Wir verabschiedeten uns und Bea versprach, mich morgen anzurufen.
Als ich mich von Jared verabschiedete und Bea schon im Stall war, nahm er meine Hand und drückte mir einen Kuss darauf.
"War wirklich ein Vergnügen, dich kennenzulernen. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder", meinte er und er sah mir mit seinen schwarzen Augen fest in die Augen.
Ich sah ihn verwirrt an, als er mich immer noch anstarrte. "Ist noch was?", fragte ich und endlich riss er sich los und schüttelte den Kopf.
"Nein, ich dachte nur…", sagte er, drehte sich um und ging in Richtung Stall.
Auf der Fahrt zurück zu Beas Wohnung dachte ich über den äußerst komischen Verlauf des Abends nach. Was sollte denn das Ganze? Und wie konnte mich ein Kerl, der nicht mein Freund war, so dermaßen aus dem Konzept bringen, wie dieser Jared? Ich überlegte den ganzen restlichen Weg zurück, wo ich ihn schon mal gesehen haben könnte.
Bei der Wohnung angekommen, stellte ich das Rad ab und beschloss, den Rest zu meiner Wohnung zu gehen. Tom musste das ja nicht wissen. Wie sagt man so schön? Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Ich kramte in meiner Tasche nach meinen Kopfhörern, als meine Hand auf etwas stieß, das ungewöhnlich war. Achja richtig, die Fotos. Ich zog es heraus. Ich sah sie mir im Schein der untergehenden Sonne an und kam zu dem Bild, wo ich die Adresse fotografiert hatte.
Dann fiel mir was ein. Ich kramte wieder in meiner Tasche und stellte mit Erleichterung fest, dass meine Dienstmarke da war. Also warum sollte ich nicht bei dem vorbeischauen, der vielleicht einen Haufen Mädchen getötet hatte? Ich befühlte meine Jackentasche. Das Pfefferspray und das Taschenmesser waren eine ausreichende Verteidigung, beschloss ich und machte mich auf dem Weg zu der Adresse.
Es war ein schönes Haus, in dem Licht brannte. Ich atmete tief durch, denn ein bisschen aufgeregt war ich schon. Ich suchte mit zittrigen Händen meinen Dienstausweis in meiner Tasche und atmete nocheinmal ganz tief durch.
Zögernd klingelte ich und tänzelte nervös von einem Bein auf das andere.
Nach kurzer Zeit öffnete ein junger Mann und ich war einen Moment wie gelähmt. Denn der, der da stand, mit dem hatte ich niemals gerechnet. Jetzt wusste ich auch, woher ich ihn gekannt hatte.
In der Tür stand Jared. Auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.
"Ja?", fragte er mit seiner wunderschönen Stimme.
"Hi, ähm.. Ich… ähm…", stammelte ich und umklammerte meinen Ausweis, unfähig mich zu rühren.
"Ja?", fragte er nochmal und der Klang seiner Stimme trug nicht gerade dazu bei, dass ich mich sammeln konnte.
"Hast du schon Sehnsucht nach mir?"
Ich sah ihn an. Besser gesagt ich starrte ihn an und das Licht der untergehenden Sonne verwandelte seine Haare in Gold und in seinen Augen blitzen dunkle Sonnenstrahlen…
"Ist alles in Ordnung?", fragte er leise und machte einen Schritt auf mich zu. Er berührte meine Hand, in der ich meine Dienstmarke hielt und er hob sie an sein Gesicht.
"Aha, Avenae Johannson, Polizei Rügen. Was hab ich denn verbrochen? Bin ich zu schnell gefahren, Frau Kommissar?"
Was zum Teufel machst du da?, schrie ich mich selbst in Gedanken an und schüttelte mich.
"Ich… ich. Nein. Ja, ich meine Nein, du bist nicht zu schnell gefahren. Ich hab einfach nur... Ich hab. Ich weiß nicht… Und ich bin keine Kommissarin sondern nur.."
Schelmisch biss er sich auf die Unterlippe und ich musste schlucken. Ach du scheiße. Das gibt’s doch nun wirklich nicht. Was war das nur für ein Sahneschnittchen?
"Komm erst mal rein. Vielleicht weißt du ja dann wieder, warum du vor meiner Tür stehst, total verwirrt", sagte er mit seiner schönen Stimme und zog mich in die Wohnung.
Ich registrierte nicht mal die Einrichtung, denn ich musste auf seinen Hintern starren, als er durch den Gang hindurch um die Ecke verschwand.
