"Was machst du da?", fragte Tom endlich, nachdem er fünf Minuten lächelnd im Rahmen gelehnt hatte und mir mit verschränkten Armen zugesehen hatte, wie ich versuchte die Tür zu öffnen.
Ich strich mein Oberteil glatt und schnaufte: "Nach was sieht's denn aus?"
Er lachte nur und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich in sein Zimmer kommen soll. Als ich mich nicht bewegte, kam er auf mich zu und hob mich einfach so aus dem Nichts hoch und trug mich in sein Zimmer. Ohne sich über meine Pfunde zu beschweren, die mir schon lange ein Dorn im Auge waren.
Ich strampelte so fest, dass er mich fast auf sein Bett/Couch schmiss und ich starrte ihn wütend an.
"Ganz ruhig. Hättest du auf mich gehört, dann hättest du auch selbst durch die Tür gehen können. Aber so… Jetzt komm, entspann dich. Was willst du anschauen?"
Ich versuchte, mich zu beruhigen und stand auf. Das Chaos von vorhin war verschwunden und ich fragte mich in welchen Schrank er den ganzen Kram gestopft hatte, so wie ich es immer machte, wenn ich spontan Besuch bekam, was leider nicht so häufig vorkam.
Man, hatte der komische DVDs. Lauter Action-Zeug. Meine waren da viel besser, aber ja leider in meiner verschlossenen Wohnung.
Mir sagten die Titel alle nichts und als er mich gelangweilt betrachtete und ich nicht alle Inhaltsangaben durchlesen wollte, nahm ich einfach eine mit der Aufschrift: Mission Impossible, The Phantom Protokoll.
Na gut, wenigstens nichts Grusliges, wo er auf den Gedanken kommen könnte, mich zu beschützen und mir einen Arm um die Schultern zu legen oder sowas kindisches.
Er stand seufzend auf, als ich mich in seinen Augen zu doof mit dem DVD-Player anstellte und legte sie selbst ein.
Und da saßen wir, zwischen uns viel zu viel Raum und ich konnte seinen Atem und sein leises Lachen hören, sein Rasierwasser und sein Shampoo riechen, und seine gelegentlichen Blicke, die er mir aus den Augenwinkeln zu warf, spüren.
Ich muss zugeben, der Film war richtig gut, was mich echt beeindruckte, denn am Anfang war er schon ziemlich brutal.
Das peinlichste war der Schluss. Denn das Problem war einfach der Schluss. Keiner sagte was, als Tom Cruise in den Nebel verschwand und der Abspann anfing. Ich spürte, wie rot ich wurde, weil er mich anstarrte.
Dann fühlte ich seine Hand und aus irgendeinem Grund zuckte ich nicht zurück. Auch nicht, als er mich küsste.
Die Frau fuhr fort und es war fast, als hätte sie das erlebt, was sie vorlas, was natürlich Schwachsinn war. Danielle schloss die Augen und stellte sich vor, wie die Hauptperson war. Wie sie ausgesehen haben mochte, wie sie mit ihrem Leben nicht zurecht kam. Stellte sich alles vor, was passierte und dass es Wirklichkeit sein könnte.
Währenddessen, an einem anderen, sehr fernen Ort passierte etwas, das ich mir nie hätte träumen lassen. Nie hätte ich gedacht, dass so was möglich wäre, bis zu dem Zeitpunkt, als ich selbst ein Teil des Ganzen wurde. Ein Teil von der Welt, die auf mich wartete.
Ein paar Jahre zuvor sollte ein Mädchen, das so schön wie die Sonne war, so ruhig und so fließend wie das Wasser, so gebildet wie die Götter und so gescheit wie alles Wissen war, seine Mutter nie wiedersehen. Auch um ihre Existenz gab es ein Geheimnis, mit dem niemand gerechnet hatte. Sie wurde von den Göttern verstoßen, zusammen mit einer Frau, die eine Dienerin des großen Gottes und eine Verwandte der Tochter des Gottes war.
