Da ist er- der Killer- jetzt ist es aus - er wird dich erschießen - schoss es ihm durch den Kopf
Und wieder wünschte er sich Mutters Rock. Weinend und am ganzen Körper zitternd, sank er auf den Boden und versuchte seinen Kopf, mit seinen Händen vor der Kugel des Mörders zu schützen.
Vor Angst zitternd und mit geschlossenen Augen hörte er, wie die Tür zum Bad geöffnet wurde.
„Nicht“ – schrie Junis
„Nicht schießen“
Brigitte stand im Türrahmen und schaute ungläubig auf Junis.
„Was ist los“ - fragte sie und rannte zu Junis der in der Wanne kauerte.
„Ganz ruhig Schatz – ich bin doch bei dir.
Keiner tut dir etwas“
Sie wusste das etwas mit Junis nicht stimmte.
In Junis löste sich allmählich die Spannung und die Todesangst wich aus seinem Körper. Gleichzeitig verfiel er in ein unaufhör-liches Schluchzen. Junis sackte nun völlig in sich zusammen. Brigitte führte ihn zum Bett, nass wie er war, drückte sie ihn nieder, legte sich zu ihm und zog die Decke über beide Köpfe. Gemeinsam lagen sie so fest umschlungen und Brigitte wusste, Junis war nun unter dem Rock seiner Mutter und in Sicherheit. Geduldig wartete sie bis er sich erholt hatte.
Irgendwo rief ein Muezzin zum Gebet. Brigitte öffnete die Augen. Es war noch dunkel und Junis schlief unruhig neben ihr. Brigitte stand auf und ging ins Bad. Als sie wieder zurück ins Zimmer kam, stand Junis nackt vor dem kleinen Tisch in der Ecke des Zimmers. Auf dem Tisch lagen ein Koffer und eine braune Ledertasche.
„Was ist das“ - fragte Brigitte.
„Willst du vereisen?“
Sie grinste ein wenig verlegen. Ahnte sie doch, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
Junis drehte sich langsam um, Seine Augen waren leer und seine sonst so stark männliche Haltung war geduckt und irgend-wie ängstlich wirkend.
„Was ist in den Taschen“ fragte Brigitte erneut.
Ohne zu antworten öffnete Junis den Koffer.
Brigitte glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Sah sie da wirklich Geld? Viel Geld?
Sie atmete tief ein, drehte sich zu Junis und schaute ihm tief in die Augen.
Mit leiser Stimme fragte sie ihn. – „Wo hast du das her?“
„Das wirst du mir nicht glauben“ – antwortete Junis ebenso leise.
Langsam und Stück für Stück erzählte er nun Brigitte was er erlebt hatte. Das er in Gedanken an sie das Haus verpasst und durch Zufall gesehen hatte wie ein Fremder Abonoub erschossen hatte. Abounoub hatte sich offensichtlich mit dem Geld seiner Kunden aus dem Staub machen wollen. Und das er auf das Versteck gestoßen und das Geld an sich genommen hatte, war reiner Zufall.
„Jetzt weist du alles“ – sagte Junis und fügte hinzu – „Ich habe so eine Angst – sicherlich wird der Killer irgendwann hier auftauchen“.
Hilfesuchend schaute er Brigitte an. Brigitte jedoch blieb erstaunlich ruhig. Sie schien nachzudenken.
„Wir müssen jetzt ganz ruhig bleiben. Hat dich jemand gesehen?“
„Ich glaube nicht“
„Ich meine, hat dich jemand in das andere Haus gehen sehen?“
Junis dachte nach und schüttelte den Kopf. –„Ich glaube nein“.
„Weis jemand das du auf dem Weg zu Abonoub warst?“
„Ja- drei Geschäftsinhaber aus Bad Idriss, zwei Firmeninhaber aus dem Zentrum - er machte eine Pause – und mein Vater“.
Brigitte dachte nach.
„Und in der Tasche ist das Geld was sie dir mitgegeben haben“
„Ja“ - nickte Junis.
„Ist noch alles da?“
„Ja“ – nickte Junis erneut
„Gut- dann gehst du gleich zu diesen Leuten und gibst ihnen das Geld zurück“.
„Was? – alles?“
„Nein – nur das, was sie dir gestern gegeben haben“.
„Und was soll ich ihnen sagen“
„Sag ihnen, dass du den Agenten nicht angetroffen hast und dass du das Gefühl hast, das etwas mit ihm nicht stimme“- und“ ergänzend fügte sie hinzu – „sag ihnen, dass dir das Geschäft zu unsicher sei und du in Zukunft nicht mehr für sie umtauschen wirst“.