Oh Gott. Langsam kapierte ich, wie absolut lächerlich ich mich gerade benahm.
Ich atmete tieeef durch und folgte ihm.
"Jared?", fragte ich, als ich ihn nicht sah und ich bekam plötzlich Angst. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, hier an einem Freitagabend nach Dienstende mit meiner Praktikanten Dienstmarke herzukommen, wo er doch vielleicht ein Mörder war, mit meiner besten Freundin zusammen war und, achja ich hatte ja auch noch einen Freund, der daheim hockte und sich ständig Sorgen um mich machte?
Oder sich vielleicht gerade einen Porno ansah, weil ich schon Ewigkeiten nicht mehr mit ihm geschlafen hatte? Und warum musste ich ausgerechnet jetzt über Pornos nachdenken?
"Willst du einen Tee? Bier, Wein, Wasser aus dem Wasserhahn?", hörte ich Jared von links und ich betrat die Küche.
Ich schüttelte heftig den Kopf, bis mir auffiel, dass er das gar nicht sehen konnte, da er mit dem Rücken zu mir stand und mir wieder seinen absolut hinreißenden Hintern präsentierte. Also sagte ich nur "Nein, danke, ich brauche nichts."
Er drehte sich um und musterte mich von oben bis unten.
"Ist dir nicht ein bisschen warm, mit deiner Jacke? Hier hat es sicherlich 27 Grad", meinte er mit einem Blick auf ein Thermometer, das an der Wand neben ihm hing.
Ich zuckte zusammen, als er mir die Jacke abnehmen wollte.
"Also, Frau Hauptkommissarin, was führt Sie denn hierher?", fragte er von weiter weg und ich kam wieder zu mir. Ich stand schon wieder wie ein Trottel in der Gegend rum und er war längst in ein anderes Zimmer gegangen.
Ich ersparte ihm die Erklärung, dass ich keine Hauptkommissarin oder Kommissarin sondern nur eine kleine einfache Praktikantin war und folgte ihm.
Ich wusste nicht, wo ich meine Hände hintun sollte, wie ich mich hinstellen sollte um einen kompetenten Eindruck zu hinterlassen. Ich war eine so verdammt schlechte Polizistin, halt stopp, ich war nicht mal Polizistin, sondern nur ein kleines unsicheres Ding, das sich von einem Mann so aus der Fassung bringen ließ.
Er lehnte an der Couch und sah mich wieder mit diesem unwiderstehlichen Lächeln an. Ich konnte spüren, wie ich knallrot anlief.
Ich beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen.
"Ehrlich gesagt, hab ich keine Ahnung. Ich denke, ich sollte wieder gehen."
Ich drehte mich um und versuchte fluchtartig das Haus zu verlassen.
"Avenae!", rief er und ich hörte, wie er mir nachlief.
"Warte, du hast deine Jacke vergessen", flüsterte er, nachdem er mich an der Tür abfing, mich am Arm packte und mir nun meine Jacke um die Schultern legte.
"Willst du wirklich schon gehen?"
Ich drehte mich um und wollte etwas sagen, doch er stand so dicht vor mir, sodass ich erstmal meinen Kopf in den Nacken legen musste um ihn anzusehen. Und als ich ihn dann ansah, wusste ich wieder nicht, was ich sagen wollte.
Ich atmete tief ein und er benutzte kein Parfüm und mir gefiel das auf eine Art und Weise, für die ich mich noch vor drei Monaten bevor ich Tom kennenlernte, geohrfeigt hätte. Er roch so gut, dass ich nicht wusste, nach was. Nach frischer Seife? Nach süßem Obst mit Schokolade an einem heißen Sommertag? Nach einer langen, heißen Nacht am Strand?
Während ich darüber grübelte, was das für ein Geruch an ihm war, hob er seine Hand und öffnete mir meinen Dutt. Er zog die Klammern heraus und warf sie einfach auf den Boden. Mit sanften Fingern fuhr er durch mein Haar und als seine Finger über meinen Hals streiften bekam ich Gänsehaut.
Was tat ich hier? Also echt, was um alles in der Welt tat ich hier?, schimpfte ich mich selbst und hatte keine Antwort darauf. Ich wusste es nicht. Ich wusste nicht, was ich mir dabei dachte. Doch es war das beste Gefühl, das ich jemals gehabt hatte. Tom war gut und es war schön mit ihm, aber das, was dieser Typ hier mit mir machte, sowas hatte ich noch nie erlebt. Mit ein paar einfachen Worten und Berührungen war es um mich geschehen.
Читать дальше