In einem kleinen Haus an der Küste des Landes, das ihr später näher kennenlernen werdet, lebten sie und das Mädchen wuchs heran. Als sie 13 Jahre alt war, in dieser Welt ein Alter, mit dem man Verantwortung übernehmen musste, lernte ihre neue Mutter ihr alles über ihre Fähigkeiten. Was genau diese Fähigkeiten waren, das erzähle ich später, denn ihr würdet es sowieso nicht glauben. Sie bekam auch ein Geschenk. Ihre neue Mutter erzählte ihr, dass das ein Geschenk der Götter war. Ein Geschenk ihrer wahren Mutter und ihrer wahren Herkunft. Ein silberner Ring, mit einem Stein, der aussah, als würde er fließendes Wasser einschließen. Er war blau, ein schönes intensives Blau, fast dieselbe Farbe wie die Augen des Mädchens. Sie freute sich sehr und sie lernte noch schneller. Sie war sehr fleißig, sodass sie sehr viel Lob von ihrer neuen Mutter bekam. Ein Jahr lang lebten sie noch zusammen, in dem Jahr wurde sie genauso gut wie ihre neue Mutter und sie liebten sich sehr.
Eines Tages aber wurde alles anders. Schon vorher wütete ein Krieg in dem Land, von dem die beiden allerdings nichts mitbekamen. Doch an dem Tag sollte sich alles ändern. Soldaten kamen, töteten die Frau und als sie das Mädchen sahen, und das, was sie tat, waren sie wie verzaubert von ihr. Von ihrem langen, blonden, fließendem Haar und ihren blauen, kristallklaren Augen. Sie flehte sie an, sie nicht zu töten, also nahmen sie sie mit. Doch das, was sie mit ihr taten, verstieß gegen das Gesetz. Aber keiner war da, um ihr zu helfen. Denn der König war tot.
Das Problem mit der Tür hatte sich schnell erledigt, da Tom, der nun offiziell mein erster fester Freund war, ziemlich gut mit einem Dietrich umgehen konnte.
Tom war einfach wunderbar. Ich hatte ihn gar nicht verdient. Aber aus irgendeinem Grund war er ganz verrückt nach mir und zeigte mir das auch in jedem nur erdenklichen Augenblick.
Wir unternahmen viel, er nahm sich frei, wir lachten und redeten und ich stellte eines Abends, als wir auf dem Balkon lagen und Erdbeeren mit Schokolade aßen und uns gegenseitig mit der geschmolzenen Schokolade vollschmierten, fest, dass es eigentlich gar nicht so schlecht war, jemanden in mein Leben zu lassen. Endlich fühlte ich mich einfach nur gut, jeden Moment meines Lebens wollte ich mit ihm verbringen.
Er war das tollste, was mir je passiert ist. Und ich Depp wollte ihn zuerst gar nicht.
Eigentlich hasste ich Leute, die meinten, wegen ihnen müsste ich mein ganzes Leben ändern. Tom meinte, ich müsse mehr aus meinem sehr bescheidenen Leben machen und hatte versucht, mich bei der Polizei für eine Ausbildung anzumelden.
Ich lehnte ab, denn ich hasste es wirklich, wenn mir jemand vorschrieb was ich tun und was ich nicht tun sollte, aber weil er mir die ganze Zeit über sauer war und ich konnte es einfach nicht ertragen, wenn er mich nicht mit seinen warmen braunen Augen ansieht und mir zärtliche Worte in mein Ohr hauchte, willigte ich wenigstens für ein Praktikum ein.
Mein Café wollte ich aber nicht aufgeben und wenn ich frei hatte, arbeitete ich darin mit. Ich hatte mir jemanden eingestellt, Jenny, eine hübsche kleine Blondine, die sich mit dem Kellnern auskannte und die ich auch mal allein lassen konnte. Ich vertraute ihr.
Das Schlimmste war jedoch, für Tom war seine Arbeit Prio eins im seinem Leben. Ich musste ihn mit Mördern und Schichtarbeit teilen, was nicht gerade einfach war.
Heute aber nicht!
Heute war unser erster gemeinsamer Tag seit langem. Er hatte Urlaub und ich noch einige Überstunden, die ich wegbringen musste, bevor das Praktikum zuende war. Ich hatte ihn so lange gebeten, dass er sich endlich mal freinimmt, und siehe da, meine Wünsche wurden erfüllt.
Es war ein schöner Tag und ich machte mich fertig. Ich zog eine weiße Bluse und einen Rock in A-Linienform und meine braunen Sandalen an. Ich nahm meine Handtasche und den Schlüssel, verließ meine Wohnung und klopfte an Toms Tür.
Als keiner öffnete, zuckte ich nur mit den Schultern und sprang die Treppen hinunter.
Unten wurde ich geblendet von der Sonne und von noch jemanden, der an der Wand lehnte.
Grr, er erfüllt wirklich jedes Klischee eines sexy Polizisten. Am liebsten würde ich ihm die Strähnen seines dunklen Haars aus der Stirn streichen und ihm das blaue Hemd herunterreißen, aber man kann ja nicht alles haben.
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