pizzabäcker, dann könnte unser Vorhaben funktionieren”.
Ein paar Tage später
Jasin war damit beschäftigt all seine Brote, die er ausliefern musste, auf seinem Handkarren zu verstauen als er von einem Unbekannten angesprochen wurde.
“Hallo - Mi piacerebbe aver parlato con il signor Fadi” – hörte er eine Stimme von schräck hinter ihm. Langsam drehte er sich um. Was war das denn für einer- und was will der, fragte sich Jasin. Langsam ging er auf den kleinen dunkelhaarigen Mann zu.
“Was willst du?” - fragte er ihn.
Der Fremde schien ihn zu verstehen und erwiderte
“Signor Fadi – prego”.
Jasin nickte und deutete dem Fremden an, hier zu warten.
Nachdenklich ging er nach hinten in die Backstube um Fadi zu holen. Was dieser dann mit dem Fremden machte war ihm egal. Schließlich musste er ja noch seine Brote ausliefern.
Fadi gab dem Italiener die Hand. “Fadi” – “Luigi” - erwiderte der Italiener.
“Ja – ich weiß” – “dann lass uns mal zu Halim gehen und schauen was der so von dir hält”.
Mit schnellen Schritten ging Fadi auf die Tür zu, aus der er eben gekommen war. Luigi musste sich beeilen, den Anschluss nicht zu verlieren.
“Halim” – rief Fadi. “Kommst du mal eben. Ich würde dir gerne Luigi vorstellen”.
Halim legte seine Brotschere auf Seite und trat zu den beiden an den Tisch.
“Das ist Luigi – du weist, der Junge der gerne Pizzabäcker werden würde”.
“Ah-ahja” - nickte Halim. “Ich erinnere mich” - sagte er und strecket Luigi seine Hand entgegen, die dieser ohne zu zögern ergriff. Lange hielt er Luigis Hand fest umschlossen und schaute ihm dabei tief in die Augen. Plötzlich lies er die Hand los, drehte sich zu Fadi um und nickte bejahend zu.
“Wenn er nun auch noch so gut Pizza backt, wie seine Augen zu sein scheinen, dann ist er unser Mann!”. Drehte sich um und wandt sich wieder seiner Arbeit zu.
Fadi schaute Luigi an, zuckte mit den Schultern und warf ihm einen Kittel zu.
“OK- zeig uns was du kannst”.
Obwohl das alles auf arabisch war, hatte Luigi verstanden. So wie er immer alles relativ schnell verstanden hatte. Obwohl er genau wusste, das ihn die anderen “als kleinen Italiener”, immer unterschätzten. Luigi zog den Kittel, den ihm Fadi zugeworfen hatte an und fing an sich zu orientieren. Nach und nach trug er alle Inhalte die er für eine gute Pizza benötigte zusammen. Während Halim sich mit keinem Auge für das Wirken von Luigi zu interessieren schien, schaute Fadi aufmerksam dem Treiben von Luigi zu. Mehl, Salz, Hefe, Zucker, Olivenöl, Knoblauch, Wasser, Oregano standen schließlich auf dem Tisch. Luigi begann die gute Messerspitze Hefe in lauwarmem Wasser aufzulösen, dann mischte er, fast ein halbes Pfund Mehl mit etwas Salz und Zucker, Danach schüttete er das lauwarem Wasser mit der aufgelösten Hefe über das Mehlgemisch, gab noch einen Schuss Olivenöl hinzu und fing an das Ganze fleißig zu kneten. Als der Teig anfing wie Schlamm an seinen Fingern zu kleben, schüttete Luigi den gesamten Teig auf die, mit Mehl eingepuderte Tischplatte, gab nochmals etwas Olivenöl über den Teig und besteubte das Ganze nochmals mit Mehl. Dann nahm er ein Tuch und deckte den Teig fein säuberlich ab.
“PRONTO” – sagte Luigi, jetzt noch ein wenig warten und dann können wir die Pizza backen.
Fadi kannte den Prozess. Liessen auch sie immer ihren Brotteig zusammen mit der Hefe ziehen, bevor sie ihn in den Backofen schoben. Nach fast einer Stunde war es dann soweit. Luigi rollte den Teig in eine dünne, knapp einen Zentimeter, dicke Form und schob sie in den Backofen, den er vorher nochmals so richtig angeheizt hatte. Während rechts die Holzscheide nur so brannten, fing links die Pizza schnell an aufzugehen.
Alles geht viel schneller als bei unserem Brotbackvorgang dachte Fadi. Schon nach kurzer Zeit nahm Luigi seine Pizza aus dem Ofen. Der Teig sah etwas gelblicher aus, als der, den Fadi von seinen Broten kannte. Lag sicherlich am Olivenöl dachte er.
Interessiert beobachtete er Luigi, wie dieser mit einem Messer ein Stück des Pizzabrotes abschnitt und es langsam, kauend von einer Ecke in die andere seines Mundes schob.
Fadi streckte seine Hand aus um ebenfalls ein Stück des Pizzabrotes zu testen, als ihm Luigi, mit ausgestreckter Hand, bedeutete, die Finger vom Brotteig zu lassen. Überrascht schaute Fadi Luigi an- Ist doch nichts anderes als bei unserem Brot dachte Fadi- nur etwas dünner. Was soll dass?
Es folgte ein lautes
“dannazione! Che cosa è - ha un sapore terribile”
“Was ist los?” – fragte Fadi ein wenig irretiert.
“Ich weiß es nicht! Aber das ist keine Pizza. Das ist Beirut-Pappe. Das ist KARTON” - antwortete Luigi ein wenig resigniert.
“Irgend etwas ist falsch an den Zutaten.
Aber ich werde es herausfinden” - versprach Luigi.
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