Brigitte machte eine kleine Pause. Sie schien nachzudenken. Junis kannte sie, es war jetzt besser nichts zu sagen bis sie weiterreden würde.
„Ich hab’s“ - sagte Brigitte und schnippte mit den Fingern.
„Wir behalten das Geld aus dem Koffer – wieviel ist das eigentlich?“ - fragte sie ohne Luft zu holen. Junis zuckte mit den Schultern.
„Soll ich es zählen“
„Nein – nicht jetzt - hör zu“.
„Wir bringen das ganze Geld nach Deutschland“.
„Ich überrede meinen Chef, dass die Situation in Beirut von Tag zu Tag unübersichtlicher und auch gefährlicher wird und es besser sei, wieder nach Deutschland zurück zu gehen“.
„Und ich? Bleibe ich hier?“ -fragte Junis etwas unsicher.
„Nein“ - antwortete Brigitte. „Du wirst als Berater mitkommen und dann werden wir heiraten. Ich werde schwanger und wir werden in Köln bleiben. Von dem Geld kaufen wir uns eine Villa in Hahnwald und tun so, als sei das Geld aus guten Geschäften in Saudi-Arabien erwirtschaftet worden“.
Junis dachte nach. „Warum Saudi Arabien?“
„Damit uns niemand mit Beirut in Verbindung bringt“.
„Und dein Chef?“
„Nun mein Süßer, da musst du wohl ran und mich schwängern. Denn wenn wir ein Kind haben, kann ich aussteigen. Ich bin dann nur noch Hausfrau und Mutter und du fängst in er Immobilienbranche an und vertickst deinen Landsleuten Botschaftsgebäude und Villen in Bonn“.
Brigitte machte eine Pause, holte tief Luft, schaute ihn an und mit resoluter Stimme und es klang wie ein Befehl, bestätigte sie ihren Vorschlag.
„Genau so wird es gemacht!“
Junis wusste - es war weder eine Frage, noch ein Vielleicht.
Brigittes Entschluss stand fest!
„Komm“ – sagte Brigitte. „Lass uns das Geld zählen“. Und mit einem Lachen - „Ich die DM und du die Dollar“. Unverzüglich begann sie mit dem Zählen der Geldscheine.
Es verging eine ganze Weile bis sie wussten, dass das, was sie geplant hatten, für den Rest ihres Lebens reichen und ihnen ein sorgenfreies Leben garantieren würde.
„Und“ - fragte Brigitte – „wieviel ist es?“
„785.750 Dollar“ – erwiderte Junis
Brigitte lächelte verschmitzt
„Gewonnen!“ – jubelte sie und streckte beide Arme in die Höhe. „Eine Million, 450 tausend und 550 DM“.
Junis schien wieder in Ohnmacht zu fallen, während Brigitte erstaunlich ruhig blieb.
„Schatz“- sie schaute ihn an. „Alles wird gut. Ich habe einen Plan“.
Junis schaute Brigitte an. Obwohl er Angst hatte, eins wusste er, Brigitte konnte er immer vertrauen. Sie hatte immer gute Ideen. Schließlich hat sie ihn in die Firma geholt, hatte ihm den Job als Kontakter ermöglicht und ihn auch noch als Vertrauens-person, in Punkto Geldtausch, überall empfohlen. Sie wird bestimmt wieder eine gute Idee haben dachte er sich und wartete respektvoll auf Brigittes Idee.
„Also“ - begann Brigitte. „Ich denke als erstes sollten wir niemandem, hörst du - und es klang wie ein Befehl – niemandem, auch nicht deinen Eltern, Fadi, noch deinen Geschwistern etwas davon erzählen. Und schon morgen wirst du allen Kunden ihr Geld zurückbringen!“
Junis setzte an um etwas zu sagen, doch Brigitte gab ihm mit ausgestreckter Hand unmissverständlich zu verstehen, dass sie dieses Geld nicht bräuchten. Und dass es besser wäre, so zu tun, als wüsste man von nichts. Da die Situation durch den drohenden Bürgerkrieg immer unruhiger und brenzliger wurde, empfahl sie Junis ebenfalls, allen Kunden und auch seinem Vater, zu erzählen, dass er ab jetzt mit dem illegalen Umtausch-geschäft aufhören würde.
„Hast du verstanden?“- fragte sie Junis.
Junis nickte.
„Und wie geht es weiter“ - fragte er.
„Wenn das alles erledigt ist, buche ich uns zwei Flüge und wir gehen nach Deutschland“.
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